27. Februar 2013
Interview
Mitmachgewerkschaft für Frauen
Die IG Metall möchte mehr Frauen gewinnen.

Am 21. März ist „Equal Pay Day“, also der Tag, bis zu dem Frauen im Schnitt über 2012 hinaus arbeiten mussten, um auf das Durchschnittsentgelt der Männer im vergangenen Jahr zu kommen. Er ist nur zwei Tage früher als im letzten Jahr. Ist das ermutigend?


Christiane Benner: Es zeigt immerhin, dass sich etwas bewegt. In Deutschland ist der Abstand zwischen den Durchschnittsentgelten von Männern und Frauen von 23 auf 22 Prozent gesunken. Aber der Fortschritt ist eine Schnecke.

 


Die Arbeitgeber sagen: Nur zwei bis acht Prozent Benachteiligung ist betriebsbedingt. Die Lohnlücke entstehe vor allem, weil Frauen sich schlecht bezahlte Jobs aussuchen, die Arbeit unterbrechen und sich nicht weiterbilden.


Was ist der Sinn der Übung, alle Faktoren herauszurechnen, die Frauen behindern? Außer: einen Vorwand dafür zu liefern, dass die Betriebe sich um das Problem nicht kümmern müssen, weil sie angeblich nicht schuld sind. Der Gender Pay Gap, also die statistische Lücke zwischen den Durchschnittsentgelten von Männern und Frauen, ist ein Indikator, der hilft, Problembewusstsein zu wecken und auf Spurensuche nach den Gründen für die Lohnungleichheit zu gehen.

 


Als Arbeitgeber würde ich sagen: Es liegt nicht an mir, wenn Frauen keine Ingenieure werden.


Aber es liegt an ihm, dass eine junge Ingenieurin nach drei Jahren Berufstätigkeit 18,9 Prozent weniger verdient als ein junger Ingenieur. Im Übrigen beträgt der Frauenanteil in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen fast 20 Prozent. Wir haben eine Initiative „Auf geht’s – faires Entgelt für Frauen“ ins Leben gerufen. Damit wollen wir konkret untersuchen, wo Frauen warum weniger verdienen als Männer, um gezielt dagegen vorgehen zu können.

 


Was will die IG Metall, außer gerechtem Lohn, noch für Frauen erreichen?


Frauen brauchen im Betrieb bessere Chancen, sich zu qualifizieren und aufzusteigen. Warum machen Facharbeiter eine Meisterprüfung und Facharbeiterinnen nicht? Wir wollen mithilfe der Betriebsräte durchsetzen,dass die Unternehmen in der Personalentwicklung stärker darauf achten, Frauen zu fördern und ihnen Möglichkeiten zu bieten, sich weiterzubilden. Wir setzen uns für verbindliche Frauenquoten in Führungspositionen ein. Denn wenn mehr Frauen Spitzenjobs besetzen, ermutigt das auch andere, sich weiterzuentwickeln. Das alles setzt natürlich voraus, dass es möglich ist, Beruf und Privatleben zu vereinbaren.

 



Bei der Vereinbarkeit ist ja auch der Staat gefordert, Stichwort Kinderbetreuung. Tut er genug?


Die IG Metall kritisiert die Familienpolitik der Bundesregierung. Das schlechteste Beispiel ist das Betreuungsgeld. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass jemand sein Kind zu Hause erziehen möchte. Aber warum muss der Staat ihn oder sie dafür aus Steuermitteln belohnen? Die Millionen sind besser ausgegeben, wenn sie in gute Kitas und andere öffentliche Betreuungseinrichtungen investiert werden. Es fehlen ja noch fast 220.000 Kita-Plätze, um den gesetzlichen Anspruch auf Betreuungsplätze zu erfüllen, den Eltern ab August haben. Solange viele Frauen ihre Berufswünsche nicht umsetzen können, weil sie keine Betreuungsplätze für ihre Kinder finden, kann von Wahlfreiheit nicht die Rede sein und erst recht nicht von Chancengleichheit im Erwerbsleben.

 


Und was tut die IG Metall in Betrieben für eine bessere Work-Life-Balance?


Mit dem „Klimaindex Vereinbarkeit“ haben wir in vielen Betrieben Umfragen gemacht, um herauszufinden: Gibt es eine Unternehmenskultur, die die Vereinbarkeit unterstützt? Es passiert zwar einiges, schon aufgrund des Fachkräftemangels. Aber nicht genug. Bisher haben erst zehn Prozent der Betriebe Regelungen zur Vereinbarkeit abgeschlossen. Wir müssen mit den Belegschaften in Diskussionen über das Thema kommen. Wenn sie sich in ihren Firmen engagieren, können wir auch einiges verbessern.

 



Wie könnten Regelungen denn zum Beispiel aussehen?


Ein wichtigesThema bleiben familienfreundlichere Arbeitszeiten. Das interessiert nicht nur Frauen, sondern alle. Beschäftigte sollten zum Beispiel ihre Wahlarbeitszeit selbst festlegen können. Vorbildlich sind Regelungen wie bei BMW, wo sie nicht immer im Betrieb anwesend sein müssen und trotzdem die Arbeitszeit korrekt erfasst wird. VW hat eine gute Lösung, damit die Arbeitszeit nicht endlos ins Privatleben ausufert: Zwischen 18.15 und 7 Uhr werden keine E-Mails auf Smartphones weitergeleitet. Eltern brauchen auch das Recht, nach einer Teilzeitphase auf eine Vollzeitstelle zurückkehren zu können.

 


Die IG Metall hat knapp 400 000 weibliche Mitglieder. 2012 hatte sie fast 3000 mehr als 2011. Zufrieden?

 

Das ist schon ein Erfolg. Denn vorher haben wir jahrelang Frauen verloren. Was daran lag, dass Arbeitsplätze für An- und Ungelernte stark abgebaut wurden; viele davon waren mit Frauen besetzt. Zuwachs haben wir jetzt vor allem bei Angestellten. Aber wir wollen noch viel mehr Frauen gewinnen, in allen Bereichen. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir eine Mitmachgewerkschaft sind, in der Menschen etwas für sich verbessern können. Gerade auch Frauen.


Neu auf igmetall.de

    Link zum Artikel