1. April 2020
Simon Che Berberich, Dirk Erb, Jens Knüttel, Mirko Kaiser
Corona-Pandemie
Solidarität in der Corona-Krise
Die Wirtschaft fährt herunter. Betriebe schließen. Was wird nun aus den Beschäftigten? IG Metall und Betriebsräte kümmern sich um Lösungen, sichern Arbeitsplätze und Einkommen. Jetzt – und für die Zukunft nach Corona.

Corona hat auch die Industrie befallen. Immer mehr Werke sind stillgelegt. Einen solchen Einbruch hat die Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht erlebt.

Um die Unternehmen zu stützen und eine Wirtschaftskrise abzuwenden, hat die Bundesregierung einen milliardenschweren „Schutzschild“ beschlossen – in grundsätzlich unbegrenzter Höhe.

Aber was passiert mit den Beschäftigten in den Betrieben? Was wird aus ihrer Arbeit, ihrer Zukunft, ihrem Geld?

Die IG Metall und die Betriebsräte kümmern sich darum. Die IG Metall verhandelt mit den Arbeitgebern und mit der Politik, um Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Sie hat etwa erreicht, dass die Politik die Einführung von Kurzarbeit in den Betrieben erleichtert. In Nordrhein-Westfalen liefen zu Redaktionsschluss der metallzeitung noch Tarifverhandlungen.

Das Ziel: Statt Jobs sollen Arbeitszeiten gekürzt werden – und zwar so, dass die Beschäftigten möglichst wenig Geld verlieren. Denn Kurzarbeit sichert zwar Jobs – das ist erst mal am wichtigsten –, aber die Beschäftigten verlieren dabei bis zu 40 Prozent ihres Einkommens, sofern es keine tarifliche oder betriebliche Regelung gibt. Das kann nicht sein. Die Beschäftigten dürfen nicht allein gelassen werden. Sie sollen eine Aufzahlung zu ihrem Kurzarbeitergeld erhalten. Auch Eltern, die wegen der Kinderbetreuung nicht arbeiten können, brauchen schnellstens Unterstützung.


 

Zum Schutz vor Corona hat der Autobauer die Produktion stillgelegt. Metin Yildez arbeitete in der letzten Schicht. (Foto: Stephen Petrat)


Lösungen in den Betrieben

Zugleich setzen Betriebsräte in den Betrieben Vereinbarungen durch, um Arbeit zu sichern und die Folgen der Coronakrise für die Beschäftigten abzufedern.

Zu allererst geht es um den Schutz der Gesundheit. In Betrieben mit Coronainfektionen, etwa bei den großen Autobauern, wird die Produktion vorübergehend stillgelegt, um weitere Infektionen zu verhindern und die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Dort wo der Betrieb noch läuft, kümmern sich Betriebsräte um praktische Lösungen. Was passiert mit Beschäftigten, die keine Betreuung für ihre Kinder finden? Wie organisieren wir Homeoffice? Was ist mit den Beschäftigten in der Produktion? Und schließlich geht es darum, laufend zu informieren und zu beraten.

„Unsere Beschäftigten sind verunsichert. Täglich lesen sie, dass Werke stillgelegt werden und fragen sich, wie es für uns weitergeht“, erklärt Kai Blasius, Betriebsratsvorsitzender beim Landmaschinenhersteller John Deere im pfälzischen Zweibrücken. „Deshalb informieren wir die Beschäftigten täglich über Newsletter und über unsere IG Metall-Vertrauensleute.“


Kurzarbeit mit Aufzahlung

Auch bei John Deere hat die Coronakrise eingeschlagen. Lieferungen von Material und Teilen bleiben aus. Betriebsrat und Geschäftsleitung waren sich schnell einig: Sie wollen mit Kurzarbeit die Arbeitsplätze sichern. Der Betriebsrat hat gemeinsam mit der IG Metall in Verhandlungen durchgesetzt, dass John Deere 13 Prozent auf das Kurzarbeitergeld draufzahlt. Dadurch sind 73 Prozent des Nettos gesichert, mit Kindern 80. Die Beschäftigten haben dadurch weniger harte Einschnitte.

