2. August 2018
Proteste gegen 12-Stunden-Tag in Österreich
Massiver Angriff auf Arbeitnehmerrechte
Die rechtspopulistische Regierung in Österreich hat ein neues Arbeitszeitgesetz durchgedrückt. Ab September können die Arbeitgeber 12-Stunden-Schichten anordnen. Das regt viele auf. Die Gewerkschaften organisieren den Widerstand.

Viele waren fassungslos über die Pläne. Massen gingen protestierend auf die Straße. Sie hielten Schilder hoch mit einer durchgestrichen 12. Ausdruck des Widerstands gegen einen – nun bald möglichen – 12-Stunden-Tag. Dennoch hat die rechtspopulistische Regierung in Österreich aus ÖVP und FPÖ von Bundeskanzler Sebastian Kurz ein Gesetz durchgedrückt, das eine entsprechende Verlängerung des Arbeitstags auf 12 Stunden möglich macht.

In Österreich gingen Hundertausende Beschäftigte gegen den 12-Stunden-Tag auf die Straße.

Das Ausmaß der Gesetzesänderungen beschreibt der niederösterreichische Landessekretär Patrick Slacik von der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge. „Es geht darum, die Arbeitnehmerrechte zurückzufahren, Betriebsratsgremien und Gewerkschaften zu schwächen.“ Bisher musste der Arbeitgeber, der die Arbeitszeit von acht Stunden Normalarbeitszeit auf 12 Stunden hochfahren wollte, die wirtschaftliche Notwendigkeit nachweisen. Ohne Einwilligung des Betriebsrats lief gar nichts. In Betrieben ohne Betriebsrat musste ein Arbeitsmediziner sein okay dafür geben.

Mit dem neuen Gesetz, das ab 1. September gilt, kann der Chef direkt die Beschäftigten anweisen, dass sie nun zwölf Stunden arbeiten müssen. Damit wird die 60-Stunden-Woche möglich. Die österreichischen Gewerkschaften sehen in dem Durchboxen des Gesetzes einen massiven Angriff auf die Sozialpartnerschaft. Bisher wurden Gesetzesänderungen, die die Arbeitnehmer betrafen, im Vorfeld auch mit den Arbeitnehmervertretungen besprochen. Unter dem österreichischen Bundeskanzler Kurz ist jedoch ein neuer nassforscher Stil eingekehrt. „Die neoliberale Regierung beschneidet Arbeitnehmerrechte, wo sie kann“, klagt der Pro-Ge-Gewerkschafter Slacik.

Der Gesetzentwurf landete im Schnellverfahren im Parlament, ohne die übliche Begutachtung durch Experten und Gewerkschaften. Die von Gewerkschaften organisierten Proteste mit über 100 000 Demonstranten führten immerhin dazu, dass die Regierung nachbessern musste und das Wörtchen „freiwillig“ in das Gesetz hineinschrieb. Die Freiwilligkeit gilt aber nur für die 11 und 12. Stunde. Kritiker befürchten, dass die Freiwilligkeit nur auf dem Papier steht, Weil sich Beschäftigte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht gegen angeordnete Überstunden wehren können und weil sie langfristige negative Folgen etwa bei der Beförderung oder bei Rationalisierungsmaßnahmen befürchten müssen.

Unbestritten ist, dass mit den Gesetzesänderungen in Österreich nun auch in diesem europäischen Land der Druck auf die Beschäftigten wächst. „Ihre Lage verschlechtert sich dramatisch, gerade für Beschäftigte mit Kindern“, beklagt Slacik. Der Gewerkschafter befürchtet, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Weitere Tiefschläge sind bei der Altersteilzeit und dem Vorruhestandsmodell für Schwerarbeiter geplant. Und während die Arbeitszeit verlängert wird, sollen die öffentlichen Mittel für Kinderbetreuung gekürzt werden.

Die österreichischen Gewerkschaften wollen sich mit dem neoliberalen Kurs der Regierung Kurz nicht abfinden. Österreich gilt als eines der letzten Länder mit ausgeprägter Sozialpartnerschaft. Derzeit finden flächendeckend Betriebsversammlungen statt. Weitere Proteste im Herbst sind in Vorbereitung. Statt eines landesweiten Streiks wollen die Gewerkschaften das neue Arbeitszeitgesetz über einzelne Kollektivverträge aushebeln. Die kampfstarken Eisenbahner und die Metaller treten unter dem Motto an „Wir holen uns alles zurück“.

In den sozialen Medien wurde das Arbeitszeitgesetz über den 12-Stunden-Tag abgewatscht. Den Film der österreichischen Wirtschaftskammer, in der die angeblichen Vorzüge des neuen Gesetzes angepriesen wurden, prangerten Nutzer als „widerwärtige letztklassige Propaganda“ an. Das neue Gesetz macht klar, wie wenig arbeitnehmerfreundlich eine populistische Regierung tatsächlich ist. Gewerkschaften und Beschäftigte auch in anderen Ländern Europas verfolgen die Entwicklung in Österreich mit großer Wachsamkeit. Denn auch anderswo gibt es Angriffe auf Arbeitnehmerrechte oder Pläne, sie zu schwächen. „Damit es nicht zu einem Domino-Effekt in weiteren Ländern kommt, müssen wir die Zusammenarbeit der Gewerkschaften in Europa weiter stärken und auch zu gemeinsamen Aktionen kommen“, erklärte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.


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