14. Juni 2012
Interessenvertretung in der Solarbranche
Auf Augenhöhe begegnen
Gerade in Krisenzeiten kommt es auf Betriebsräte an. So wie in der Solarindustrie. Einige Unternehmen stehen derzeit mit dem Rücken zur Wand, die Belegschaften bangen um ihre Arbeitsplätze. Ob es mit der Branche wieder bergauf geht, hängt maßgeblich auch davon ab, ob die Unternehmen ...

... Betriebsräten und Beschäftigten auf Augenhöhe begegnen.

In den vergangenen Monaten haben mehrere Solarhersteller in Deutschland Insolvenz anmelden müssen. Der extreme Preisdruck durch Konkurrenz aus China, dessen Bauteile – Zellen und Module – teilweise um ein Drittel billiger sind, ist einer der Gründe für die Branchenkrise. Zudem verunsichert der Streit um die Kürzung der Solarförderung in Deutschland die Branche.

Konstruktive Lösungen
Auf dem Branchendialog Solar, den die IG Metall am 5. Juni initiierte, diskutierten Betriebsräte und Interessenvertreter, wie sie sich diesen aktuellen Herausforderungen stellen können. Denn dass es ohne die Betriebsräte nicht geht, ist offenkundig. Niemand kennt die Probleme so gut wie die gewählten betrieblichen Interessenvertreter. Betriebsräte tragen dazu bei, die Probleme im Betrieb und in der Branche transparent und regelbar zu machen. Das schließt Konflikte nicht aus, öffnet sie aber für Gespräche und die Suche nach konstruktiven Lösungen.

Gerade in der jungen krisengeschüttelten Solarbranche ist die Kompetenz von Betriebsräten so wichtig. Viele Unternehmen sind einmal als „Garagenfirmen“ gestartet und konnten erst einmal mit betrieblicher Mitbestimmung wenig anfangen. Auch Tarifverträge waren lange ein Fremdwort für die Branche. Deshalb ist es ein umso größeres Verdienst der Arbeitnehmervertreter, denen es gelungen ist, zusammen mit der IG Metall Tarifverträge durchzusetzen.

Tarif macht Schule
Es gibt inzwischen einige Beispiele für die positive Wirkung von Tarifverträgen auch in der Photovoltaik-Industrie. Die Unternehmen erkennen, dass die kompetente Mitwirkung von Betriebsräten für die betriebliche Entwicklung unverzichtbar ist. Pionier war die Freiburger Firma Solarfabrik. Dort wurde der erste Tarifvertrag für die Solarbranche geschlossen. Im April 2011 folgte der Tarifvertrag für die Firma Bosch Solar. Für die Beschäftigten an den Standorten Erfurt und Arnstadt sind seitdem Entgelt und Arbeitszeit tariflich geregelt. DieseTarifverträge mit Leuchtturmcharakter machen Mut und sind ein wichtiges Signal für die Beschäftigten der Branche. Derzeit wird bei Aleo in Prenzlau, das zur Bosch-Gruppe gehört, über den Abschluss eines weiteren Tarifvertrages in der Branche verhandelt.

Nur durch tarifvertragliche Regelungen erhalten die Beschäftigten eine größere Sicherheit für die Entwicklung ihrer Einkommen und Arbeitszeiten. Das ermöglicht ihnen eine verlässliche Lebensplanung und bindet sie in hohem Maß an ihren Arbeitsplatz. Nur durch gute Arbeitsbedingungen und attraktive Entgelte kann langfristig gutes qualifiiziertes Personal in der Branche gehalten werden. Bei den Solarfirmen ist die Identifikation der Beschäftigten ohnehin groß, denn viele sind stolz darauf, an einer „sauberen“ Technologie, die Zukunft hat, mitzuwirken. Über die derzeitige Krise und Unzufriedenheit vieler Beschäftigten mit ihren Arbeitsbedingungen droht dieser Indealismus jedoch verspielt zu werden.

Dringender Handlungsbedarf
Im Weißbuch Photovoltaik steht es schwarz auf weiß, was den Beschäftigten unter den Nägeln brennt: Lange Arbeitszeiten, viele Überstunden, schlecht geregelte Schichtarbeit, geringe Entlohnung, exzessiver Einsatz von Leiharbeitern sind die Probleme mit dem drängendstem Handlungsbedarf. Alle diese Themen packen Betriebsräte und IG Metall an.

In den vergangenen drei Jahren ist es gelungen, die Anzahl der Betriebe mit Betriebsratsgremien zu verdreifachen. Dennoch gibt es in der Branche noch viele weiße Flecken. Gerade in Zeiten wachsender Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen ist es aber notwendig, die Interessen der Belegschaften in die betriebsinterne und in die öffentliche Diskussion einzubringen. Betriebsräte und Gewerkschaften haben in der öffentlichen Diskussion um die Branchenentwicklung eine gewichtige Stimme und eine hohe fachliche Kompetenz.

Beteiligung über Betriebsräte
„Ich glaube, dass die Energiewende nur gelingen wird, wenn die deutsche Solarbranche überlebt und gefördert wird“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Christian Kostyra von der Firma Solibro in Bitterfeld. Und das geht nicht ohne die Beschäftigten. Eine hohe Motivation der Belegschaft hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Arbeitsproduktivität. Für Andreas Krumpolt, Betriebsratsvorsitzender von Bosch Solar in Erfurt liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, wie sehr es gelingt, die Beschäftigten an Entscheidungen zu beteiligen. „Die Kollginnen und Kollegen wollen mitreden. Dazu wählen sie Betriebsräte, die ihr Vertrauen haben.“

Gerade die Betriebsräte der Solarbranche sind es, die trotz aller momentanen Schwierigkeiten unbeirrt an die Zukunft der Unternehmen glauben. „In wenigen Jahren wird eine Photovoltaik-Anlage so günstig sein, dass jeder in Deutschland seinen eigenen Strom erzeugen kann“, glaubt Yvonne Sibert, Betriebsratsvorsitzende von SAM Niestetal. Harald Frick vertritt als Konzernbetriebsratsvorsitzender die Interessen der Beschäftigten von Conergy in Frankfurt/Oder. Sein Motto: „Wir sind diejenigen, die die Energiewende machen, darauf können wir stolz sein.“


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