Griechenland braucht unsere Solidarität
Gefährliche politische Gemengelage

Das politische Klima in Griechenland wird immer radikaler. Ursachen sind die hohe Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise. Je näher die Europawahl rückt, umso mehr bekommt das rechtsextreme Lager Zulauf. Die Angriffe auf Demokratie, Gewerkschaftsrechte und Tarifautonomie darf Europa nicht länger ...

6. Februar 20146. 2. 2014


... hinnehmen.

In Griechenland ist eine gefährliche politische Gemengelage entstanden. Nach mehreren Jahren massiver Sparpolitik liegt die Wirtschaft darnieder. Mit 28 Prozent hat Griechenland die höchste Arbeitslosenquote in der EU. Bei der Jugendarbeitslosigkeit sind es sogar 60 Prozent. Je näher die Europawahlen rücken, umso mehr rüsten rechtsextreme Kräfte auf. Die verordnete Sparpolitik lähmt den Weg für Aufschwung, Wachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Hunderttausende griechische Arbeiter und Bürger haben die Armutsgrenze überschritten. Dies ist die Folge von Kürzungen bei Löhnen, Sozialleistungen und Renten sowie Steuererhöhungen, die das Strukturanpassungsprogramm ausmachen. Die Arbeiter haben keine andere Wahl als sich zusammenzutun und gegen die Ungerechtigkeiten dieses Teufelskreises von Rezession und Sparpolitik zu protestieren.

Gewerkschafter verhaftet

Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel der krisengeschüttelten griechischen Werftenindustrie Seit 2012 erhalten etwa die Beschäftigten der griechischen Werft Skaramanga kein Gehalt. Der Bau von U-Booten liegt darnieder. Bei einem Streik und Demonstrationen vor dem Ministerium für Nationale Verteidigung der wütenden Werftarbeiter für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kam es zu Auseinandersetzungen. Zehn Gewerkschaftsführer wurden kurzzeitig inhaftiert und angeklagt, darunter auch der Vorsitzende der griechischen Metallgewerkschaft POEM Jannis Stefanopoulos.

Nach Protesten des Industriegewerkschaftsverbandes IndustriAll Europe wurden sie wieder freigelassen. Doch die Gewerkschafter sind jetzt derzeit aufgrund falscher Behauptungen einem Strafprozess ausgesetzt. Sie mussten sich im Oktober 2013 erstmals vor Gericht verantworten. Mehr als 150 Gewerkschaftsführer und -Mitglieder von IndustriAll-Europa-Mitgliedern aus ganz Europa nach Athen kamen, um ihre Unterstützung zum Ausdruck zu bringen, darunter das damalige IG Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer. Das Urteil zu diesem Fall ist bis auf eine zweite Anhörung am 5. Mai 2014 verschoben.

Ausstehende Löhne

Die Auseinandersetzung der kampferprobten Werftarbeiter, die schon in zahlreichen Streiks seit den 80er Jahren eine Veränderung der Werft, bspw. Privatisierung, abwenden konnten, und dem griechischen Verteidigungsministerium, ist beispielhaft für das Schicksal griechischer Staatsbetriebe. Die griechischen Arbeiter und Gewerkschaftsführer brauchen die Unterstützung der europäischen Beschäftigten. IndustriAll Europe appelliert deshalb, eine Petition zur Unterstützung der Angeklagten zu unterzeichnen. Die Anklagen gegenüber den Gewerkschaftskollegen müssen fallen gelassen werden. Die Arbeiter von Skaramanga haben Anspruch auf ihre ausstehenden Löhne und eine angemessene Lösung für ihre prekäre Lage.

IndustriAll Europe fordert außerdem die griechischen Behörden und die Troika auf, die Angriffe auf Tarifverträge und die Autonomie der Gewerkschaften einzustellen. Es ist nicht akzeptabel, dass die griechischen Behörden gerade diejenigen belasten, die gegen jene Ungerechtigkeiten demonstrieren, anstatt die eigentlichen Probleme zu lösen: nämlich die unverzügliche Auszahlung ausstehender Löhne zu veranlassen.

Politische Gewalt

Nicht nur der Konflikt um die Skaramanga-Werft zeigt, wie sehr die griechische Gesellschaft inzwischen radikalisiert ist. Viele Menschen sind von Europa enttäuscht. Sammelbecken der politischen Kräfte, die blind sind vor Wut auf Europa, ist die Partei „Goldene Morgenröte“, auf Griechisch „Chrysi Avgi“. Im September vergangenen Jahres wurde ein linksgerichteter Rapper von einem Mann aus dem Umfeld der „Goldenen Morgenröte“ getötet. Danach hatte die griechische Regierung energische Schritte zur Eindämmung der politischen Gewalt angekündigt.

Die Staatsanwaltschaft sucht seither nach Belegen, um der „Morgenröte“ die systematische Verübung von Straftaten nachzuweisen und sie verbieten zu können. Wenn es dazu kommen sollte, haben Vertreter der „Morgenröte“ bereits angekündigt, einen Ableger der Partei zu gründen, der dann auf jeden Fall zur Europawahl antritt. Die rechtsextreme Partei hat gute Aussichten, bei der Europawahl im Mai die drittstärkste griechische Fraktion nach Straßburg zu entsenden.

Die Entwicklung in Griechenland zeigt, dass Europa eine Alternative braucht zu einer Politik, die zu wirtschaftlicher Schwächung, Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen führt. Die verschärfte Politik der Troika von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission hat Griechenland in die Sackgasse geführt. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und der europäische Industriegewerkschaftsverband IndustriAll fordern stattdessen ein europaweites Zukunftsprogramm mit Investitionen für nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze.

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