Wenn ein Arbeitgeber kündigt und den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freistellt, so kann er zwar während des Freistellungszeitraums restliche Urlaubstage gewähren, grundsätzlich aber keine weiteren Entgeltansprüche verweigern. Es gibt regelmäßig keine Obliegenheit, bereits während der noch laufenden Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers anderweitigen Verdienst zu erzielen, den man sich dann anrechnen lassen müsste.
Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Damit korrespondierend besteht eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer entsprechend zu beschäftigen, sofern sein Interesse an einer Nichtbeschäftigung nicht das Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung überwiegt. Verletzt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht durch eine einseitige Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist, so gerät er dadurch in Annahmeverzug. Es wäre dann mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, vom Arbeitnehmer die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit schon während des unstreitig noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verlangen und damit dem Arbeitgeber, der sich seiner Beschäftigungspflicht entzieht, auch noch zu einer Befreiung von seiner Vergütungspflicht zu verhelfen.
Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage vor Ablauf der Kündigungsfrist von derjenigen in der Zeit danach, in der für die Obliegenheit des unwirksam gekündigten Arbeitnehmers nach § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch grundsätzlich ohne Belang ist.
BAG vom 12. Februar 2025 – 5 AZR 127/24