metallzeitung | September 2020 JUGENDAUSGABE »Ich habe die Zähne zusammengebissen, ich habe gekämpft« AUSBILDUNG Als Corona in Deutschland ankommt, ist Philipp Bischoff plötzlich auf sich allein gestellt. Seine Berufsschule ist geschlossen. Der 19-Jährige muss sich auf seine Abschlussprüfung vorbereiten. Er beißt sich durch. Mut macht, dass sein Betrieb ihn übernehmen will. Eine Woche vor der Prüfung dann der Schock: Er bekommt doch keinen Vertrag. Die Geschichte eines Kampfs. | Von Jan Chaberny I m Rückblick fragt sich Phi- lipp Bischoff, wie er das durchgehalten hat – trotz der Nachricht, die er exakt eine Woche vor seiner Prüfung um die Ohren geknallt bekom- men hat: der eiskalten Infor- mation, dass es für ihn nicht weitergeht. Er fragt sich, wie er das bloß gemacht hat, sich fünfeinhalb Stunden zu konzentrieren, wie er es schaffte, alles parat zu haben, was er in seiner Ausbildung gelernt hatte. Vor al- lem im vergangenen halben Jahr, in dem es so schwer war: Seine Berufsschule hatte wegen der Coronakrise lange geschlossen. Und nun war er also wirklich da, der Tag seiner Abschlussprüfung zum Kfz-Me- chatroniker: der Tag, auf den der 19-Jäh- rige drei Jahre hingearbeitet hatte – eine Prüfung, sechs Stationen. Achsvermes- sung, Bremsscheibenüberprüfung, In- spektionen der Elektronik, Fehlersuche im Klimaanlagensystem des Fahrzeugs, Prü- fung der Leuchtweitenregulierung, Abgas- fehleruntersuchung. »Ich habe an diesem Tag die Zähne zusammengebissen, die Ar- beit macht mir ja viel Spaß«, sagt Philipp Bischoff. »Ich habe die Prüfung bestan- den. Aber ich wusste nicht, wie es weiter- gehen sollte.« Die Jahre zuvor hatte Philipp immer ei- nen genauen Plan. Vor allem wusste er, dass es weitergeht. »Ich hatte die Sicher- heit, dass ich übernommen werde, wenn ich mich anstrenge.« Plötzlich ist Philipp auf sich allein gestellt Diese Sicherheit hatte der 19-Jährige auch, als im Frühjahr die Coronapandemie aus- brach. Als Deutschland im Lockdown war. Als Kolleginnen und Kollegen in Kurzar- beit geschickt wurden. Als seine Berufs- schule mit einem Mal geschlossen wurde, die Probeprüfung ausfiel, die Prüfungsvor- bereitungen gestrichen wurden. Damals musste Philipp sich mit einem Mal allein zurechtfinden. Philipp saß nun zu Hause vor seinem Rechner. Ständig brach das Netz zusammen. Oft hatte er das Gefühl, alles sei zu viel. Zu viel Stoff, der noch zu lernen war. Zu viel Stoff, der dringend wie- derholt werden musste. »Es war eine schwierige Zeit, aber ich hatte ein Ziel, auf das ich hinarbeiten konnte.« Sein Arbeit- geber hatte es ihm ja immer wieder in Aus- sicht gestellt. Das letzte Mal gut eine Woche vor der Abschlussprüfung. Es war am Freitagvor- mittag. Philipp wurde ins Personalbüro gerufen. »Dort haben sie mir gesagt, Phi- lipp, mach Dir keine Gedanken, Deine Übernahme ist sicher. Wir melden Dich auch für einen Lehrgang an.« Philipp war erleichtert, ging glücklich ins Wochenende. Er würde seine Ab- schlussprüfung ablegen. Dann würde er übernommen werden, als Mechatroniker arbeiten in einem Kfz-Betrieb am Standort Raststatt. Ein tolles Team, 15 Hebebühnen, immer viel zu tun. Vier Tage später war alles anders. »Am Dienstag nach dem Wochenende hatte ich