17. Oktober 2023
Blitz-Aktion
IG Metall ist drin bei Tesla
Der Elektroautobauer Tesla hält Gewerkschaften draußen. Doch jetzt haben sich über Tausend Beschäftigte der Gigafactory Berlin-Brandenburg in einer Blitz-Aktion zur IG Metall bekannt: Schluss mit Druck, Willkür und Angst. Gemeinsam für sichere und gerechte Arbeit.

Tesla will keine Gewerkschaft. In den US-Werken hat Elon Musk die Gewerkschaften rausgedrückt. Doch in der Tesla-Gigafactory des Elektroautobauers in Grünheide bei Berlin ist die IG Metall jetzt drin: Mehr als Tausend Beschäftigte haben sich bei einer Blitz-Aktion zur IG Metall bekannt. Sie trugen offen Sticker auf ihrer Arbeitskleidung: „Gemeinsam für sichere und gerechte Arbeit bei Tesla“.

Und sie berichteten, was aus ihrer Sicht nicht stimmt bei Tesla, auf Deutsch, Polnisch, Arabisch, Englisch, Türkisch, Kurdisch.

Sichere und gerechte Arbeit? RTL und der „Stern“ hatten bereits in einer Undercover-Doku über eklatante Sicherheitsmängel und Arbeitsunfälle berichtet. Auch während der Blitz-Aktion fahren schon morgens drei Krankenwagen vor. Beschäftigte berichten über Unfälle, Metallstaub, 45-Sekunden-Takte, Schichtarbeit bis Samstag 6 Uhr und dann Montag 6 Uhr wieder ran. Ein Drittel Krankenstand ist hier normal. Dann müssen die übrigen eben mehrere Stationen übernehmen. Das Band läuft aber genauso schnell weiter.
 

In der Tesla-Gigafactory passieren rund dreimal so viele Arbeitsunfälle wie in anderen deutschen Autofabriken. Das zeigen Recherchen von Stern und RTL. Beschäftigte berichten über kurze Takte, Krankenstände über 30 Prozent, Druck auf Kranke und über Hunderte Kündigungen. Dennoch soll die Produktivität sogar verdoppelt werden.

Die Tesla-Gigafactory Berlin-Brandenburg.


Und das alles deutlich unter Tarif. Das Tesla-Management sagt, man zahle so gut wie Tarif. Aber es gibt kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und keine Zulagen für die Spätschicht. Dafür gibt es Aktienpakete. Und T-Shirts, bei jeder neuen Tausendermarke. Derzeit laufen 5000 Autos pro Woche vom Band (fünf T-Shirts). Ziel sind 10 000, in Zukunft sogar fast 20 000.


Druck auf Kranke – Hunderte gefeuert

Aber wie? Bereits im Jahr nach dem Produktionsanlauf (im März 2022) wurden Hunderte gefeuert. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht. Der Betriebsrat winkt die meisten Kündigungen durch. Tesla hatte noch vor Produktionsbeginn selbst die Betriebsratswahl initiiert. In einem sehr ungleichen Wahlkampf schaffte es eine Managerin an die Betriebsratsspitze.

Auch wenn die Arbeit krank macht – bloß nicht krank werden: Tesla verlangt von Beschäftigten, die öfter krank waren, dass sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Sonst gibts keinen Lohn. Und wer zu häufig krank ist, fliegt schneller raus. Bei Leihbeschäftigten ist das ein ganz schlanker Prozess: Wenn ihre Chipkarte nicht mehr am Tor funktioniert, sind sie wohl abgemeldet.

„Endlich seid Ihr hier“, sagen viele Tesla-Beschäftigte vor den Toren, am Bahnhof, im Shuttle während der Blitz-Aktion. Viele sind bereits IG Metall-Mitglied. Natürlich gehen auch etliche vorbei, winken ab. Einer erzählt, dass er schon auf einer Liste „for promotion“ (zur Beförderung) steht.
 

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„Seid Ihr wirklich drinnen?“, fragen einige. Die IG Metall hatte erreicht, dass gleich mehrere IG Metall-Aktivistinnen und -Aktivisten zur Ansprache – von Security begleitet – in die Fabrik können, zu sieben vereinbarten Treffpunkten.


 

Tesla trickst mit Erbsensuppe

Doch die Treffpunkte, Kantinen und „Food Trucks“, sind – bis auf ein paar instruierte Störer – fast menschenleer. Denn heute gibts kostenlose Erbsensuppe für alle, auf Infoveranstaltungen des Managements über die böse IG Metall.
„Mit allen Mitteln versucht die Tesla-Geschäftsführung, der IG Metall den Kontakt zur Belegschaft zu erschweren. Aber die Beschäftigten wissen das zu bewerten“, erklärt Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Sie sind den Druck auf sich selbst und die üble Nachrede gegenüber ihrer Gewerkschaft IG Metall leid. Und mit einem Gratis-Mittagessen lassen sie sich ganz sicher nicht abspeisen.“

 

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Blitz-Aktion der IG Metall am Haupttor der Tesla-Gigafactory.

„Ich hab‘ die Suppe weggeschüttet, die hat eh nicht geschmeckt“, meint ein Beschäftigter am nächsten Tag im Büro des Tesla-Teams der IG Metall im kleinen Bahnhof Fangschleuse, wo viele ein- und aussteigen. Immer mehr kommen jetzt zu den Treffen der IG Metall. Sie haben ihre Angst abgeschüttelt. Der Suppentrick hat ihnen vor allem eins gezeigt: Das Management hat jetzt Angst vor ihnen. Unmittelbar nach der Blitz-Aktion kündigte Tesla Lohnerhöhungen an.

Das nächste Ziel ist die Wahl eines echten Betriebsrats.

„Ihr seid die IG Metall bei Tesla“, erklärt Jannes Bojert, Leiter des Tesla-Teams der IG Metall. „Es geht um Eure Arbeitsbedingungen. Deshalb entscheidet Ihr, welche Themen wir zusammen angehen und was sich bei Tesla ändern soll. Je mehr Eurer Kolleginnen und Kollegen sich jetzt der Bewegung anschließen, umso mehr können wir erreichen.“

 


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