2013: 80. Jahrestag der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser
Auf den Spuren des Widerstands

Nazis im Land – das bedeutet Gewalt, Verfolgung, Mord. Auch für Gewerkschafter. Damit das ein Thema bleibt, werben Olivier Höbel und Günter Morsch aus Berlin für das „Projekt 2013“.

29. November 201129. 11. 2011


Am 2. Mai 1933 stürmten SA-Truppen die Häuser der freien deutschen Gewerkschaften. Kurz darauf fanden sich Hunderttausende in der autoritären „Arbeitsfront“ wieder. Und im KZ.Wehrte sich niemand?

Günter Morsch: Ihr Gewerkschafter könnt stolz sein auf Eure Kolleginnen und Kollegen von damals. Sie haben widerstanden, viel mehr, als man heute noch weiß. Die Metaller gaben den Nazis das stärkste Kontra. Deshalb bildeten sie auch die größte Gruppe von Inhaftierten in Konzentrationslagern – beispielsweise hier in Sachsenhausen und Oranienburg bei Berlin. Gedenktafeln erinnern daran.

Warum weiß die breite Öffentlichkeit so wenig darüber?
Morsch:
Weil sich Gewerkschaften bei uns seit der Nachkriegszeit stark auf ihre nächsten Ziele für ein besseres Leben ihrer Mitglieder orientierten. Ihre Errungenschaften stellen sie dabei kaum heraus. Das finde ich schade – als Geschichtswissenschaftler und als Gewerkschafter.

Was sagt der Metaller?
Olivier Höbel:
Professor Morsch hat Recht. Jährlich erinnert sich die Republik an das Attentat der Offiziere des 20. Juli 1944, mit dem Hitler beseitigt werden sollte. Verglichen mit dem bürgerlichen Widerstand ist der der Arbeiter und kleinen Angestellten seit 1933 einfach unterbelichtet.

Auf dem Gewerkschaftstag im Oktober hast Du eine Initiative gestartet, das zu ändern . Höbel: Ja. 2013, zum 80. Jahrestag der Erstürmung unserer Gewerkschaftshäuser, werden wir dem Widerstand unserer Kolleginnen und Kollegen von damals ein öffentliches Gesicht geben. In möglichst vielen Gewerkschaftshäusern wollen wir in Berlin, Brandenburg und Sachsen mit aussagekräftigen Ausstellungen und phantasievollen Aktionen daran erinnern. Wir regen an, dass das überall in der IG Metall aufgegriffen wird.

Also wird jetzt Geschichte von unten geschrieben?
Höbel:
Genau. Gewerkschaftsaktivisten gehörten zu den ersten Opfern des Naziterrors. In vielen regionalen Projekten sollten wir vor Ort genau nachschauen: Wird in meiner Stadt, meiner Verwaltungsstelle, meiner Region an Metallerinnen und Metaller erinnert, die im Widerstand waren? Können wir über diese Personen, ihr Handeln und ihr Schicksal mehr herausfinden? Wie können wir ihre Zivilcourage und ihren Mut ehren und sichtbar machen? Ihr Beispiel ist Vorbild im Kampf gegen Neonazis heute.

Was schließt der Historiker aus den Schicksalen der verfolgten Gewerkschafter?
Morsch:
Die Gewerkschaften, besonders die IG Metall, kommen aus dem Widerstand. Er ist Teil ihrer Kultur. Die Erinnerung daran aufzufrischen ist wichtig. Seit ich 1993 die Leitung der Gedenkstätte im ehemaligen KZ Sachsenhausen übernahm, war mein Anliegen, an die gefolterten und ermordeten Gewerkschafter zu erinnern, dies zu dokumentieren und das Gedenken an diese zum Schweigen gebrachten Widerstandskämpfer zu popularisieren. In Zusammenarbeit mit Studenten der Freien Universität Berlin entstanden drei Bände mit Biografien von Gewerkschaftern aus den Lagern in Oranienburg und Sachsenhausen. Daraus entwickelten wir eine Wanderausstellung. Diese wird nun „von unten“ aufgefüllt – dank des Engagements der IG Metall. Wir helfen Interessierten bei ihrer Recherche gern weiter: Es gibt viel Material, mit dem sie ihre Verfolgten vor Ort identifizieren können.

Wie kann man sich beteiligen? Und wie sieht die weitere Planung des Projekts aus?
Höbel:
Drei Initiativen werden die Chance erhalten, mit Unterstützung unseres Bildungszentrums Berlin sowie der Gedenkstätte und des Museums in Sachsenhausen an ihrem Projekt auch nach 2013 weiterzuarbeiten. Sie können zum Beispiel eine Gedenktafel, eine Ausstellung oder eine Broschüre erstellen. Egal ob Einzelperson, Verwaltungsstelle oder eine Interessengruppe: Alle können sich melden und bei dem „Projekt 2013: Auf den Spuren des Widerstands“ mitmachen.

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