Zukunft wählen: Die 421 Delegierten diskutierten und stimmten beim 25. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt über den Kurs der nächsten Jahre ab. s s a H o d n a L : o t o F E ines geht gar nicht: ein grüner Umbau, der Arbeitsplätze vernichtet. Ja: Der Wandel der Industrie – die Transformation – wird kom- men. Aber nur fair und sozial, nicht gegen uns, sondern mit uns. Das macht Christiane Benner, die neu gewählte Erste Vorsitzende der IG Metall, auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt am Main in ihrem Zukunftsreferat klar. Außerdem betont sie: »Unsere Industrie muss weiterentwickelt und darf nicht abgewickelt wer- den. Es ist unser Auftrag, diesen Umbau zu gestal- ten. So, dass wir die Grundlagen für unser Leben und für unsere Wirtschaft erhalten.« Christiane Benner übernimmt den Vorsitz der IG Metall als erste Frau in Zeiten großer Umbrüche: Die Betriebe stehen vor der Herausforderung, CO₂-neutral zu werden – Elektroautos, grüner Stahl dank Wasserstoff – und zugleich digital. Gleichzeitig wird die Welt immer unübersicht- licher, auch unsicherer: der Überfall Russlands auf die Ukraine, der Krieg im Nahen Osten, Inflation, steigende Energiepreise. All das spüren auch die Betriebe. Die Sorge um ihre Zukunft treibt viele Beschäftigte um. Diese Sorge war auch auf dem Gewerkschaftstag zu spüren. »Der Wandel der Industrie ist ein episches Drama«, drückt es ein Delegierter aus. Aber er weiß auch: »Unternehmen, die den Wandel ignorieren, setzen ihre Zukunft aufs Spiel.« Viele Arbeitgeber haben keine Strategie für den Wandel – außer ab- bauen, verlagern, schließen. Und erst dann können Betriebsräte und IG Metall nach derzeitiger Rechtslage eingreifen – und nur, um die Folgen des Abbaus abzumil- dern, mit Sozialplänen und Sozialtarifverträgen. Die IG Metall setzt dabei zwar in immer mehr Unter- nehmen Zukunftstarifver- träge durch, mit Zusagen zu Investitionen, neuen Produk- ten und Mitsprache der Be- schäftigten. Aber Arbeitsplätze gehen dennoch verloren. Weil die IG Metall Zukunftstarife nach der- zeitiger Rechtslage eben nicht proaktiv durchsetzen kann, sondern nur huckepack, etwa mit einem Sozialtarif. Das ist zu spät und muss sich deshalb ändern! »Wir müssen vor die Welle kommen«, fordert Christiane Benner in ihrer Rede. »Wir brauchen mehr Mitbestimmung: bei der strategischen Aus- richtung der Unternehmen, bei der Personalpla- metall 11/12 2023 Titel 11 nung und Qualifizierung.« Mehr Mitbestimmung: Das bedeutet mehr Demokratie in der Wirtschaft – und in der Gesellschaft. Es bedeutet: Wir gestalten unsere Zukunft mit, statt der Unsicherheit ausgelie- fert zu sein. Wir weigern uns, denen zu folgen, die vorgaukeln, dass wir den Wandel einfach aufhal- ten, weiter Verbrenner bauen, weiter Öl, Gas und Kohle verfeuern könnten. Dass das reine Illusion ist, wurde in vielen Berichten auf dem Gewerkschaftstag deutlich. Der Wandel ist da: in den Betrieben, überall auf der Welt. Denn Solar und Wind sind jetzt schon billiger als fossile Energieträger. Von den fossilen Brenn- stoffen abhängig zu bleiben, während etwa China und die USA Billionen in erneuerbare Energien in- vestieren, wäre für die exportabhängige deutsche Industrie fatal. Das weiß auch der Kanzler. Noch keine Zusage zum Brückenstrompreis »Kohle, Öl und Gas gehen zur Neige und werden immer teurer«, warnt Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede auf dem Gewerkschaftstag. Auch er will dafür sorgen, dass es eine »industrielle Zukunft für »Die Betriebe müssen mehr in Ausbildung investieren, damit Berufsausbildung attraktiv bleibt. Dafür brauchen wir auch überproportionale Erhöhungen der Ausbildungsvergütungen und Sonderzahlungen in voller Höhe.« Lisa Neubert, Delegierte des Gewerkschaftstags, IG Metall Jugend, VW Zwickau t a r t e P n e h p e t S : o t o F Deutschland« gibt. Allerdings: Einen Brücken- strompreis zur Entlastung energieintensiver Betriebe, für den sein Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf dem Gewerk- schaftstag noch einmal wirbt, wollte Scholz an die- ser Stelle nicht zusagen. Die IG Metall fordert die- sen verbilligten Strompreis seit Monaten – damit Stahlwerke, Aluminiumhütten und Gießereien eine Zukunft in Deutschland haben und energieinten- sive Industrien überleben. weiter auf Seite 12