PRESSEMITTEILUNG
IG Metall-Umfrage: Zeitenwende bei der gesetzlichen Rente

Privatvorsorge durch Teuerung noch weiter erschwert +++ Bürger*innen lehnen risikoreiche Anlageformen bei Alterssicherung ab +++ Hans-Jürgen Urban fordert neue „Soli-Rente-Plus“

6. Oktober 20226. 10. 2022


Frankfurt am Main/Berlin – Zeitenwende in der Rentenpolitik: Mit den steigenden Lebenshaltungskosten blicken auch die Beschäftigten sorgenvoller auf ihre Alterssicherung. Insbesondere privater Extravorsorge und spekulativen, risikoreichen Anlageformen gegenüber sind die Bürger*innen skeptisch eingestellt. Das ergibt eine aktuelle und repräsentative Kantar-Befragung, die die IG Metall am Donnerstag auf ihrer rentenpolitischen Tagung in Berlin präsentierte. Mit einer „Soli-Rente-Plus“ macht die Gewerkschaft einen Vorschlag für einen neuen, sicheren Rentenbaustein.

Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall: „In unsicheren Zeiten zählt für die Menschen Sicherheit – gerade bei der Altersvorsorge. Mit risikoreicheren Anlageformen und Staatsfonds-Ideen die gescheiterte Privatvorsorge beleben zu wollen, führt weiter rein und nicht raus aus der Sackgasse. Auch die Debatte um eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenzen könnte schnell zum Brandbeschleuniger für Politikverdrossenheit werden. Ins Zentrum einer Solidarreform gehört die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung.“

Teuerung: Privatvorsorge für immer mehr immer weniger leistbar

Eine ausreichende private Altersvorsorge kann sich allenfalls eine Minderheit leisten. 48 Prozent der Befragten legen monatlich kaum etwas oder nichts fürs Alter zur Seite: Jede*r siebte Befragte (13 %) spart weniger als 5 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, mehr als jede*r Dritte (35 %) gar nichts. Noch prekärer sieht es unter den Geringverdienenden mit einem Nettoeinkommen unter 1500 Euro im Monat aus: Hier sparen 61 Prozent der Bürger*innen gar nichts und nur jede*r Zehnte (10 %) weniger als 5 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens.

Die steigenden Lebenshaltungskosten belasten persönliche Sparpläne noch weiter: Zwei Drittel (64 %) der Befragten sagen, dass sie ihr Sparverhalten nicht ändern werden bzw. können. 12 Prozent werden allgemein sogar weniger sparen.

Hans-Jürgen Urban: „Wenn das tägliche Leben jetzt teurer wird, müssen die Menschen umso mehr an ihrer Zukunft sparen. Deshalb ist es umso wichtiger, gerade jetzt die paritätisch finanzierte gesetzliche Rente als solide Basis auszubauen.“

Neue „Soli-Rente-Plus“ statt Spekulation

Auf Ablehnung der Bürger*innen stoßen zudem risikoreiche, spekulative Anlageformen: Für 90 Prozent sind vor allem Sicherheit und Planbarkeit bei der Altersvorsorge wichtig. Nur 7 Prozent würden auf höhere Rendite bei einem größeren Risiko spekulieren.

Hans-Jürgen Urban: „Nach den Erfahrungen der Finanzkrisen sind die Menschen zurecht skeptisch: gegenüber immer neuen Versprechen, mit mehr Risiko die Rendite ihrer Altersvorsorge zu erhöhen. Die sicherste Rendite hat allen Unkenrufen zum Trotz noch immer die umlagefinanzierte, gesetzliche Rente.“

Darüber hinaus macht sich der Gewerkschafter für einen neuen zusätzlichen Rentenbaustein stark. Mit einer „Soli-Rente-Plus“ sollen mehr Versicherte und ihre Arbeitgeber bessere Möglichkeiten bekommen, zusätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und damit höhere Ansprüche zu erwerben. Urban: „Wir brauchen ein neues verlässliches und berechenbares Standardprodukt für die zusätzliche Vorsorge, das mit niedrigen Verwaltungskosten und ohne Gewinnerzielungsinteressen alle Risiken der Menschen absichert.“

Bürger*innen wollen, dass mehr in die Kasse einzahlen 

Für eine bessere Finanzierung und Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung fordern die Beschäftigten, eine Erwerbstätigenversicherung einzuführen: Mehr als drei Viertel (77 %) halten es für sinnvoll, dass die Politik auch Freiberufler, Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung mit aufnimmt.

Hans-Jürgen Urban: „Es ist höchste Zeit, wirkliche und gelebte Solidarität weiter in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verankern. Es müssen mehr einzahlen und damit auch mehr Gutverdienende.“

Absage an längere Lebensarbeitszeit

Die neuerlich im Sommer begonnene Diskussion über ein noch späteres Renteneintrittsalter wird offenbar ohne die Betroffenen geführt: Drei Viertel (74 %) der Menschen halten es für unrealistisch, über das 67. Lebensjahr hinaus zu arbeiten. Je niedriger die formale Bildung, desto unwahrscheinlicher ist ein längeres Arbeitsleben: Von den Befragten mit nur einem Hauptschulabschluss können sich nur 9 Prozent vorstellen, länger zu arbeiten.

Hans-Jürgen Urban: „Ein höheres Renteneintrittsalter bedeutet faktisch nur höhere Abschläge bei der gesetzlichen Rente. Wer an der Altersschraube drehen will, ist in Wahrheit nur ein Renten-Räuber.“

Kantar Public befragte im Auftrag der IG Metall in einer repräsentativen Zufallsstichprobe 1028 Wahlberechtigte im Zeitraum zwischen dem 22. und 28. September 2022.

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