24. Juni 2011
Griechenland in der Krise: Warum eine Umschuldung falsch ist
Niedrigzins ist die Alternative
Die Vertrauensfrage im griechischen Parlament ist geklärt. Und damit das Reformpaket auf den Weg gebracht. Wie geht es nun weiter mit Griechenland? Eine Umschuldung würde keine nachhaltige Entlastung für das Land bringen, schreibt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in ...

... seinem jüngsten Report.

Die Diskussionen um die Zukunft Griechenlands laufen heiß. Was braucht das Land, um aus der Krise zu kommen? Eine Umschuldung, einen sogenannten Schuldenschnitt? Zurück zur Drachme? Mehr Geld von anderen europäischen Ländern?

Eine Umschuldung ist die schlechteste Lösung von allem und würde keine nachhaltige Entlastung für das Land bringen, schreibt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), das zu der Hans-Böckler-Stiftung gehört, in seinem jüngsten Report. Im Gegenteil: Eine Umschuldung würde auf den Finanzmärkten Misstrauen und Spekulationen befeuern, so die Meinung der IMK-Ökonomen, Gustav Horn, Fabian Lindner und Torsten Niechoj. Ihr Vorschlag: eine auf Eurobonds gestützte Niedrigzinsstrategie sowie eine Finanzmarkttransaktionssteuer, wie sie auch die IG Metall fordert.

Umschuldung: mehr Risiko als Gewinn
Ihre Argumente: Eine Umschulung hat nur einen geringen Vorteil, birgt aber ein großes Risiko. Da sind sich die Ökonomen des IMK einig. Ein Schuldenschnitt in Griechenland würde zwar die Schulden und damit auch den Zinsdienst, also die Zinsen, die das Land für seine Schulden zahlen muss, zunächst massiv verringern. Eine Umschuldung dürfte aber einen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems provozieren und die schon jetzt sehr fragile griechische Wirtschaft weiter schwächen, prognostiziert das IMK. Schließlich haben griechische Banken dem Staat so viel Geld geliehen, dass die Forderungen im vierten Quartal 2010 gut 150 Prozent ihres gesamten Eigenkapitals und ihrer Reserven ausmachten. Bei einer Umschuldung würde ihre Rettung wieder öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen – und die griechischen Staatsschulden damit erneut deutlich nach oben treiben. Die anfängliche Schuldenreduktion wäre ein viel zu teuer erkaufter Erfolg, warnt das IMK.


Ob harte oder sanft Umschuldung, beide Formen taugen nichts. Die „sanften“ Formen des Schuldenschnitts, etwa die Verlängerung von Kreditlaufzeiten, würden das Bankensystem auf den ersten Blick zwar nicht so stark treffen. „Solche Ansätze haben allerdings bestenfalls symbolische positive Wirkungen. Und das wahrscheinlich zu einem hohen Preis“, sagt Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK.

Denn: Schon eine sanfte Umschuldung dürfte die ohnehin nervösen Finanzmärkte weiter irritieren. Ratingagenturen könnten die Friststreckung als Zahlungsausfall bewerten. Noch schlimmer wären die Auswirkungen auf den gesamten Euro-Raum: Aus Sicht der Anleger würde die gesamte Euro-Währungsunion zur Risikozone, in der Staatsinsolvenzen prinzipiell möglich sind, weil keine mächtige nationale Zentralbank mit aller Konsequenz eingreift. Dadurch hätten nicht nur Griechenland, sondern auch alle anderen Länder, darunter auch Deutschland, viele private Kreditgeber dauerhaft verprellt.


Und eine weitere Folge: Auch alle anderen Euro-Länder müssten höhere Zinsen als Risikoaufschlag auf ihre Staatsanleihen zahlen, so das IMK. Irland oder Portugal und selbst Spanien könnte das neue, schwere Probleme bringen. Gegen sie würden sich neue Spekulationsattacken richten. „Bei einer großen Panik des Finanzsystems müsste in Deutschland wieder – wie schon 2008 – der Staat dem Finanzsystem beispringen, indem er sich nochmals stark verschuldet und private in öffentliche Schuld überführt, um einem Bankenkollaps vorzubeugen“, warnt Horn.

Auch die Rückkehr zur Drachme wäre keine Lösung für Griechenland. Denn dann droht dem Euro eine massive Aufwertung. Der Grund: Griechenland würde bei einer Rückkehr zur Drachme von seinen Altschulden erdrückt, denn diese würden ja weiterhin in Euro laufen.

Niedrigzinsstrategie und Finanzmarkttransaktionssteuer: die Alternative
Eine auf Eurobonds gestützte Niedrigzinsstrategie eröffnet dagegen nach Analyse von Gustav Horn, Fabian Lindner und Torsten Niechoj einen deutlich risikoärmeren Weg zur Lösung der Euro-Krise. Eine Beteiligung privater Finanzmarktakteure werde durch eine Finanzmarkttransaktionssteuer – die auch die IG Metall fordert – erreicht sowie durch eine wirklich substantielle Bankenabgabe. „Anders als die bisherige Strategie, die ohne Perspektive von Hilfsprogramm zu Hilfsprogramm stolpert, gilt es Lösungen zu finden, die auch ein Ende der Krise glaubhaft erscheinen lassen“, fordert Horn.

Als bessere Alternative empfiehlt das IMK daher eine Niedrigzinsstrategie:

Es gibt Beispiele, wie positiv sich eine Niedrigstrategie auswirken könnte. Für den Zeitraum bis 2015 haben das IMK und seine europäischen Partnerinstitute – das OFCE aus Paris und das Wiener WIFO – berechnet, wie sich eine Niedrigzinsstrategie auswirken würde. Ihr Ergebnis: Vor allem die Krisenstaaten, aber auch die deutsche Wirtschaft würden von einem stärkeren Wachstum profitieren. Das würde es erleichtern, die Schuldenprobleme in den Griff zu bekommen, so die Forscher. Die Modellrechnung lässt erwarten, dass Griechenland die Abwärtsspirale aus hohen Zinsforderungen, schlechten Ratings und steigender Verschuldung durchbrechen könnte. So würde die Staatsschuldenquote im Niedrigzinsszenario bis 2015 auf rund 110 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgehen – ganz ohne Schuldenschnitt und seine möglichen Negativ-Folgen.


Das Modell der IMK-Ökonomen sieht außerdem vor, die Banken an den Kosten zu beteiligen. „Aus ökonomischen Gründen und aus Gründen der Gerechtigkeit ist das wichtig“, betont Gustav Horn. „Aber ein Schuldenschnitt ist angesichts der dargestellten Risiken das falsche Instrument. Hingegen könnten eine Finanzmarkttransaktionssteuer und eine Bankenabgabe, die riskantes Verhalten weitaus konsequenter sanktioniert als die von der Bundesregierung beschlossene Variante, genau das leisten. Es ist höchste Zeit, diese Projekte ernsthaft voranzutreiben.“


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