Interview mit Wolfgang Lemb zur Europawahl
Im Mai die Weichen für ein sozialeres Europa stellen

Ein sozialeres Europa bedeutet: Sichere Arbeitsplätze, gute Entgelte und Arbeitsbedingungen sowie eine ausreichende Rente. Damit das für möglichst viele Europäerinnen und Europäer Realität wird, rät Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall dazu, die Zeit bis zur Wahl zu ...

29. April 201429. 4. 2014


... nutzen, um für ein arbeitnehmerfreundliches Europa zu werben.

Gehst Du wählen?
Wolfgang Lemb: Ja klar, und das empfehle ich auch allen unseren Mitgliedern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die IG Metall ist parteipolitisch neutral. Aber es gibt natürlich Parteien, die sich für ein sozialeres Europa einsetzen. Das tun nicht alle. Deshalb gilt es:Genau hinschauen.

Welche kommen dann in Frage?
Wir geben keine Wahlempfehlung. Das können die Wähler selber einschätzen.

Warum soll man denn wählen?
Bei der Europawahl geht es um entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft Europas. Um die Frage: Bleibt es bei der bisherigen Politik, also dem Sparzwang für die Krisenländer, unter dem die Menschen dort leiden? Bleibt die Europäische Union unter dem Klammergriff der Finanzwelt und damit ein Europa des Kapitals? Oder schaffen wir es, eine Mehrheit für fortschrittliche Kräfte im Parlament zu realisieren, die ein sozialeres Europa erreichen wollen?

Und was ist für Dich ein sozialeres Europa?
Ein Europa mit sicheren Arbeitsplätzen, guten Entgelten und Arbeitsbedingungen, ausreichender Rente, kurz gesagt:den Grundlagen für ein „gutes Leben“.Davon sind viele Europäerinnen und Europäer weit entfernt. Das zu ändern setzt voraus, dass die EU-Kommission ihre Eingriffe in Tarifvertragssysteme einstellt, mit der sie die Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft verbessern will, indem sie die Ware Arbeit preiswerter macht. Stattdessen müssen tarifliche Arbeitsbedingungen überall in Europa stabilisiert oder wiederhergestellt werden. Statt die Rechte der Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu beschneiden, wie es die einzelnen Staaten durch die Maßnahmen der Troika bisher tun, muss die Mitbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft ausgebaut werden.

In einigen Ländern sind mehr als 50 Prozent der jungen Leute arbeitslos. Die „Jugendgarantie“ hat daran nichts geändert.
Nein, sie ist finanziell auch zu dürftig ausgestattet, um Beschäftigung wirksam fördern zu können. Wo keine Arbeit vorhanden ist, helfen allerdings auch keine Garantieerklärungen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, haben ganze Generationen keine Zukunft. Statt die Krisenländer kaputtzusparen, müssen wir dieWirtschaft ankurbeln und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen. Wir müssen die Industrie durch Investitionen weiterentwickeln. Dazu brauchen wir in Europa Wachstums- und Beschäftigungsprogramme und eine Bankenstruktur, die es ermöglicht, Klein- und Mittelbetriebe in den Krisenländern zu finanzieren. Uns in Deutschland muss klar sein: Allein 1,8 Millionen Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie hängen am europäischen Export.

Schon jetzt haben Konservative eine satte Mehrheit. Im Mai könnten rechte und vor allem rechtsextreme Parteien zulegen. Es sieht nicht gut aus für eine sozialere und arbeitnehmerfreundliche EU.
Gerade darum will die IG Metall ihre Mitglieder motivieren, wählen zu gehen und die verbleibende Zeit für Gespräche mit Kollegen, Freunden, Nachbarn und in der Familie zu nutzen. Wir wollen einen Kurswechsel in Europa für mehr Demokratie und den Ausbau der Rechte der Beschäftigten, mehr Investitionen in reale Arbeitsplätze. Davon profitiert auch Deutschland. Dafür lohnt es sich zu streiten. Deshalb ist die Wahl wichtig. Noch ist nichts entschieden.

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