1. Juni 2020
Metallzeitung
Gewerkschaftsarbeit in Corona-Zeiten
Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wiesbaden-Limburg, Axel Gerntke, im Gespräch

Wie läuft der Kontakt zu Mitgliedern und Betriebsräten zurzeit?

Zu den Betriebsräten halten wir in erster Linie telefonisch und über Videokonferenzen Kontakt. In Zeiten von Kurzarbeit und Kontaktbeschränkungen ist der Austausch mit unseren Mitgliedern nicht immer ganz leicht. Das gilt für uns Gewerkschaftssekretäre, aber auch zum Teil für die Betriebsräte. Wir versuchen, alle Wege zu nutzen: E-Mails, Facebook, Homepage und natürlich auch Aushänge in den Betrieben.

Stichwort Kurzarbeit: Wie groß ist die Betroffenheit?

Uns geht es nicht anders als den meisten Bereichen in der Metall- und Elektroindustrie. Die Betroffenheit ist riesig. Die Betriebe ohne Kurzarbeit können wir an einer Hand abzählen. Viele unserer Mitglieder fahren sogar „Kurzarbeit Null“.

Werden Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld bezahlt?

Das ist sehr unterschiedlich. Der Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie sieht dies ja vor, aber nicht alle Betriebe sind tarifgebunden. Auch haben die Betriebsräte durch ihr Mitbestimmungsrecht eine relativ starke Stellung, hier etwas durchzusetzen, was in einigen Betrieben auch gelungen ist. Aber manche Unternehmen sind ökonomisch so schlecht aufgestellt, dass es schwierig ist, das eigentlich Notwendige durchzusetzen. Insoweit ist es gut, dass wir durch unsere Initiativen gegenüber der Bundesregierung wenigstens durchgesetzt haben, dass das Kurzarbeitergeld nach drei Monaten Kurzarbeit um 10 Prozentpunkte und nach sechs Monaten um weitere 10 Prozentpunkte angehoben wird. Wobei man sagen muss, dass diese Anhebung zu spät und zu gering ausgefallen ist.

Gibt es neben dem Punkt Kurzarbeit weitere akute Probleme in den Betrieben?

Zurzeit sind der Arbeits- und Gesundheitsschutz, insbesondere der Coronaschutz und Homeoffice, ein Thema. Hierzu haben wir auch einzelne Betriebsvereinbarungen, manches ist aber auch zu schnell gelaufen. Da werden wir noch nacharbeiten müssen.

Gibt es weitere Aktivitäten der IG Metall?

Die betriebliche Tätigkeit ist das eine. Aber zum anderen befinden wir uns in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation, in der die Bundesregierung hohe dreistellige Milliardenbeträge in die Hand genommen hat.

Das war doch richtig und notwendig?

In der Tat. Damit hat die Bundesregierung mit ihrem eigenen Politikmodell der „Schwarzen Null“ gebrochen und damit selbst eingestanden, dass ihr ansonsten propagiertes Modell des freien Marktes nicht geeignet ist, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Weniger gut ist, dass Regierungsvertreter schon jetzt ankündigen, dass nach der Krise die aufgewendeten Kosten zurückgezahlt werden müssen. Das heißt, dass wir die Kosten der Krise tragen sollen. Dagegen müssen wir schon jetzt mobilmachen.

Was heißt das?

Wir brauchen gesellschaftliche Mehrheiten, die sich für einen sozial-ökologischen Umbau von Betrieb und Gesellschaft einsetzen. Wir können nach der Krise nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen. Dazu müssen wir konkrete Forderungen für eine Umverteilung von oben nach unten an die Politik richten.

Welche wären das konkret?

Das müssen wir in der IG Metall ebenso wie in allen anderen Gewerkschaften und auch anderen Initiativen, denen der Sozialstaat am Herzen liegt, diskutieren. Aber einiges liegt schon jetzt auf der Hand. Wenn man angeblich kein Geld hat, sollte man nicht den Rüstungshaushalt erhöhen. Sinnvoll ist eine Vermögensabgabe für Reiche und Superreiche. So etwas hatten wir 1952 schon mal, damals hieß das Lastenausgleich. Wir brauchen zudem deutliche Verbesserungen beim Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld sowie bei Regelsätzen und Mindestlöhnen. Nicht zuletzt muss das Gesundheitssystem neu strukturiert werden. Es darf nicht weiter nach dem Profitprinzip geordnet werden.
Solche Forderungen müssen wir kampagnenartig durchsetzen. In welcher Form, zum Beispiel über eine Unterschriftenliste oder eine Petition, müssen wir gemeinsam diskutieren.

alt

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