Interview in der Frankfurter Rundschau
Rebellion gegen den Neoliberalismus

Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, über die Proteste in Frankreich, warum es eine europäische Antwort braucht und Umverteilung nicht reicht.

21. Dezember 201821. 12. 2018


Herr Urban, wünschen Sie sich eine Gelbwesten-Bewegung in Deutschland?

Hans-Jürgen Urban: Ich glaube, dass die Situation in Deutschland und Frankreich kaum vergleichbar ist. Die Präsidialdemokratie und die Auflösung des Parteiensystems in Frankreich sind doch sehr spezifisch. Aber der Kern der Gelbwesten-Bewegung ist eine durchaus verständliche Rebellion gegen die neoliberalen Zumutungen der letzten Jahre und gegen das Empfinden, dass die politischen Eliten vieles im Kopf haben – aber nicht das Wohl der Bevölkerung. 


Gibt es auch hierzulande Missstände, die die Leute auf die Straße treiben müssten? 

Oh ja, Missstände gibt es zuhauf. Und ich empfehle, die Gelbwesten-Bewegung auch in den anderen europäischen Ländern als Warnsignal zu verstehen. Ich sehe zwei zentrale Ursachen für die Wut in der Bevölkerung. Zum einen den Sozialabbau, der seit zwei, drei Jahrzehnten überall in Europa stattgefunden hat. Zweitens sind die Menschen aufgrund der Transformation verunsichert, die die kapitalistischen Gesellschaften gegenwärtig durchleben – die Transformation der Arbeit, der Kultur, der Politik. Statt mit sozialen Strukturreformen darauf zu reagieren, wurschtelt die Politik sich durch. Der so entstehende soziale Sprengstoff ist nicht nur in Frankreich vorhanden. 

 

zum kompletten Interview in der Frankfurter Rundschau am 21. Dezember 2018