1. Januar 2021
Portrait
Von der Leiharbeiterin zur Betriebsrätin
Wichtigmachen wollte sich Rebekka Kutzi nie. Aber jemand musste den Job halt machen. Sie fing als Leiharbeiterin bei Ceva Logistics an. Bald handelte sie Tarifverträge aus, wurde Betriebsratsvorsitzende – und bekam dadurch viel Stress mit dem Arbeitgeber.

An ihrer Harley schraubt Rebekka Kutzi am liebsten selbst herum. Die 60 Kilometer zu ihrer Arbeit beim Logistikdienstleister Ceva im niederbayrischen Niederaichbach fährt sie bei gutem Wetter mit dem Motorrad. Am Wochenende touren Rebekka und ihr Lebenspartner auf ihren Harleys auch mal nach Österreich oder Italien.

In den vergangenen Monaten saß die Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ceva Logistics allerdings vor allem im Auto. Mindestens einmal die Woche ging es zum Arbeitsgericht nach Landshut – oder ins 400 Kilometer entfernte Frankfurt am Main. Dort ist der Gerichtsstand der Firmenzentrale.

„Ich habe drei Aktenordner voller Gerichtsunterlagen allein aus dem Jahr 2020“, berichtet Rebekka. Zu ihrem Job als Teamleiterin im Wareneingang kommt sie im Moment nicht mehr. Das Management macht pausenlos Stress und missachtet die Rechte der Beschäftigten und der Betriebsräte. „Erst kürzten sie wegen Corona Schichten und Zuschläge, ohne uns zu fragen. Und als es ab Mai wieder lief, holten sie massenhaft Leiharbeiter, obwohl unser Haustarifvertrag das verbietet“, kritisiert Rebekka.

Sie hat ständig Ärger. Einmal hat die Geschäftsleitung sie zwei Wochen lang ausgesperrt – ohne Lohn. Rebekka hat mithilfe der IG Metall geklagt und gewonnen. Die Betriebsräte bei Ceva haben bisher fast immer gewonnen. Doch das Management nervt weiter, egal was es kostet – obwohl angeblich kein Geld da ist. Das sagen sie zumindest Rebekka und den anderen. In Wahrheit macht Ceva fette Gewinne und wird von US-Börsenmedien gefeiert. „It’s party time at Ceva Logistics.“


Für gute Arbeit auch bei Dienstleistern

Ceva arbeitet als Dienstleister für Kunden wie VW und Airbus, an Rebekkas Standort in Niederaichbach für den Filterhersteller Mann+Hummel. Alle paar Jahre schreiben die Kunden die Werkverträge neu aus, in der Regel an den billigsten Dienstleister, zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen. Das fand die heute 35-jährige „Becky“ nicht okay. Bald war sie dabei, die Beschäftigten für die IG Metall zu gewinnen und einen Tarifvertrag bei Ceva durchzusetzen.

„Ich habe in einer Spedition gelernt, da gab es miese Löhne und Arbeit am Wochenende. Mir wurde klar, dass Du eine Gewerkschaft und einen Betriebsrat brauchst“, erklärt die Speditionskauffrau. Sie kündigte und in ihrem nächsten Betrieb, einem Logistiker, initiierte sie die Wahl eines Betriebsrats. Doch sie hatte nur einen befristeten Vertrag – und war schnell wieder raus.

Bei Ceva fing sie 2011 als Leiharbeiterin an. Dort hat sie dann lieber gewartet, bis sie einen festen Vertrag hatte. „Becky“ wurde in den Betriebsrat und in die Tarifkommission gewählt und handelte den Haustarifvertrag mit aus. 2018 wurde sie Vorsitzende des Betriebsrats – und Mitte 2020 dann auch Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats für alle deutschen Ceva-Standorte.

Doch mit Ceva ist ab dem 1. Januar für Rebekka erst mal Schluss. Mann+Hummel hat den Kontrakt neu ausgeschrieben – und ein anderer Dienstleister, Neovia Logistics, hat gewonnen. Aber: Die Beschäftigten und ihr Haustarif bleiben. Das hat der Betriebsrat gemeinsam mit der IG Metall erreicht. Rebekka steht seit Monaten mit dem Management und den Betriebsräten bei Neovia Logistics in Kontakt. 

Doch bis zuletzt blockierte ihr alter Arbeitgeber Ceva. „Die wollten die Überstunden auszahlen. Dabei will die Mehrheit lieber die Zeit“, kritisiert Rebekka. „Davor hieß es immer, sie könnten nichts auszahlen, wegen Corona. Wie mans grad braucht.“

Das waren zwei, drei harte Jahre für Rebekka. Betriebsratsratsvorsitzende wollte sie eigentlich nie werden. „Ich habe gleich gesagt: Ich mach sicher nicht den Vorsitz. Aber es wollte keiner machen. Und dann habe ich gesagt: Na gut, dann mach ichs halt. Dann weiß ich wenigstens, dass es gemacht wird.“


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