In anderen Betrieben in Zweibrücken gibt es ähnliche Regelungen. Die IG Metall vor Ort hat das gemeinsame Vorgehen in den Betrieben koordiniert.

„In Betrieben ohne Betriebsrat und Gewerkschaft sieht es oft ganz anders aus, das bekomme ich aus meinem Bekanntenkreis und meiner Familie mit“, meint Betriebsrat Blasius. „Da werden die Beschäftigten mit den Folgen der Coronakrise allein gelassen.“

Bundesweit setzen IG Metall und Betriebsräte Aufzahlungen durch. Bei den großen Autobauern, die zuerst dichtmachen mussten, haben die Beschäftigten kaum Verluste.

„Wir haben mit der IG Metall erstritten, dass Volkswagen eine Aufzahlung auf etwa 100 Prozent des bisherigen Nettoentgeltes leistet“, erklärt der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh. „Das haben wir nicht geschenkt bekommen. Wir haben dafür gekämpft.“

Aber was ist mit den kleineren Unternehmen, die von den großen Autobauern direkt abhängig sind? Was ist mit Beschäftigten bei Zulieferern und Dienstleistern? Der Kontraktlogistik-Dienstleister Schnellecke im sächsischen Glauchau etwa hängt zu 100 Prozent an VW in Zwickau. Stopp bei VW bedeutet auch sofort Stopp bei Schnellecke. Und die Beschäftigten verdienen ohnehin schon deutlich weniger als bei VW. Von nochmal 40 Prozent weniger könnten sie kaum noch leben.

Doch auch hier haben IG Metall und Betriebsrat Aufzahlungen durchgesetzt. 80 Prozent vom Netto sind schon mal sicher. Zu Redaktionsschluss liefen die Verhandlungen noch. „Wir haben zwar schon tagelang verhandelt“, meint die Betriebsratsvorsitzende Elke Merkel, „aber 80 Prozent sind zu wenig – bei unseren niedrigen Durchschnittseinkommen von knapp über 2000 Euro brutto erst recht. Wir wollen mehr.“

Bei anderen Dienstleistern verhandeln Betriebsräte und IG Metall ähnliche Regelungen – auch im VW-Stammwerk in Wolfsburg. „Die Verhandlungen sind sehr schwierig. Die Coronakrise mit dem Stopp des VW-Werks ist schneller über uns hereingebrochen, als alle gedacht hätten“, meint Frederic Speidel von der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Aber wir sind an der Seite der Logistik-Beschäftigten. Wir wollen keine Zwei-Klassen-Belegschaft.“


Zukunft nach Corona

Auch beim Kompressorenbauer CompAir in Simmern verhandelt der Betriebsrat bei Redaktionsschluss noch über eine Aufzahlung. Über das eigentliche Top-Thema der letzten Monate redet niemand mehr: Die IG Metall-Mitglieder bei CompAir wollen die Zukunft ihrer Arbeitsplätze in der digitalen und ökologischen Transformation sichern.

Das war das Ziel der IG Metall in den Tarifverhandlungen vor Corona: ein Zukunftspaket, das Arbeitsplätze sichert – und das die Arbeitgeber dazu verpflichtet, Zukunftstarifverträge mit konkreten Investitionen auszuhandeln.

Genau einen solchen Zukunftstarifvertrag wollten die IG Metall-Mitglieder bei CompAir durchsetzen. So wie bereits 2012, als sie mit Warnstreiks ihre Schließung verhinderten und sich Investitionen in den Ausbau zum Entwicklungszentrum sicherten. Jetzt sollte der nächste Zukunftstarifvertrag kommen. Doch die Mitgliederversammlung der IG Metall Bad Kreuznach Mitte März, auf der sie ihre Forderungen beschließen wollten, fiel wegen Corona aus.

Aber die Zukunft ist in Quarantäne. „Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, betont der Betriebsratsvorsitzende von CompAir, Daniel Bartolucci. „Wir müssen da dranbleiben. Es gibt eine Zukunft nach Corona.“


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