Im großen Saal herrscht lebendiges Stimmengewirr. Frauen aus den acht Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes begrüßen sich herzlich, manche kennen sich von früheren Konferenzen, andere stellen sich neu vor.
Fast zweihundert Kolleginnen aus allen DGB-Gewerkschaften sind Mitte November in Berlin zusammengekommen – nicht nur, um sich auszutauschen, sondern um Weichen für die kommenden vier Jahre zu stellen. Unter dem Motto „MehrWert Gleichstellung“ geht es um mehr als schöne Worte: Es geht um konkrete Beschlüsse, die den Alltag in den Betrieben und in der Gesellschaft verändern sollen.
Eine der ersten großen Debatten der Konferenz drehte sich um den Strukturwandel. Dekarbonisierung, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz – die Industrie steht vor einem Umbruch, der Arbeitsplätze und Berufsbilder neu definiert. Für die IG Metall ist klar: Dieser Wandel darf nicht geschlechtsneutral verlaufen. Frauen müssen aktiv beteiligt werden – bei Qualifizierung, in neuen Berufsfeldern und in der politischen Gestaltung.
Der Beschluss „Strukturwandel – geschlechtergerecht jetzt!“ greift weiter, als es auf den ersten Blick scheint. Es geht nicht nur um die Industrie, sondern um die gesamte wirtschaftliche Kette. „Denn wenn Industriearbeitsplätze verschwinden, betrifft das nicht nur eine einzelne Branche“, betont Katja Herkert von SKF aus der IG Metall Delegation. „Dann sinkt die Kaufkraft in der gesamten Region – und die Auswirkungen sind branchenübergreifend zu spüren: vom Bäcker bis zum Handwerker.“ Genau deshalb sei der Antrag auch für die Schwestergewerkschaften von zentraler Bedeutung. Denn die Transformation der Industrie zieht Kreise bis in Handel, Dienstleistungen und Handwerk. Und wenn Gleichstellung im Strukturwandel gesichert sein soll, müssen alle Branchen gemeinsam handeln.
Gleichstellung im Strukturwandel bedeutet nicht nur, Frauen für neue Berufsfelder zu qualifizieren. Sie bedeutet auch, bestehende Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie mit dem Leben vereinbar sind. Genau hier kommt ein Thema ins Spiel, das für viele Kolleginnen den Alltag prägt: Schichtarbeit.
Sie bleibt eine der größten Hürden für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und betrifft immer noch besonders Frauen. Die Kolleginnen aus den Gewerkschaften setzen deshalb auf eine branchenübergreifende Fachtagung, die bereits 2026 oder 2027 stattfinden soll. Ziel soll sein, gemeinsam Lösungen zu finden, macht die IG Metall Delegierte Susanne Preuk von Volkswagen klar: „Mit einer Fachtagung zu dem Thema können wir der Frage nachgehen, wie andere Branchen 24/7-Dienste organisieren. Wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden. Wir wollen voneinander lernen – gute Beispiele aufgreifen und in unsere Betriebe bringen.“

Flexible Arbeitszeiten, verlässliche Entgelte und Schutz vor Überlastung – all das entsteht nicht von allein. Dafür braucht es eine starke tarifliche Grundlage. Denn sie schafft Sicherheit, faire Entgelte und Spielräume für Arbeitszeitmodelle, die Vereinbarkeit überhaupt erst möglich machen. Die Tarifwende-Kampagne des DGB, die die Vorteile von Tarifverträgen und Tarifbindung sichtbar macht, soll daher künftig Frauen noch stärker in den Fokus nehmen.
Das heißt: Frauen sichtbarer machen, ihre Perspektiven in den Mittelpunkt stellen und die Vorteile von Tarifbindung für ihre Lebensrealität kommunizieren – von Entgeltgleichheit bis zu flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Am Ende der Konferenz war die Stimmung bei der IG Metall Delegation kämpferisch und optimistisch. „Sehr gestärkt und zugegeben ein wenig müde, dafür aber mit frischem Wind unter den Flügeln bin ich nach Hause gefahren“, erinnert sich Susanne. „Solche Konferenzen laden die Akkus mit positiver Energie auf – und man kehrt mit vielen Inspirationen zurück an die Arbeit.“
Diese Energie ist wichtig. Denn die Herausforderungen bleiben groß, und Widerstände sind auch weiterhin spürbar. Doch die Botschaft der Kolleginnen ist eindeutig: „Wir lassen uns nicht unterkriegen und machen weiter – auch wenn uns Gegenwind begegnet“, macht Alexandra Ebert, Betriebsratsvorsitzende Mercedes Benz Niederlassung Dortmund und Teil der aus der IG Metall Delegation deutlich. „Wir geben nicht auf, bleiben im Schulterschluss mit den Kolleginnen und machen entschlossen weiter.“
Die Bundesfrauenkonferenz hat gezeigt: Gleichstellung ist kein Randthema, sondern ein zentraler Faktor für die Zukunft von Industrie und Gesellschaft. Die IG Metall und ihre Schwestergewerkschaften konnten entscheidende Impulse für eine geschlechtergerechte Zukunft setzen.
Eine sehr ausführliche Dokumentation der Veranstaltung findet Ihr auf der DGB-Seite
Hier könnt Ihr das Beschlussbuch herunterladen