Mobbing gegen Betriebsrat bei Motor-Nützel
Trotz Mobbing Betriebsrat gewählt

Betriebsrat und IG Metall unbedingt verhindern: Das war das Ziel der Geschäftsführung von Motor-Nützel. Sie holte die Autos weg von der Verkaufsfläche, schloss die Lackiererei, kündigte, drohte. Dennoch haben die Beschäftigten durchgehalten und mit Hilfe der IG Metall ihren Betriebsrat gewählt.

21. März 202221. 3. 2022 |
Aktualisiert am 30. März 202230. 3. 2022


Er ist Autoverkäufer ohne Autos: Seit 14. Oktober ist seine Verkaufsfläche bei Auto-Nützel in Waldsassen leer: Gebrauchtwagen, Tageszulassungen – die Geschäftsführung hat alles abgezogen.

Der offensichtliche Grund: Der Autoverkäufer hat gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen die Wahl eines Betriebsrats angestoßen, für die fünf Autohäuser des VW-Händlers Auto-Nützel in der Oberpfalz.
 

Geschäftsführung droht, kündigt, schließt und verklagt

Früher waren sie ein kleiner Familienbetrieb mit einem familiären Umgang. Doch mittlerweile hat sich das nach Ansicht vieler Beschäftigter deutlich geändert. Etwa werden wiederholt Beschäftigte gegen ihren Willen über 100 Kilometer weit in andere Autohäuser versetzt. Etliche Beschäftigte kündigen von sich aus und suchen sich eine bessere Stelle.

Schließlich fassen einige Beschäftigte den Entschluss: „Wir gründen einen Betriebsrat, um den Leuten den Rücken zu stärken“. Sie gehen zur IG Metall. „Am Anfang haben wir uns mit drei Leuten getroffen“, erzählt Matthias Scherr von der IG Metall Amberg. Der Kreis wurde dann immer größer.

Mitte Oktober leitet die IG Metall die Wahl offiziell ein. Der Autoverkäufer ist Mitglied des Wahlvorstands. Eine Woche später, einen Tag vor der Wahlversammlung, holt die Geschäftsleitung dann alle Autos von seiner Verkaufsfläche in Waldsassen weg.

Vier Tage später macht Motor-Nützel auch die Lackierei in Waldsassen dicht – angeblich wegen technischer Mängel – und kündigt dort zwei Beschäftigten. Der eine hat die Betriebsratswahl mit initiiert – der andere ist Mitglied des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl. Beide klagen mit Hilfe der IG Metall: Bereits für Initiatoren und Wahlvorstände gilt Kündigungsschutz (Paragraf 15 Kündigunggschutzgesetz).

Die Geschäftsführung droht mit weiteren Schließungen – und dass Investitionen nicht getätigt werden, sollte der Betriebsrat kommen.
 

Chef brüllt IG Metall raus

„Einer der Geschäftsführer machte uns klar, dass Motor-Nützel den Betriebsrat unbedingt verhindern wird“, berichtet ein Mitglied des Wahlvorstands. „Doch alles würde wieder gut, die Lackiererei würde wieder eröffnet, die Autos kämen wieder auf die Verkaufsfläche in Waldsassen, sollte sich der Wahlvorstand gegen die IG Metall entscheiden.“

Statt einem Betriebsrat bietet die Geschäftsführung an, ein „Team Zukunft“ zu gründen – ohne gesetzliche Mitbestimmungsrechte und ohne IG Metall.

Die IG Metall – laut Aussage des Geschäftsführers eine „Krake“, die sich „in den Betrieben ausbreitet“  – kommt nur per Gericht rein bei Motor-Nützel. Dabei haben Gewerkschaften laut Gesetz Zutrittsrecht in die Betriebe.

„Als ich das erste Mal da war, einfach um mich mal der Geschäftsführung vorzustellen – da hat mich der Betriebsleiter in Mitterteich rausgeworfen und dabei angebrüllt, als käme ich von einer Sekte“, wundert sich Matthias Scherr von der IG Metall Amberg. „Die Kunden im Verkaufsraum waren sichtlich befremdet von der Schreierei.“

Von Anfang an muss sich die IG Metall hineinklagen: Am Vormittag geht’s erstmal zum Arbeitsgericht, nachmittags dann zur Wahlversammlung.

Und so geht es seitdem weiter: Krawall, Schikanen, Klagen.
 

Beschäftigte wählen dennoch ihren Betriebsrat

Was gebracht hat die Krawall-Nummer der Geschäftsführung bislang nicht: Sämtliche Gerichtsverfahren hat sie verloren. Sie bekam Post von VW, sie möge doch Arbeitnehmerrechte einhalten – die IG Metall hatte den VW-Gesamtbetriebsrat informiert. Und trotz aller Schikanen haben die Beschäftigten ihr demokratisches Recht auf Mitbestimmung wahrgenommen – und Ende Januar ihren Betriebsrat bei Motor-Nützel in der Oberpfalz gewählt. 82 der 120 Beschäftigten beteiligten sich an der Wahl eines siebenköpfigen Betriebsrats. „Keiner ist weggebrochen“, betont Matthias Scherr. „Alle sind bei der Stange geblieben.“
 

Geschäftsleitung hält an Krawall-Kurs fest

Doch die Geschäftsführung lässt nicht locker: Sie ficht die Betriebsratswahl vor Gericht an. Und die Schikanen reißen nicht ab: Der Betriebsleiter in Mitterteich besteht etwa darauf, dass eine Verkaufsassistentin, die in den Betriebsrat gewählt wurde, sein Dienstauto saubermacht.

Auch der neue Betriebsratsvorsitzende – der Autoverkäufer in Waldsassen - kriegt es weiterhin ab: Letzte Woche bestellte ihn einer der Geschäftsführer nach Hof. Doch statt endlich mal konstruktiv zu reden – denn genau das wollten die Beschäftigten ja mit der Betriebsratswahl erreichen - knallt der Geschäftsführer dem Betriebsrat die Versetzung auf den Tisch, anderthalb Stunden Fahrtzeit weit weg.
 

Betriebsräte lassen sich nicht einschüchtern

Geht zum Glück so einfach nicht: Versetzungen unterliegen nach Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die Betriebsräte bei Motor-Nützel lassen sich nicht einschüchtern. Und ihr Beispiel macht Mut: Auch bei Motor-Nützel im benachbarten Oberfranken mit fünf Autohäusern haben die Beschäftigten Anfang März einen Wahlvorstand gewählt, um ihren ersten Betriebsrat zu gründen.

Die Motor-Nützel GmbH ist Vertragshändler und -werkstatt für VW und Audi mit insgesamt rund 1000 Beschäftigten in 13 Autohäusern in Oberfranken und in der Oberpfalz. Alleingesellschafter ist die – laut ihrer eigenen Webseite – „gemeinnützige, mildtätige“ Hans und Emma Nützel Altenstiftung.


Weitere Infos auf der Seite der IG Metall Amberg

Weitere Infos auf der Seite der IG Metall Ostoberfranken

Filmbeitrag Bayerischer Rundfunk vom 29. März

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