30. August 2019
Jens Knüttel
Gespräch
Sichere Perspektiven und Lust aufs Lernen
Robin Schäfer, angehender Mechatroniker sowie Jugend- und Auszubildendenvertreter bei Continental Automotive, fragt die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, ob das duale Ausbildungssystem für die Digitalisierung gerüstet ist und wie neue Arbeitsplätze entstehen können.

Dem 20-jährigen Robin Schäfer, Mechatronik-Auszubildender im dritten Jahr bei Continental Automotive im hessischen Babenhausen, ist gute Aus- und Weiterbildung für junge wie ältere Beschäftigte enorm wichtig. Die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, pflichtet dem Jugend- und Auszubildendenvertreter bei. Im Gespräch vor der Vorstandsverwaltung in Frankfurt betont sie: „Wir müssen den Beschäftigten Lust aufs Lernen machen.“


Robin Schäfer: In meinem Betrieb wandelt sich einiges: An den Produktionslinien übernehmen Roboter Arbeitsschritte, die zuvor von Beschäftigten ausgeführt wurden. Christiane, hast Du das Gefühl, dass sich Unternehmen genügend Gedanken machen, wo Digitalisierung sinnvoll ist?

Christiane Benner: Leider nicht, in vielen Betrieben gibt es keine Digitalisierungsstrategie. Drei von vier Beschäftigten wissen nicht, wohin sich ihr Unternehmen entwickeln will. Das ist ein alarmierendes Ergebnis der Befragung zum Transformationsatlas. Die IG Metall hat sich damit in knapp 2000 Betrieben mit rund 1,7 Millionen Beschäftigten einen Überblick verschafft. Die Einschätzung der Betriebsräte zeigt, dass die meisten Unternehmen auf den digitalen Wandel nicht gut vorbereitet sind.


Schäfer: Also werden Chancen und Risiken der Transformation oft noch gar nicht richtig erkannt?

Benner: Genau. Die rasanten Entwicklungen werden im Betrieb oft noch gar nicht mal thematisiert. Es ist eine vordringliche Aufgabe der Arbeitgeber, die Beschäftigten bei den kommenden Veränderungen mitzunehmen. Dafür muss klar sein, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll und wie die Arbeit von morgen aussehen kann. Das wird die IG Metall von den Arbeitgebern einfordern ― und von der Politik. Für eine erfolgreiche Transformation brauchen wir gute betriebliche Qualifizierungsprogramme, eine vorausschauende Re­gio­nal- und Strukturpolitik und eine Begleitung durch ein Transformationskurzarbeitergeld, um Härten zu vermeiden.


Benner: Robin, jetzt muss ich Dich mal fragen: Hast Du das Gefühl, dass es bei Euch eine Strategie gibt?

Schäfer: Ich erkenne eine Strategie, wie ausgereift diese ist, vermag ich allerdings nicht einzuschätzen.


Benner: Ihr seid stark vom Thema Elektrifizierung betroffen, richtig?

Schäfer: Ja, in Babenhausen fertigen wir Cockpits für Kraftfahrzeuge. Es werden verstärkt Produkte mit digitaler Anzeige hergestellt. In den kommenden Jahren fallen die klassischen Kombiinstrumente wie etwa Tachometer und Drehzahlmesser nach und nach weg.


Benner: Was ist Deine Aufgabe als angehender Mechatroniker?

Schäfer: Wir werden in der Ausbildungswerkstatt für die Produktion ausgebildet, kommen dann an die Anlagen und kümmern uns um die Instandhaltung der Produktionslinien. Aufgabe ist es dort, Fehler schnell zu beheben.


Schäfer: Wir werden in der Ausbildungswerkstatt schon an einem im Betrieb eingesetzten Robotersystem geschult. In der Berufsschule lassen dagegen moderne Inhalte wie Robotik und IT noch auf sich warten. Ist das System der beruflichen Bildung gerüstet für Digitalisierung und den industriellen Wandel, Christiane?

Benner: Das duale Ausbildungssystem ist grundsätzlich großartig. Die meisten jungen Menschen fühlen sich dadurch gerüstet für den digitalen Wandel, weil sie eine gute Grundlagenausbildung bekommen. Trotzdem gibt es Verbesserungsbedarf: Wir brauchen große Investitionen in die digitale Infrastruktur an Berufsschulen. Ebenso notwendig sind Weiterbildungsangebote für die Lehrkräfte und das Ausbildungspersonal im Betrieb, damit sie auf der Höhe der Zeit sind. Außerdem ist eine bessere Abstimmung zwischen den Lernorten nötig.


Schäfer: Seit August 2018 gibt es für meinen Ausbildungsberuf, den Mechatroniker, eine modernere Ausbildungsordnung. Wie wichtig sind die neuen fachlichen Inhalte?

Benner: Sehr wichtig, denn sie vermitteln Fachwissen zur Digitalisierung. Wir müssen junge Menschen durch Bildung in die Lage versetzen, mit Veränderungen gut umgehen zu können. Deshalb kommen auch neue Ausbildungsinhalte hinzu. Die jungen Menschen brauchen eine gute Ausbildungsqualität genauso wie sichere Perspektiven durch eine unbefristete Übernahme. Und wir kämpfen gegen Ausbildungsplatzabbau; das wäre genau der falsche Weg!


Schäfer: Auch die übrigen Beschäftigten benötigen sichere Perspektiven. Durch den industriellen Wandel werden wohl viele Arbeitsplätze entfallen, aber auch neue entstehen, für die eine höhere Qualifikation vorausgesetzt wird.

Benner: Volle Zustimmung. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Beschäftigten eine Aufstiegsentwicklung angeboten bekommen. Menschen mit geringer Qualifikation haben meist den schlechtesten Zugang zur Weiterbildung. Das gilt es zu ändern. Gleichzeitig müssen wir den Beschäftigten wieder Lust aufs Lernen machen. Bildung und Weiterbildung gehört viel höher auf die Agenda – auch in den Betriebsratsgremien und den Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Da können und müssen wir viel mehr gestalten.


Schäfer: Viele Betriebe führen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durch, um ihr Personal fit für die Zukunft zu machen. Hierfür werden jedoch oft nur die jüngeren Beschäftigten berücksichtigt, ältere dagegen nicht.

Benner: Die Arbeitgeber dürfen ältere Kolleginnen und Kollegen nicht abschreiben. Sie bringen viel Erfahrungswissen und eine andere Gelassenheit mit. Es ist die Verantwortung der Unternehmen, zu schauen, wie man ältere Kolleginnen und Kollegen an Bord hält und qualifiziert. Die IG Metall macht sich für gleiche Zugänge zur Bildung stark – gerade auch, weil wir wissen, dass sich Arbeitsplätze in der Produktion verändern werden, qualitativ und quantitativ. Unser Ziel bleibt auch im digitalen Wandel: Gute und sichere Arbeit für alle Beschäftigten.


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