12. April 2023
Automobilzulieferer
Transformation in der Region mit Zukunftstarif und Politik angehen
Wie können wir Zukunft und gute Arbeit sichern - in einer ländlichen Region mit Autozulieferern? So macht es die IG Metall Bad Kreuznach: Zukunftstarifverträge durchsetzen, mitbestimmen bei der Strategie - und Transformationsnetzwerke mit Politik und Wissenschaft knüpfen.

Transformation, Digitalisierung, Fachkräftemangel, der demografische Wandel, Energiekosten. Unternehmen und Beschäftigte vor großen Herausforderungen – gerade in ländlichen Regionen, mit vielen Autozulieferern, die vom Verbrenner abhängig sind. Welche Maßnahmen ergreifen Unternehmen, Verbände, Betriebsräte und IG Metall, um Standorte und gute Arbeitsplätze in der Region zu sichern? Welche Unterstützung braucht es durch die Politik, um die Transformation in der Region zukunftssicher zu gestalten?

Die IG Metall Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz geht diese Herausforderungen strategisch an – und bringt dazu Unternehmen, Betriebsräte, Politik und Wissenschaft zusammen.
 

Zukunftstarifverträge durchsetzen und Zukunft mitgestalten

Die IG Metall Bad Kreuznach hat bei zwei Automobilzulieferern mit Warnstreiks Zukunfts- und Sozialtarifverträge durchgesetzt – und damit zum einen Standorte und Arbeitsplätze gesichert, zum anderen die Mitbestimmung erweitert. In paritätischen Steuerungs- und Lenkungskreisen erhalten Betriebsräte und IG Metall alle Informationen zu Planung und Investitionen, bringen selbst Vorschläge ein und gestalten mit. Ziel ist es, die Beschäftigten im Transformationsprozess von Anfang an mitzunehmen.

1.       Continental Rheinböllen: Die Produktion von Bremsen wird schrittweise verlagert, Conti garantiert eine Mindestproduktion und eine Mindestpersonalbemessung. Als Zukunftsprodukte entwickelt und produziert Conti in Rheinböllen neue elektronische Bremsen und autonome mobile Roboter für die Logistik.

2.       Musashi Bad Sobernheim, Bockenau, Grolsheim: Gemeinsamer bundesweiter Zukunfts- und Sozialtarif aller Musashi-Standorte (Hannoversch Münden, Lüchow, Leinefelde). Die Produktion von Nocken und Ringe für Verbrenner läuft absehbar aus. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erarbeiten gemeinsam Effizienzsteigerungen und Zielbilder für die Zukunft.

Zudem bauen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinsam Kooperationen mit Politik und Wissenschaft auf, um Zukunftsfelder und Fördergelder zu erschließen. Dazu haben sie auch Berater der Technologieberatungsstelle (TBS) mit an Bord.
 

Politik muss mit an Bord

„Die Transformation ist nicht allein durch Betriebs- und Tarifpolitik zu lösen, vor allem nicht in ländlichen Regionen“, betont Ingo Petzold, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bad Kreuznach.

Damit die Transformation gelingt, müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen: Infrastruktur wie schnelles Internet und gute Verkehrsanbindung auch auf dem Land. Genügend Fachkräfte. Bezahlbare Energiekosten. Fördergelder.

Dazu hat die IG Metall Bad Kreuznach als Startschuss Politik, Wirtschaftsverbände und den Ersten Vorsitzenden der IG Metall, Jörg Hofmann, zu einer Podiumsdiskussion eingeladen.

Hofmann forderte einen schnelleren Ausbau der Infrastruktur von der Politik: schnelles Internet. Schnellere Genehmigungen von Windrädern. Mehr öffentliche Verkehrsmittel, auch auf dem Land. Und deutlich mehr Ladepunkte für Elektroautos: Ganze 27.000 sind 2022 installiert worden. Bis 2030 müssen es eine Million sein. „Das Tempo muss fünfmal so schnell werden, um die Ziele bis 2030 zu erreichen. Deutschland muss Leitmarkt für neue Mobilität werden.“

Zudem sieht Hofmann die Politik auch bei der Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung gefordert: „Auch für die Transformation der Beschäftigten muss Geld da sein.“

Niedrigere Energiekosten forderte Karsten Tecke, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz. Zudem müsse die Politik die Ansiedlung von Clustern fördern.
 

