metall 3/4 2024 Deine 17 gab kaum Verlässlichkeit, Arbeitsaufträge können sich ad hoc ändern. Das schafft Stress und Unzufriedenheit.« Neben einer mangelnden Rollenklarheit, das zeigen die Befragungsergeb- nisse, führten oftmals unzureichende Kommunikation und häufig gestörte Arbeitsabläufe zu Stresssituationen bei den Beschäftigten. »Die Kolleginnen und Kollegen leiden unter diesen Belastungen«, weiß Kerstin Sailer. Dazu komme eine wenig vorausschauende, nicht ziel - gerichtete Personalentwicklung. »Das führt zu einer weiteren Leistungsverdichtung.« Schnelle Lösungen, das ist ihr und allen Beteiligten klar, gibt es hier nicht. »Das heißt nun aber nicht, dass man tatenlos zusehen muss«, sagt die Betriebs - ratsvorsitzende. »Man kann viel anpacken.« Das tun sie am Standort: Kerstin Sailer und ihr Betriebs- ratsteam initiieren zusammen mit dem örtlichen Management Workshops mit den Beschäftigten. »Die Idee war, die Kolleginnen und Kollegen selbst zu Wort kommen, sie gemeinsam Lösungen erarbeiten zu lassen. Schließ- lich wissen sie am besten, was sie belastet. Und sie wissen auch, was es braucht, um Stress wirk- sam zu reduzieren.« »Das geht nicht so schnell. Strukturen lassen sich nicht in einem Ruck ändern, Arbeitsprozesse können nicht über Nacht neu aufgesetzt werden«, weiß Kerstin Sailer. Erstens bräuchte es dafür schlicht und einfach mehr Personal – gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen, die vor allem den Außendiensttech- nikern administrative Arbeit abnehmen, die Materialkennungen, Werkzeugtypen und die Funktionsweise der Anlagen kennen und mit reibungslos funktionierender Software arbeiten. »Und zweitens muss man ja erst einmal herausfinden, wo und wann Belastungen auftreten«, sagt Kerstin Sailer. »Um Belastungen reduzieren zu können, muss man wissen, welche auf die Kolleginnen und Kollegen einwirken. Wir brauchen einen Überblick, eine Landkarte.« Belastungen ermitteln, Beschäftigte beteiligen Diese Landkarte haben sie erstellt – und dabei die Kolleginnen und Kollegen, gleichsam als Fachleute ihrer Arbeit, von Anfang an umfassend beteiligt. »Wir haben uns zuerst als Betriebsrat über psychische Belas- tungen informiert, in einem Workshop weiter- gebildet, zu dem wir auch das örtliche Manage- ment eingeladen haben«, sagt Kerstin Sailer. Mit diesem Schritt konnten sie auch den Regionalleiter überzeugen, dass es dringend nötig ist zu handeln. »Dann haben wir die Kolleginnen und Kollegen an Bord geholt. Wir haben die Beschäftigten in einer Betriebsversammlung infor- miert, dass wir eine Online- befragung starten, das Stress- Barometer einsetzen wollen.« t a v i r p : o t o F »Wir haben die Beschäftigten frühzeitig beteiligt. Die Kolleginnen und Kollegen wissen am besten, wo Stress entsteht. Und wie er reduziert werden kann.« Kerstin Sailer, Betriebsratsvorsitzende, Total Walther, Hamburg Gemeinsam Lösungen erarbeiten An sieben Terminen fanden im Mai 2023 »Maß- nahmenworkshops« statt, jeweils mit einer über- schaubaren Gruppe von Be- schäftigten aus einer Abteilung – und jeweils unter der Fragestellung, was genau erforderlich ist, um Belastun- gen zu senken. »Wir haben in unserer Unklarheit sorgt für Stress Das StressBarometer ist ein von der IG Metall entwickeltes Onlinetool für die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Mit ihm kann die Arbeitssituation detailliert aufgezeichnet und analysiert, können Belastungen differenziert erfasst wer- den. »Die erste Umfrage haben wir bei uns 2019 durchgeführt. Da gab es einen riesigen Rücklauf. Die Beschäftigten haben das total begrüßt, sie hatten richtig Lust, mitzumachen.« Dann aber kam Corona, die geplante Auswertung musste unterbro- chen, die anvisierten Workshops abgesagt werden. »Wir haben deshalb 2021 erneut eine Befragung gestartet und anschlie- ßend die Ergebnisse beider Befragungen zusammengeführt«, sagt Kerstin Sailer. »Das hat uns tiefe Einblicke gegeben. Wir konnten sehen, wie sich Belastungen entwickelt haben. Und wie sie weiter gestiegen sind.« Schlussendlich hat Kerstin Sailer zusammen mit einem hierfür gegründeten Steuerkreis vier verschiedene Belastungs- quellen ermittelt, vier Auffälligkeiten, die, quer durch alle Arbeitsbereiche am Standort, bei den Beschäftigten zu Stress führen. »Gut sichtbar war eine eklatante Rollenunklarheit in beinahe allen Abteilungen«, sagt sie. »Es herrschte Unklarheit über die eigene Tätigkeit, darüber, was konstant gefordert ist. Es Gruppe eine ganze Liste von Vorschlägen erarbeitet«, sagt Peter Riechling. Präzise Informationen zu den jeweiligen Kun- den und Aufträgen zu übermitteln steht dabei an oberster Stelle. »Dafür brauchen wir geschultes Personal an den Stand- orten und klare Vorgaben im Informationsfluss. Das würde die Arbeit erleichtern.« Ein Teil der erarbeiteten Maßnahmen werde bereits umge- setzt, sagt Kerstin Sailer. Vor allem Schulungen für Führungs- kräfte, die Einführung verpflichtender Mitarbeitergespräche oder die Aktualisierung und Publizierung eines Projektma- nagementhandbuchs, in dem grundlegende Arbeitsprozesse hinterlegt sind. »Wir sind auf einem guten Weg. Aber es gibt noch viel zu tun«, sagt Kerstin Sailer. Das sieht Peter Riechling genauso. »Mein Arbeitstag startet um sechs Uhr morgens. Ein- bis zweimal in der Woche beginne ich um zwei Uhr nachts. Das ist ein harter Job.« Wenn dann etwas Unvorhergesehenes passiere – fehlendes, falsches Material vor Ort oder ein Noteinsatz –, steige der Druck. »Wir haben uns auf den Weg gemacht, das ist gut. Aber wir müssen weitere Maßnahmen umsetzen. Und wir müssen alle Maß - nahmen auf ihre Tauglichkeit überprüfen.« Wenn das gelingt, davon ist er überzeugt, wird die Arbeit leichter.