24. Februar 2010
Betriebsratsarbeit in der Solarbranche: Conergy
Stimmlos war gestern
Seit einem Jahr gibt es im Solarmodulwerk von Conergy in Frankfurt an der Oder einen Betriebsrat. Mutig, denn wegen der hohen Arbeitslosigkeit in der Region gibt es Ängste. Und in der jungen Branche sind Betriebsräte noch nicht normal.

Auf einer grünen Wiese vor Frankfurt an der Oder, derzeit weiß verschneit: Seit drei Jahren ragt dort das Conergy-Solarmodulwerk auf. Schneeweiß und blitzsauber sind auch die topmodernen Hallen und Maschinen. Und auch in Sachen Arbeitnehmervertretung war hier einst ein weißer Fleck.

Doch vor einem Jahr haben Harald Frick, Henri Willeund Sven Reich Mut gefasst und die Belegschaft versammelt, um einen Betriebsrat zu wählen. „Wir hatten keine Stimme. Nur über Beziehungen zu Vorgesetzten kamman weiter“, erinnert sich der heutige Betriebsratsvorsitzende Harald Frick. „Wir wollten uns endlich eine Bühne eröffnen und Missstände beseitigen.“

Foto: Christian v. Polentz / transitfoto.de
Conergy-Betriebsratsmitglieder: Henri Wille, Sven Reich, Stephanie Köbsch, Harald Frick und Guido Heyder



Missstände

Die Hälfte der 700 Beschäftigten sind Leiharbeiter. Selbst bei den Festangestellten gibt es unterschiedliche Löhne bei gleicher Arbeit. Die Arbeitszeiten: 12-Stunden-Schichten in der Produktion. Der Betriebsrat packt das nun alles an. In kleinen Schritten: Freie Stellen werden endlich offen ausgeschrieben. Eine Reihe Leihbeschäftigter soll fest übernommen werden. Bald kommt ein transparentes Gehaltssystem. Und wo immer möglich bindet der Betriebsrat die Belegschaft über Umfragen ein. „Heute sind wir voll etabliert “, meint Henri Wille. „Aber damals bei der Wahl gab es auch Gegner.“

Nichts geschenkt
„Ein Betriebsrat schreckt Investoren ab“, sagten die Gegner und stellten eine eigene Liste auf. Bei der Wahlversammlung gab es heiße Debatten. Heute arbeiten einstige Gegner engagiert im neunköpfigen Betriebsrat mit. „Ein Betriebsrat ist bürokratisch und bindet unnötig Ressourcen“, sagte die Geschäftsleitung – und bot stattdessen Gespräche in einem „Fab-Team“ (Fabrikteam) an. Doch Frick, Reich und Wille wollten eine echte „Bühne“, mit echten Rechten. Hilfe fanden sie bei der IG Metall Ostbrandenburg: Beratung, Schulung, Rechtsbeistand und Kontakt zu anderen Betrieben.

„Früher war die IG Metall hier etwas Anrüchiges“, erzählt Sven Reich. „Aber wir sehen ja: Betriebe mit starker Gewerkschaft haben bessere Arbeitsbedingungen. Das Bewusstsein wächst jetzt auch in der Belegschaft.“ Die Geschäftsführung war immer fair, betont Frick. „Aber geschenkt bekommen wir hier nichts. Die müssen auch erst noch lernen – etwa dass wir ja auch das Unternehmenswohl im Blick haben.“ So wie bei der von der Bundesregierung beschlossenen Kürzung der Solarförderung: „Kürzung ja. Aber nicht so abrupt. Das gefährdet Arbeitsplätze – und alles, was wir uns hier erarbeiten.“

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