Land unterstützt mit Transformationsagentur und Transformationsbegleitern

Ja, die Politik muss die Infrastruktur ausbauen und die Energiekosten wieder auf Augenhöhe bringen. Allerdings könne die Politik die Transformation nicht stellvertretend alleine stemmen, betonte Alexander Schweitzer, Transformationsminister von Rheinland-Pfalz. „Viele Betriebe haben jahrelang nichts gemacht.“

Rheinland-Pfalz unterstützt die Transformation mit einer Transformationsagentur, die Qualifizierungen unterstützt, und Transformationsbegleitern, die in die Betriebe kommen.

Zudem fördern die Landkreise neben dem Ausbau der Infrastruktur – Breitband-Internet und Wasserstoff-Tankstellen – auch konkrete Projekte in den Betrieben.
 

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Beschäftigte können Ideen einbringen – und Transformation vorantreiben

Die Betriebsräte und Geschäftsleitungen von Continental und Musashi berichteten Seite an Seite über die gemeinsame Arbeit an der Transformation.

Die Betriebsräte erhalten im Steuerungs- und Lenkungskreis alle Informationen zu Investitionen und Personalplanung, berichten die Betriebsräte.

„Wir haben Möglichkeiten, unsere Ideen einzubringen“, erklärt Simone Krämer, Betriebsratsvorsitzende von Musashi in Bad Sobernheim, Bockenau und Grolsheim. „Allerdings liegt der größte Teil der Arbeit noch vor uns.“

Bislang hat die Belegschaft bei Musashi vor allem Verbesserungsvorschläge zur Arbeitsorganisation eingebracht, die dem Unternehmen tatsächlich Geld bringen.

Allerdings entstehen auch erste Ideen für Produkte jenseits der Autoindustrie, erklärte David Beckers, Chief Transformation Officer (CTO) von Musashi.

Bei Continental in Rheinböllen ist man da schon weiter. Hier werden bereits Autonome mobile Roboter (AMR) für die werksinterne Logistik gefertigt.

In beiden Unternehmen gibt es einen Grundkonsens, den Weg gemeinsam zu gehen – und dazu die Kompetenzen der Beschäftigten zu nutzen. „Das Management ist ja nicht dazu da, Beschäftigung abzubauen“, betont Continental-Werkleiter David Nachtmann.
 

Besser mit Beschäftigten und Betriebsräten

„Wir haben mittlerweile das Gefühl, dass unsere Mitbestimmung gewollt ist“, meint Volker Diehl, Betriebsratsvorsitzender von Continental. Noch gebe es Misstrauen und Angst in der Belegschaft. Aber insgesamt steige die Bereitschaft, mitzuarbeiten und sich weiterzubilden. Sogar eine 62-jährige Beschäftigte macht jetzt noch einmal eine Qualifizierung.

Allerdings kritisiert Diehl, das die Konzernspitze noch zu oft von oben Fakten setzt. „Ich erlebe es oft im Wirtschaftsausschuss, dass die Würfel schon gefallen sind. Dabei läuft es doch nachweislich besser, wenn die Betriebsräte eingebunden sind.“
 

Ins Gespräch kommen

Das wichtigste Ziel der Podiumsdiskussion war es, alle Akteure zusammenzubringen. „Um die Transformationen voranzubringen, müssen alle an einem Strang ziehen. Und das geht nur, wenn die Akteure in den Betrieben verstehen, was die Politik ihnen bietet – und die Politik versteht, was die Betriebe brauchen“, betont der Bevollmächtigte der IG Metall Bad Kreuznach, Ingo Petzold. „Wir haben jetzt alle miteinander ins Gespräch gebracht. 


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