1. Juni 2021
Qualifizierung
Dennis Esto
Dennis Esto, Zerspanungsmechaniker bei Mapal WWS, wird zum Fachinformatiker umgeschult.

Dennis Esto ist hoch motiviert. Wer mit ihm spricht, merkt das sofort. Der Metaller hat sich entschlossen, seiner Leidenschaft zu folgen. „Das macht glücklich“, sagt er. Den Grund für seine Freude werden nicht alle teilen: Dennis hat sich entschieden, noch einmal die Schulbank zu drücken.

Statt jeden Tag in den Betrieb zu fahren, sitzt er nun coronabedingt zu Hause am Computer, absolviert Unterrichtseinheiten per Videokonferenz und arbeitet sich durch Lehrbücher. Er hat eine Umschulung zum Fachinformatiker begonnen. In zwei Jahren will er seinen Abschluss machen.

Bis vor wenigen Monaten sah sein Alltag völlig anders aus. Dennis hat jahrelang als Maschinenbediener bei Mapal WWS in Pforzheim gearbeitet, einem Hersteller von Spezialwerkzeug für die Autoindustrie. Dort hat er Bohr- und Fräswerkzeuge produziert.

Die Tätigkeit war zwar durchaus anspruchsvoll und dank Metalltarif auch ordentlich bezahlt. Aber mit seinem erlernten Beruf – Zerspanungsmechaniker mit Fachrichtung Drehautomatik – hatte sie nicht viel zu tun. Gerade die IT-Aspekte fehlten ihm, das Programmieren großer CNC-Fräsen zum Beispiel.


Die Gelegenheit zur Neuorientierung kam Ende 2020

Betriebsrat und IG Metall erstritten bei Mapal WWS eine Vereinbarung zur Zukunftssicherung. Darin enthalten: Regelungen zur Qualifizierung. An- und ungelernte Mapal-Beschäftigte können sich umschulen lassen und einen Berufsabschluss in einem sogenannten Engpassberuf machen.  Für diese Zeit werden sie vom Unternehmen freigestellt, erhalten aber weiter ihren Grundlohn. Die Arbeitsagentur erstattet dem Arbeitgeber den Lohn zurück.

„Sich bei vollem Gehalt weiterentwickeln? So eine Chance kriegt man vielleicht nie wieder“, sagt Dennis Esto. Er hat im Kollegenkreis für das Programm geworben. Viele hätten ihm gesagt: „Ich finde es super, dass Du das machst, aber ich könnte das nicht. Ich bin zu alt und außerdem brauche ich das Geld aus den Schichtzuschlägen.“

Dennis kann diese Einwände gut nachvollziehen. Er ist zwar erst 31, hat aber eine Familie zu ernähren. Auch ihm fehlen die Schichtzuschläge. Doch er sagt: „Langfristig lohnt es sich, besser qualifiziert zu sein.“ Gerade in einem der Engpassberufe. Als Informatiker werden ihm viele Türen offenstehen. Und wer weiß, welche Fähigkeiten in zwei Jahren bei seinem Arbeitgeber Mapal WWS gefragt sein werden.


Die Transformation rollt

Auch wenn die Coronapandemie vieles überdeckt: Die Transformation der Industrie läuft unvermindert weiter. Automobilhersteller und Zulieferer setzen auf E-Autos, und die werden immer mehr zu Computern auf vier Rädern. Die Produktion wird noch digitaler und stärker automatisiert. Auch angrenzende Bereiche wie die Industrielogistik unterliegen einem rasanten Wandel. Wo einst Beschäftigte Maschinen per Hand reinigten, kommen heute vermehrt Reinigungsroboter zum Einsatz. Und die brauchen jemanden, der sie steuert.

Der Wandel zu immer anspruchsvolleren Tätigkeiten ist Verheißung und Bedrohung zugleich. Einerseits bedeuten die neuen Jobs oft weniger körperliche Belastung, mehr Abwechslung und Handlungsfreiheit. Andererseits schwindet die Zukunftsperspektive für Kolleginnen und Kollegen, die ihre bisherige Arbeit gern und gut gemacht haben – und sie eigentlich auch gern weitermachen würden.

Fest steht: Niemand kann den Wandel aufhalten. Megatrends wie Digitalisierung und Automatisierung prägen die gesamte Weltwirtschaft. Die exportabhängige deutsche Industrie kann sich dem nicht entziehen.


Was aber geht: den Wandel gestalten

Die IG Metall setzt dabei auf Angebote und Beteiligung. Wenn ein Unternehmen neue Technologie einsetzt, muss die bestehende Belegschaft dabei mitmachen können.

Vielen Betrieben ist das erst mal zu teuer. Andere sehen keine Notwendigkeit – trotz der ständigen Klage über Fachkräftemangel.

Selbst Großunternehmen behandeln das Thema Weiterbildung oft nachlässig. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Jedes zweite Großunternehmen hat keinen eigenständigen Personalvorstand, der sich um Qualifizierung und Personalentwicklung kümmern könnte. Dabei sind die Rahmenbedingungen so gut wie selten zuvor.


Offene Türen

Die IG Metall hat in den vergangenen Jahren bei der Bundesregierung Druck gemacht. Das Ergebnis sind zahlreiche neue Regelungen, mit denen der Staat Weiterbildung unterstützt.

Die Gesetze tragen so sperrige Namen wie „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ oder „Qualifizierungschancengesetz“.

Hinter diesen Worthüllen verbergen sich aber konkrete Möglichkeiten für viele Tausend Beschäftigte. Wer zum Beispiel einen Berufsabschluss nachholt, für den zahlt die Arbeitsagentur bis zu 100 Prozent der Weiterbildungskosten und ersetzt zusätzlich bis zu 100 Prozent des Entgelts, so wie bei Mapal WWS in Pforzheim.


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