1. Oktober 2020
Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
Stimmungsbild aus den Betrieben
Am 3. September berichteten die Mitglieder der drei Tarifkommissionen der Metall- und Elektroindustrie Niedersachsen, Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim und Sachsen-Anhalt über die Situation in den Betrieben.

Wie geht es in den Betrieben zu? „Bei uns brechen wegen der Pandemie die ausländischen Märkte weg“, berichtete Frank Baake von Multicolor in Hann. Münden. „Unser Altersdurchschnitt ist hoch. Wir brauchen gute Regelungen zum vorzeitigen Ausscheiden. Am besten wäre ein Topf, um situativ entscheiden zu können.“

30 Kilometer weiter in Göttingen plädierte Michael Dohrmann von Sartorius Stedim Biotec für intelligente Arbeitszeitmodelle. „Bei uns brummt es. Wir haben eine Betriebsvereinbarung zu Corona mit einer Ausweitung des T-Zugs und zu Homeoffice und Kinderbetreuung gemacht. Eine Option für künftige tarifliche Regelungen wäre eine Kombi von 4-Tage-Woche und flexiblen Schichtmodellen.“

Doch Sartorius ist einer der wenigen Betriebe, denen es gut geht. Kein Wunder, denn 80 Prozent der Firmen, die an einem Corona-Impfstoff forschen, sind Sartorius-Kunden.

„Viele Betriebe haben enorme Probleme durch Corona“, informierte Bezirksleiter Thorsten Gröger. „Die Hälfte will Beschäftigung abbauen. Und 80 Prozent haben noch keine Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung über den 31. Dezember 2020 hinaus ergriffen.“ Notwendig wäre, so Gröger, zu der Brücke Kurzarbeit eine Brücke für die Transformation zu schlagen, denn die Mehrzahl habe immer noch keinen Plan für die digitale und ökologische Transformation.

Eine Stärkung der unteren Einkommensgruppen hielt Stefan Störmer von Robert Bosch in Hildesheim in der nächsten Tarifrunde für notwendig und meinte: “Die 4-Tage-Woche mit einer finanziellen Abfederung hat Charme für Schichtmodelle.“ Matthias Schrader von Hubert Stüken in Rinteln: „Bisher waren wir sehr stark auf Geld ausgerichtet. Durch die Kurzarbeit haben einige die Erfahrung gemacht: Zeit ist auch ganz cool.“

Auszubildende und dual Studierende bräuchten mehr Sicherheit, forderte Okan Firat von ZF Wabco in Hannover: „Ein Flächentarifvertrag für dual Studierende könnte ein Meilenstein werden.“ Carola Ehlermann von Bosch Rexroth in Langenhagen berichtet von Umsatzeinbußen und Personalabbau: „Bei uns sind bis Ende 2022 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.“ Jürgen Bittner von Faurecia in Stadthagen merkte an: „Nach dem Lockdown sind viele an mehr Tagen für mobiles Arbeiten interessiert.“

Steffen Gebauer vom Pumpenhersteller KSB in Halle hielt eine Zukunftssicherung unter Mitgestaltung des Betriebsrats für wichtig: „Bei uns wird auch über individuelle Wochenarbeitszeit und in dem Zuge über die 35-Stunden-Woche diskutiert.“

Thomas Geelhaar von ThyssenKrupp in Ilsenburg sah in der Beschäftigungssicherung das Hauptthema: „Wir konnten alle 800 Beschäftigten vorerst durch Kurzarbeit halten.“ Ganz wichtig war für ihn aber auch die Vorsorge fürs Alter: „Wir müssen etwas zum Ansparen haben.“ Andreas Waclaw von ThyssenKrupp Presta in Schönebeck machte sich stark für den T-Zug für alle, vor allem aber für eine kräftige Entgeltforderung: „Die Tabelle muss erhöht werden.“

Stefan Brandt von ZF in Dielingen erläuterte, wie der massive Beschäftigungsabbau bei ZF durch einen Tarifvertrag Transformation aufgefangen werden soll: „Das gilt bis 2022. Bis dahin wollen wir ein Zukunftsbild zur Standortsicherung entwickeln. Wir brauchen Regelungen zur Qualifizierung und zum mobilem Arbeiten.“

Claas-E-Systems in Dissen hat das Geschäftsjahr im September mit einem vergleichbaren Ergebnis wie 2019 abgeschlossen. An dem Engineering-Standort wird agil gearbeitet und der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten ist groß. Dirk Mallon: „Für uns wäre ein Nachhaltigkeitsbonus interessant, um die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft attraktiver zu machen.“ Bei Elster in Osnabrück hingegen bangen die Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz. Seit April steigt die Kurzarbeit im gesamten Betrieb. Andreas Hille: „Wir brauchen weitere Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung.“

“Eine ordentliche Aufzahlung des Kurzarbeitergeldes sollte tariflich geregelt werden, im Flächentarifvertrag als Sicherungsinstrument in Krisen,“ fasste Jens Schäfer von ZF Wabco in Hannover zusammen.

Die Gemengelagen und Interessen sind also vielfältig. Jetzt darf diskutiert werden. Bis zum 17. November gilt es, die Bedürfnisse zu einer Einheit für eine Tarifforderung zu schmieden. Dann werden die Tarifkommissionen entscheiden.

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Fotos: Sybille Brandt, IG Metall; Jelca Kollatsch, lichtsammler, Matthias Leitzke, Heiko Stumpe, Annette Vogelsang
Das Tarifteam der Bezirksleitung am 3. September: Norbert Kuck, Thorsten Gröger, Carsten Maaß und Thilo Reusch (v.l.)
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Jens Schäfer
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Stefan Störmer
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Frank Baake
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Andreas Waclaw
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Steffen Gebauer
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Thomas Geelhaar
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Stefan Brandt
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Andreas Hille
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Dirk Mallon

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