Paragraf 7 des Entgelttransparenzgesetzes bestimmt, dass bei Beschäftigungsverhältnissen für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf, als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Diese Bestimmung hat das BAG nun ausgelegt in einem Streitfall mit einer Klägerin, die ein um 1.000,00 Euro geringeres monatlichen Entgelt erhalten hatte, als ein bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigter männlicher Arbeitnehmer. Bevor sich das Bundesarbeitsgericht der Frage zuwendete, ob sich die Klägerin überhaupt mit dem anderen Mann vergleichen konnte, ging es auf die Frage ein, was überhaupt unter den Entgeltschutz fällt.
Hierzu stellte es fest, dass zum vergleichenden Entgelt die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und – Gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu rechnen sind, die der Arbeitgeber mittelbar oder unmittelbar als Geld- oder Sachleistungen zahlt. Der Grundsatz der Entgeltgleichheit gilt für jeden einzelnen Bestandteil des den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gezahlten Entgelts und wird nicht nur im Wege einer Gesamtbewertung der diesen gewährten Vergütungen angewandt. Deshalb kann der Vergleich der Entgelthöhe auch nur auf das Grundgehalt beschränkt werden, während andere Entgeltbestandteile nicht in den Vergleich einzubeziehen sind. Da der Klägerin ein um 1.000,00 Euro monatlich niedrigeres Grundgehalt gezahlt wurde, bestand insoweit eine klare Entgeltdifferenz.
Es kam nun darauf an, ob die Klägerin eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet hat. Nach Paragraf 4 Absatz 1 Entgelttransparenzgesetz üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder Nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen. Eine gleichwertige Arbeit nach Paragraf 4 Absatz 2 Entgelttransparenzgesetz wird ausgeübt, wenn weibliche und männliche Beschäftigte unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Dazu gehört unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen. Mit dem Begriff der „gleichwertigen Arbeit“ werden verschiedenartige Arbeiten unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren daraufhin verglichen, ob sie von gleichem Wert sind. Dies kann insbesondere mit den Methoden der Arbeitsbewertung erfolgen, soweit diese selbst diskriminierungsfrei sind.
Sowohl die Klägerin als auch der Mitarbeiter, auf den sie sich bezogen hatte, waren im maßgeblichen Zeitraum im Vertriebsaußendienst eingesetzt und hatten bei ihrer Tätigkeit die gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnisse. Beide hatten – mit Ausnahme des Vertragsbeginns und des Grundentgelts – identische arbeitsvertragliche Vereinbarungen getroffen. Beide konnten sich zudem gegenseitig vertreten, ohne dass es einer gesonderten Einweisung bedurft hätte. Dass sie für unterschiedliche Kunden und Produkte zuständig waren, stand im konkreten Streitfall nicht der Annahme des Gerichts entgegen, dass beide Beschäftigte die gleiche Arbeit ausgeübt haben. Ebenso war es hier ohne Bedeutung, dass die Klägerin über eine Ausbildung als Diplom- Kauffrau verfügte, während der andere staatlich geprüfter Techniker war. Zwar können Anforderungen an die Ausbildung für die Frage relevant sein, ob verschiedene Arbeitnehmer die gleiche Arbeit verrichtet haben. Im vorliegenden Streitfall war für die Tätigkeit im Vertriebsaußendienst jedoch eine bestimmte Berufsausbildung erforderlich.
Der Umstand, dass der Klägerin ein um 1.000,00 Euro geringeres monatliches Grundentgelt gezahlt wurde als dem männlichen Kollegen, hat für das Gericht die Vermutung begründet, dass die Klägerin eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren hat. Das BAG ließ dahingestellt, ob eine weitere von der Klägerin benannte Vergleichsperson ebenfalls eine gleiche beziehungsweise eine gleichwertige Arbeit verrichtet hat. Dies deshalb, weil die Klägerin nur zwei Kollegen des anderen Geschlechts hatte, die ebenfalls im Vertriebsaußendienst tätig waren. Das BAG stellt hierzu fest. Dass jedenfalls in einem solchen Fall es zur Begründung der Diskriminierungsbegründung ohne weiteres ausreicht, dass ein Kollege des anderen Geschlechts das höhere Entgelt erhalten hat.
Besteht die Vermutung eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Der Arbeitgeber muss also Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweise, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Bloße allgemeine Behauptungen des Arbeitgebers genügen zur Widerlegung der Vermutung nicht. Der Arbeitgeber muss vielmehr einen Vortrag leisten, der eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung durch die Gerichte ermöglicht.
Die Vermutung der Entgeltbenachteiligung kann vom Arbeitgeber dadurch widerlegt werden, wenn er beweisen kann, dass das höhere Entgelt wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt erforderlich war, um die offene Stelle mit einer geeigneten Arbeitskraft zu besetzten. Auch kann eine bessere Qualifikation auf Grund einer speziellen Ausbildung oder unter dem Aspekt der Berufserfahrung im Einzelfall geeignet sein, eine geschlechtsbezogene Benachteiligung zu widerlegen.
Ein Arbeitgeber kann sich auch zur Widerlegung der Diskriminierungsvermutung nicht erfolgreich darauf berufen, dass sich die Arbeitsvertragsparteien bei der Einstellung im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigt haben. Dies ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung zu widerlegen. Dabei ist auch unerheblich, dass die Initiative für die höhere Vergütung von dem Bewerber für den anderen Arbeitsplatz ausgegangen ist. Und schließlich kann sich ein Arbeitgeber auch nicht zur Widerlegung der Vermutung mit Erfolg darauf berufen, dass mit dem zum Vergleich herangezogenen Arbeitnehmer deshalb ein höheres Grundentgelt vereinbart worden ist, weil dieser einer besser vergüteten Mitarbeiterin nachgefolgt ist, während die Klägerin einen schlechter vergüteten Mitarbeiter ersetzen sollte.
Das BAG sprach der Klägerin neben der geltend gemachten Entgeltdifferenz auch noch einen Schadensersatzanspruch nach Paragraf 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und zwar in Höhe von 2.000,00 Euro als Entschädigung für den durch die unzulässige Entgeltdiskriminierung erlittenen materiellen Schaden.
BAG vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21