PRESSEMITTEILUNG
Umfrage im Maschinen- und Anlagenbau: Kostenoptimierung statt Investitionen gefährdet Zukunft

Auftragseingänge sinken oder befinden sich bereits auf einem niedrigen Niveau. +++ Mehrheit sieht Klimaneutralität als Chance, doch Investitionen fehlen. +++ Jürgen Kerner: „Gewinne müssen in stärkerem Maße investiert werden.“

21. März 202421. 3. 2024


Frankfurt am Main – Der Maschinen- und Anlagenbau befindet sich in einer angespannten wirtschaftlichen Situation. Die Auftragslage ist aktuell und mit Blick auf die nächsten zwölf Monate niedrig. Das ohnehin zu niedrige Investitionsniveau sinkt, Maßnahmen für Klimaneutralität werden nicht in ausreichendem Maße getätigt und Verlagerungen sind weiterhin auf der Tagesordnung. Das ist das Ergebnis des „Trendmelder 2024“, einer branchenweiten Betriebsrätebefragung der IG Metall. Die Gewerkschaft fordert einen Kurswechsel – und Unterstützung durch die Politik.

„Die Befragung legt massive Defizite der Branche offen und zeigt, dass zu viele Unternehmen die Zeichen der Zeit noch immer nicht verstanden haben. Restrukturierung, Abbau und Verlagerungen sind keine Zukunftskonzepte“, warnt Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. „Der Maschinen- und Anlagenbau kann und muss Treiber der grünen Transformation und der Digitalisierung in der Industrie sein – in Deutschland und darüber hinaus. Ohne innovative Maschinen und Anlagen können vernetzte Fabriken mit digitalen Produktionsprozessen nicht realisiert werden. Ohne energieeffiziente Maschinen, die möglichst wenig Rohstoffe verarbeiten, können die Klima- und Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. Ohne technologische Lösungen des Maschinen- und Anlagenbaus kann der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft nicht realisiert werden.“ Das sei eine Riesenchance für die Branche. Darum müssten die Unternehmen jetzt antizyklisch investieren. „Die in wirtschaftlich guten Zeiten erzielten Gewinne müssen genutzt werden, um den Investitionsstau – auch im Hinblick auf Klimaneutralität – aufzulösen“, fordert Kerner. Auch die Politik sei gefragt: „Die Bundes- und Landesregierungen müssen die Umstellung zum klimaneutralen Maschinen- und Anlagenbau unterstützen und flankieren.“

Investitionen sinken auf niedrigem Niveau weiter

Laut Befragung ist eine Investitionsoffensive in der Branche allerdings nicht erkennbar – im Gegenteil: Die erwartete Entwicklung von Investitionen und Investitionen in Forschung und Entwicklung befindet sich auf dem Niveau von 2020. 13 Prozent der Betriebe planen, die Investitionen zu steigern, 32 Prozent gehen von sinkenden Investitionen aus. Bei 55 Prozent der Betriebe verharren sie auf einem Niveau, das nur 24 Prozent der Befragten die Investitionslage als sehr gut oder eher gut bezeichnen.

Bei der Umstellung auf Klimaneutralität haben die Betriebe noch deutlichen Nachholbedarf. So geben nur 23 Prozent an, dass an ihrem Standort Ziele im Hinblick auf Klimaneutralität formuliert wurden. Bei 29 Prozent ist dies teilweise der Fall, bei 14 Prozent ist die Zielformulierung in Planung, aber 29 Prozent haben dieses Thema noch gar nicht angegangen.

Auftragseingänge befinden sich auf niedrigem Niveau

Insgesamt ist die Situation in der Branche angespannt: Nur 34 Prozent der befragten Betriebsräte bewerteten in der Befragung die aktuelle Auftragslage als sehr gut oder eher gut. 23 Prozent rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit weiter sinkenden Auftragseingängen, 44 Prozent gehen von gleichbleibenden Auftragseingängen aus. 16 Prozent erwarten steigende Auftragseingänge. Dennoch gibt es weiterhin Potential für Investitionen. Immerhin 37 Prozent bewerten die Gewinne noch mit sehr gut oder eher gut. 24 Prozent rechnen mit einem Sinken der Gewinne in den kommenden zwölf Monaten, 43 Prozent gehen von einem gleichbleibenden und 14 Prozent von einem steigenden Niveau aus. Die Beschäftigten spüren bereits die Auswirkungen der Auftragslage: In 35 Prozent der Betriebe werden Arbeitszeitkonten abgebaut und 19 Prozent sind in Kurzarbeit, in weiteren 10 Prozent ist sie geplant.

Fachkräftebedarf verschärft sich weiter

22 Prozent der Befragten rechnen mit sinkenden Stammbelegschaften in den nächsten zwölf Monaten. Bei den Befristeten gehen 35 Prozent und bei den Leiharbeitenden 29 Prozent von einer Reduzierung aus. Die Anzahl an Auszubildenden verharrt auf niedrigem Niveau. Trotz der angespannten Fachkräftesituation bieten nur 20 Prozent mehr Ausbildungsplätze an. Eine qualifizierte Personalplanung fehlt weiterhin in 88 Prozent der Betriebe. „Die Betriebe verschärften durch eigene Fehlentscheidungen ihren Fachkräftebedarf“, warnt Jürgen Kerner.

Politik muss die Branche unterstützen

Um die Arbeitsplätze und Standorte in Deutschlands beschäftigungsstärkster Branche zu sichern, muss nach Überzeugung der IG Metall auch die Politik den Industriestandort Deutschland, deren klimaneutralen Umbau und ihre Betriebsräte stärker unterstützen. Der Maschinen- und Anlagenbau bildet mit seinen Produkten das Fundament für den klimaneutralen Umbau der Industrie, aber dieses Fundament muss angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation politisch gesichert werden. Dazu haben IG Metall und Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Branche ein Positionspapier entwickelt, in dem sie fünf Forderungen an die Bundesregierung richten:

  1. Eine unabhängige europäische Wertschöpfung muss dadurch gestärkt werden, dass zukünftig bei Förderungen heimische Wertschöpfungsketten mit gefördert werden.
  2. Standorte und Beschäftigung müssen dadurch gestärkt werden, dass staatlich finanzierte Forschung auch zur Stärkung heimischer Standorte und Arbeitsplätze beiträgt.
  3. Es muss die Breite der deutschen Industrie gefördert werden und es braucht einfache Zugänge zu Forschungsförderungsberatung, vereinfachte Bewerbungsverfahren und beschleunigte Antrags-, Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren.
  4. Infrastruktur und Daseinsvorsorge müssen stärker durch Investitionen der öffentlichen Hand unterstützt werden. Dafür braucht es die Abschaffung der Schuldenbremse.
  5. Ausbildung und Qualifizierung müssen durch eine Ausbildungsplatzabgabe, eine verbesserte Weiterbildungsförderung sowie verstärkte Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Branche verbessert werden.

Zum vollständigen Positionspapier

Der Trendmelder ist eine seit 2017 jährlich im Frühjahr von der IG Metall durchgeführte Befragung von Betriebsrätinnen und Betriebsräten im Maschinen- und Anlagenbau. Er erfasst ihren Blick auf die Branche. In diesem Jahr wurde er um Fragen zur Klimaneutralität von Produkt und Produktion ergänzt. An der aktuellen Befragung nahmen mehr als 620 Betriebsräte vom 8. Januar bis 2. Februar 2024 teil.

Zu den Befragungsergebnissen

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