4. September 2015
Industrienahe Dienstleistungen
Einigkeit macht stark – auch bei Scherm in Ingolstadt
Mit einer gut organisierten Arbeitnehmervertretung lässt sich im Betrieb viel erreichen – auch bei Werkvertragsunternehmen. Beim Logistikdienstleister Scherm Tyre & Projekt Logistik setzt sich seit gut zwei Jahren ein Betriebsrat für die Interessen der Beschäftigten ein.

Sitzheizung, Sportfahrwerk, Lederausstattung: Bis zu 18 Modelle fertigt Audi in seinem Werk in Ingolstadt – und jedes kann vom Kunden individuell zusammengestellt werden. Dass die richtigen Teile zur richtigen Zeit am richtigen Platz an der Montagelinie landen, dafür sorgt der Logistikdienstleister Scherm Tyre & Projekt Logistik mit rund 720 Beschäftigten. Er ist der größte von mehr als 30 Zulieferbetrieben im Güterverkehrszentrum (GVZ) Ingolstadt, die sich dort vor den Audi-Werkstoren angesiedelt haben.


Hohe Anforderungen – niedrige Bezahlung

Scherm Tyre & Projekt Logistik ist unmittelbar in den Produktionsprozess eingegliedert, die Mitarbeiter arbeiten Hand in Hand mit den Kollegen von Audi. Die Anforderungen an die Qualifikation, das Know-how, die Flexibilität und die Belastbarkeit der Beschäftigten sind hoch. Gleich entlohnt werden sie allerdings nicht: „Die gezahlten Löhne und Gehälter liegen bis zu 45 Prozent unter dem Metall- und Elektrotarif der Audi-Stammbelegschaft“, sagt Lothar Klaritsch, Betriebsratsvorsitzender bei Scherm Tyre & Projekt Logistik. „Das wollen wir ändern.“ Auch der erste Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt, Johann Horn, kritisiert die aktuelle Situation: „Diese Arbeits- und Entgeltbedingungen passen weder zur Boom-Region Ingolstadt noch zur Premiummarke Audi. Man kann schon fast sagen, wir haben im GVZ so etwas wie eine Sonderwirtschaftszone.“ Aktuell laufen Sondierungsgespräche zwischen IG Metall und dem Arbeitgeber mit dem Ziel einer Tarifbindung.

Seit 2012 gibt es bei Scherm Tyre & Projekt Logistik einen Betriebsrat. Der hat seitdem schon viel erreicht: Betriebsvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit und Urlaub wurden abgeschlossen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingeführt. „Da lag zuvor einiges im Argen. Die Kollegen haben viele Überstunden geschoben – ohne jegliche Zuschläge. Es gab Kündigungen nach dem Motto ’Deine Nase passt mir nicht – du gehst’“, so Betriebsrat Klaritsch. Das war auch der Grund, warum sich die Mitarbeiter an die IG Metall gewandt hatten und die Etablierung einer Interessenvertretung in Gang kam.

 

Zusammen mehr erreichen

Hier und da gebe es zwar noch Nachholbedarf – im Großen und Ganzen klappe die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung mittlerweile aber ganz gut. Das war jedoch nicht immer so. „Am Anfang war eine klare Ablehnungshaltung da. Man versuchte auch die Mitarbeiter zu überzeugen, dass man keinen Betriebsrat braucht“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Enno Frömert. Die Beteiligung an der Betriebsratswahl von beachtlichen 85 Prozent habe aber klar unterstrichen, dass die Belegschaft das anders sieht. „Einigkeit macht eben stark.“


Entlang der industriellen Wertschöpfungskette

Scherm ist kein Einzelfall. Wo Kontraktlogistik draufsteht, ist klassische Industriearbeit drin. Teile der Produktion oder wichtige Serviceleistungen, die Industrieunternehmen bisher selbst erledigt haben, werden zunehmend ausgelagert. Die Tätigkeiten und Arbeitsabläufe sind dabei integrierte Teile der Wertschöpfungskette eines Industriebetriebs. Für die IG Metall ist dieser Trend eine Herausforderung, die sie offensiv angeht: In erster Linie gilt es, Ausgliederungen zu verhindern. Aber auch dort, wo das nicht möglich ist, lässt sie die Beschäftigten nicht im Regen stehen. Hier setzt sie sich für die Sicherstellung guter betrieblicher Interessensvertretung und Tarifbindung ein – eben wie bei Scherm Tyre & Projekt Logistik in Ingolstadt.


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