metall 1/2 2023 Branchen & Betriebe 29 S ie haben Franz-Josef Röttgen noch mal aus der Rente zurück- geholt, weil sie nicht genug Leute haben: Fachkräftemangel. Der Heizungsobermonteur hat daher auf Minijobbasis noch mal ein paar Aufträge übernommen: in einem Krankenhaus und in einem Seniorenwohnheim. Das Neonlicht dort ist schummrig und stän- dig dröhnen Pumpen und Kessel. »Das ist doch nichts gegen eine Baustelle, wo ständig eine Flex oder ein Pressluftham- mer läuft«, meint Franz-Josef. »Hier im Keller ist es trocken und warm, Du hast eine Toilette und kannst Dich waschen.« »Für die Gewerkschaft?«, fragt ein Haustechniker, der hereinschaut und auf die Kameras und den Scheinwerfer zeigt. »Jawoll«, antwortet der langjährige Betriebsratsvorsitzende von Fuchs-Haus- technik in Troisdorf bei Bonn – und hält seinen IG Metall-Zollstock hoch. Seit 1981 ist Franz-Josef Röttgen für die IG Metall im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk (SHK) aktiv – in der Tarifkommission, in Verhandlungen mit den Arbeitgebern, als Arbeitnehmerver- treter in der Handwerkskammer. Außer- dem berät er die, die ihm im Betriebsrat nachfolgen, und spricht Menschen an, die ihm in der Tarifkommission nachfol- gen könnten. Leider ist das nicht so ein- fach in Handwerksbetrieben, wo der Chef sich nicht reinreden lässt und droht und die meist weniger als zehn Beschäf- tigten ständig auf Montage sind. Franz-Josef hat sich nie einschüch- tern lassen. »Was soll denn passieren? Ohne uns läuft in der Firma doch nichts. Wenn wir zusammenhalten, können sie uns ja nicht alle entlassen.« Entlassungen wegen Mitgliedschaft in der Gewerkschaft? Im Gegenteil: 2005 bis 2007 retteten sie gemeinsam mit der IG Metall Bonn-Rhein-Sieg den Betrieb und 23 Arbeitsplätze. Heute sind wieder 70 Beschäftigte da. Selbst als Rentner hat Franz-Josefs Wort immer noch Gewicht in der Firma. »Das haben wir nur mit der Gewerk- schaft hingekriegt, weil viele Mitarbeiter bei uns im Betrieb IG Metall-Mitglieder sind und hinter dem Betriebsrat stehen«, erklärt er. »Das sage ich auch immer Leu- ten in Betrieben ohne Betriebsrat: ›Ihr kommt vielleicht jetzt klar, aber wenn doch mal was ist, etwa Entlassungen, t r e l g n E l e a h c i M : s o t o F Franz-Josef Röttgen im Heizungskeller eines Seniorenwohnheims. 50 Jahre lang war er als Heizungsmonteur unterwegs. Jetzt musste er noch mal als Rentner ran. Es fehlen Fachkräfte, weil die Arbeitgeber seit Jahren zu wenig ausbilden. dann seid Ihr aufgeschmissen.‹« Zwar zahlen wegen des Fachkräftemangels viele Betriebe mittlerweile von sich aus Tariflöhne. Doch es gibt auch viele schwarze Schafe, die keine Überstunden zahlen, kein Fahrgeld, keine Auslöse, Schmutzzulage oder Freistellungstage. »Allein machst Du da gar nichts«, erklärt er. »Selbst wenn Du klagst und gewinnst, bekommst Du nur noch schlechte Baustellen. Da hast Du mit Be- triebsrat und IG Metall bessere Karten.« Ihren Tarif jedoch mussten sie immer wieder verteidigen. Ende der 2000er-Jahre etwa wollten die Arbeitgeber weg von der IG Metall und mit der sogenannten Christ- lichen Gewerkschaft verhandeln. »Zum Streiken hatten wir im SHK-Handwerk zu wenig Mitglieder«, sagt Franz-Josef. »Aber wir haben Randale in den Betrieben ge- macht, Betriebsversammlungen einberu- fen, unsere Firmen zu Haustarifverhand- lungen aufgefordert, bis sie die Innung wieder auf die Spur gebracht haben.« Vom Gussheizkörper zum Solardach 50 Jahre lang war Franz-Josef auf Mon- tage, bei Regen, Kälte und Lärm. Trotz- dem sagt er: »Ich würde es heute wieder so machen.« Schon sein Vater war Hand- werker. Sein Beruf ist mit den Jahren im- mer interessanter und anspruchsvoller geworden, findet er. Als er 1972 seine Aus- bildung bei Fuchs begann, hat er noch schwere Gussheizkörper geschleppt. Dann kamen Heizplatten, Niedertempe- raturkessel, Fußbodenheizungen, Solar- dächer und Wärmepumpen. In die IG Me- tall trat Franz-Josef erst 1981 ein – war aber schnell »mit Herz dabei«. »Von selber wäre ich nie auf die Idee gekom- men«, erzählt er. »Doch unser Betriebs- ratsvorsitzender nahm mich einfach mit zu den Treffen bei der IG Metall, mit Handwerkern aus anderen Betrieben, die alle ähnliche Probleme hatten.« Damals dabei: der Kfz-Mechaniker Ralf Kutzner, später Geschäftsführer der IG Metall Bonn-Rhein-Sieg und heute geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Er sagt: »Franz-Jupp ist ein super Kollege, der immer zuverlässig war und viele Mitglieder für die IG Metall ge- wonnen hat, besonders bei den Azubis.« Die Auszubildenden liegen Franz- Josef am Herzen. Bei der letzten Tarifver- handlung im Sommer rechnete er den Arbeitgebern vor, was Azubis zwar kos- ten, aber der Firma auch bringen. Deshalb organisierte er einen Stand auf der SHK- Fachmesse, wo sie viele Azubis anspra- chen und für die IG Metall gewannen. Franz-Josef rechnete den Arbeitge- bern aber auch vor, wie wenig Rente ein SHK-Monteur nach 45, 50 Jahren Arbeit bekommt: rund 1400 Euro. Das reicht nicht, ohne zusätzliche Betriebsrente. Die hat Franz-Josef. In der Rente zu arbeiten, hätte er nicht nötig. Er macht es aus Spaß am Beruf und für die Firma. Aber dass er jetzt aufgrund des Fachkräf- temangels noch mal ran muss, wundert ihn gar nicht. »Wir haben den Arbeitge- bern schon vor 30 Jahren gesagt: Wenn Ihr nicht mehr ausbildet, dann fällt Euch das irgendwann auf die Füße.«