1. Mai 2021
Jacqueline Sternheimer
MINT-Berufe
Angefangen hat alles in Papas Werkstatt
Industriemechaniker und KI-Forscher? Werden überwiegend Männer. Wie lässt sich das ändern? Ein Blick in Lisas Welt zeigt: Das Fundament wird bereits in der Kindheit gelegt.

Als Kind stand Lisa Finke oft mit ihrem Vater in der Werkstatt, hat kaputte Teile repariert oder Tiere aus Holz gebastelt. Mit fünf ­Jahren ist sie mit ihren Eltern aufs Land in die Nähe von Osnabrück gezogen. „Da packt man sowieso mehr mit an“, weiß Lisa. 

Auch einen Trecker und Pferde hatten sie dort. Heute hat die 28-Jährige einen Garten und ihre eigene Werkstatt. Dort baut sie mit ihrem Freund einen VW-Bus aus – und wieder greift Lisa zu Holz und Nägeln. Mit dem Bus soll es im Sommer in den Süden gehen, nach Portugal oder vielleicht Kroatien, falls Corona das dann erlaubt.


Einzige Frau in der Halle

Lisa greift nicht nur gern zu Holz und Nägeln. Sie kann noch viel mehr: schweißen, sägen und fräsen. Ihre Faszination für die Technik, mit der sie auf dem Land aufgewachsen ist, hat Lisa zum Beruf gemacht. Bei der Maschinenfabrik Krone im niedersächsischen Spelle hat sie Industriemechanikerin gelernt und selbst Landmaschinen hergestellt. Ob sie sich sicher sei, dass sie die Ausbildung wirklich machen wolle, schließlich seien da fast nur Jungs, hat Lisas Mutter sie damals gefragt. Ja, sie war sich sicher.

„Nach dem Abi habe ich ein MINT-Technikum gemacht, ein Programm, das dafür da ist, Frauen diese Berufe näherzubringen“, sagt sie. MINT, das steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Nur 15 Prozent der Beschäftigten in den MINT-Berufen sind Frauen (siehe metallzeitung, März 2021), deshalb gibt es zahlreiche Förderprogramme, ähnlich wie das, an dem Lisa teilgenommen hat.

Nach dem begleiteten Praktikum bei Krone hat das Unternehmen Lisa einen Ausbildungsplatz angeboten. „Da wusste ich schon, ich will etwas Praktisches machen und nicht im Büro sitzen“, sagt sie heute. Manchmal habe sie sich in der Halle auch mal anpassen müssen und mit den Jungs herumgeblödelt, weil Jungs das halt gern machen. „Aber ich kam immer gut zurecht. Alle waren sehr offen zu mir.“ Anschluss hat sie auch in der IG Metall als Jugend- und Ausbildungsvertreterin gefunden. „Das hat mir Selbstvertrauen gegeben“, sagt Lisa.

Manchmal ist ihr sogar übereifrige Höflichkeit in ihrer Ausbildung begegnet. „Wenn ich zum Beispiel mit schweren Bauteilen zu tun hatte, die von einem Kran angehoben werden mussten, kam immer gleich jemand und hat mich gefragt, ob er mir helfen soll.“ Bei den männlichen Auszubildenden hat das keiner gemacht. „Über die Unterstützung habe ich mich gefreut, auf der anderen Seite wollte ich aber, dass mir das als Frau auch zugetraut wird.“


Forschungsprojekt zu künstlicher Intelligenz

Es ist nicht nur bei der Ausbildung geblieben. Lisa wurde von Krone übernommen und hat dann –  wieder zur Überraschung einiger – mithilfe eines ­Stipendiums der Hans-Böckler-Stiftung ein Studium begonnen. Vor Kurzem hat sie ihren Master in Wirtschaftsingenieurwesen abgeschlossen. „Das, was ich in der Ausbildung gelernt habe, hat mir enorm viel im Studium gebracht. Wenn wir dort zum Beispiel über Werkzeugmaschinen geredet haben, konnten sich viele gar nicht vorstellen, was das überhaupt ist – ich habe sowas schon selbst bedient.“

Was steht als Nächstes an bei Lisa? „Ich habe meine Masterarbeit über digitale Transformation von Prozessen geschrieben. Da ist mir noch einmal klar geworden, wie wichtig das Thema Digitalisierung ist“, sagt sie. „Ich glaube, dass gerade im Mittelstand das Thema künstliche Intelligenz (KI) immer wichtiger wird.“ Deshalb fängt sie jetzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Industrie 4.0 der Hochschule Osnabrück an. Vom Band zur KI-Forschung – Lisa zeigt, auch das ist möglich.


| Das könnte Dich auch interessieren

Kontakt zur IG Metall

Link zum Artikel