So denkt die junge Generation
Kein Bock mehr auf Arbeit?

Die junge „Generation Z“ hat kein Bock mehr auf Arbeit und will lieber Freizeit, behaupten die Arbeitgeber. Stimmt das? Maurice Edelmann (25), chemisch-technischer Assistent beim Maschinenbauer Pfeiffer, sieht das anders: Arbeit macht Spaß und unabhängig. Aber Arbeit muss sich auch lohnen.

17. August 202317. 8. 2023


Maurice, über die „Jugend von heute“, die „Generation Z“, heißt es, Euch wäre Work-Life-Balance viel wichtiger als zu arbeiten. Habt Ihr einfach „kein Bock auf Arbeit“, wie die Arbeitgeber sagen?

Maurice Edelmann: Das stimmt gar nicht. Meine Generation wird ziemlich unterschätzt. Aber wir sind die Generation, die komplett in einer neoliberal geprägten Wirtschaft groß geworden ist. Agenda 2010, Hartz IV und Bürgergeld, Leiharbeit. Das hat die ältere Generation entschieden – und wir müssen das nun auslöffeln. Warum Vollzeit arbeiten, wenn mein Job im Zuge der Globalisierung und der Transformation so oder so nicht in der Zukunft sicher sein wird, geschweige denn meine soziale Absicherung?
 

Was heißt „auslöffeln“? Gerade wenn Du als Fachkraft viel arbeitest und vorsorgst, kannst Du doch prekäre Arbeit und Armut vermeiden.

Wirklich? Nach 40 Jahren Vollzeitbeschäftigung erhält ein Durchschnittsbürger nach aktuellen Berechnungen rund 1200 Euro Bruttorente, die dann ab 2040 voll versteuert werden muss. Was soll da noch übrig bleiben zum Leben? Und es ist einfach zu sagen, wir sollen halt zusätzlich privat vorsorgen. Das Geld musst Du erst mal haben. Und alle zusätzlichen Einkünfte aus Betriebsrenten sind auch noch sozialversicherungspflichtig. Da wird man als Arbeitnehmer doppelt geschröpft.
 

Wie siehst Du – wie sieht „Deine Generation“ die Zukunft?

Unsere Zukunft wird sehr schwer. Die Globalisierung schreitet voran. Wegen der Inflation und hoher Energiepreise zieht die Industrie aus Deutschland und Europa ab. Meine Generation hat keine großen Chancen, um zu einer „Wohlstandsgeneration“ zu werden. Wir, die Arbeiterklasse, die Mittelschicht, wir werden einen immer größeren Anteil an der Steuerlast tragen. Und wir arbeiten statistisch immer länger, müssen aber unterm Strich real Einbußen beim Einkommen hinnehmen.
 

Klingt sehr pessimistisch. Warum beteiligst Du Dich dann überhaupt am gesellschaftlichen Diskurs und bist IG Metall-Mitglied?

Nur mit Gewerkschaften wie der IG Metall haben wir überhaupt eine Chance – in guter Zusammenarbeit mit den Arbeitgeberverbänden - eine gesellschaftlich faire Transformation auf den Weg zu bringen. Und den letzten Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie fand ich super. Es war eine Mischung für jede Lebenssituation dabei: auf der einen Seite die steuerfreien Inflationsausgleichsprämien von insgesamt 3000 Euro. Dadurch hat jeder die Möglichkeit, das Geld individuell einzusetzen, sei es für die hohe Strom- und Gasrechnung, um privat vorzusorgen oder das Haus abzubezahlen. Auf der anderen Seite hat die IG Metall es geschafft, mit den dauerhaften Lohnerhöhungen – 5,2 Prozent in diesem Jahr – einen relativ großen Anteil der Inflation abzufedern – dank ihrer guten Verhandlungsdiplomatie.
 

Was muss passieren, dass junge Menschen wieder „Bock auf Arbeit“ haben?

Wir brauchen ein Signal, dass sich Arbeit lohnt. Die Lust auf Arbeit muss angekurbelt werden. Schließlich möchte auch die „Generation Z“ sorgenlos leben, konsumieren und eine Familie planen. Auch dadurch wird die Wirtschaft gestärkt. Es gibt Berufsfelder, für die sich kein Nachwuchs interessiert, in der Industrie – und vor allem im Handwerk. Weil die Leute diesen Job bis ins hohe Alter meistens nicht schaffen – und somit in die Altersarmut fallen. Wer kann mit 67 Jahren noch ein Dach reparieren? Solche Berufe müssen besser gestellt werden, indem man zum Beispiel mit 60 Jahren abschlagsfrei in die Rente eintreten darf.
 

Was kann die IG Metall dabei tun? Was wünschst Du Dir?

Lohnerhöhungen sind immer gut. Gut finde ich auch das Instrument der steuerfreien Einmalzahlungen. Dadurch bleibt den Menschen wenigstens mehr Netto vom Brutto. Da brauchen wir mehr davon. Aber meine Generation braucht auch mehr soziale Nachhaltigkeit. Das Vorsorgen muss viel mehr unterstützt werden. Ebenso wäre es nicht schlecht, wenn die Möglichkeiten, zusätzlichen Urlaub „erkaufen“ zu können, wie beim Tariflichen Zusatzgeld (T-ZUG), ausgeweitet würden. Dadurch hätte die jüngere Generation auch die Möglichkeit, sich mehr frei zu nehmen, ohne große finanzielle Einbußen beim Grundgehalt. Was bringt mir eine „Vier-Tage-Woche“, wenn meine Arbeitslast gleich bleibt? Wir müssen erst mal dafür sorgen, dass wir wieder mehr Leute haben, die arbeiten.

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