Herbstaktivitäten: Höchste Zeit für einen Kurswechsel
Metallerinnen und Metaller machen mobil

Überall in Deutschland machen Beschäftigte mobil: gegen Leiharbeit, gegen das Sparpaket, gegen die Rente ab 67, für Perspektiven für die Jungen, für eine gerechte Verteilung der Krisenlasten und für einen starken Sozialstaat. Wir zeigen beispielhaft acht Betriebe, in denen spannende Aktionen laufen.

2. November 20102. 11. 2010


Stuttgart-Feuerbach im Oktober. Ein sonniger, heißer Herbsttag. Auf der Vertrauensleuteversammlung beim Automobilzulieferer Bosch wird lautstark diskutiert. Fast 150 Aktive sind gekommen. Auf der Tagesordnung: die Herbstaktivitäten der IG Metall. „Ich habe den Eindruck, die Leute wollen sich einmischen und etwas verändern“, sagt Vertrauenskörperleiter Frank Köppel. „Die Themen kommen gut an“, erklärt auch Vertrauensfrau Ottilie Speer, die bei Bosch in der Patentabteilung arbeitet.

Für ein gutes Leben
Bosch in Feuerbach ist kein Einzelfall. Überall in Deutschland machen Metallerinnen und Metaller mobil: gegen Leiharbeit, gegen das Sparpaket, gegen die Rente ab 67, für Perspektiven für die Jungen, für eine gerechte Verteilung der Krisenlasten und für einen starken Sozialstaat. Überall laufen in den Betrieben kleine und große Aktionen.

„Viele Menschen bringen Zeit und Ideen ein, um für einen Kurswechsel in Politik und Wirtschaft zu streiten. Die regionalen Aktivitäten kommen gut an“, beobachtet der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel. Die IG Metall liegt also mit ihren Forderungen genau richtig. Das bestätigen auch aktuelle Umfragen: 86 Prozent der jungen Menschen fordern, der Wirtschaft engere Vorgaben zu machen und 72 Prozent lehnen das Sparpaket der Bundesregierung ab.

Doch von alleine ändert sich nichts. Jeder muss was tun: rausgehen und mit Kollegen, Freunden und der Familie reden. Wetzel: „Wir müssen so viele Menschen wie möglich bei unserem Kurswechsel für ein gutes Leben mitnehmen. Viele warten darauf, etwas zu tun.“ Bei Bosch in Feuerbach steht noch ein weiteres Ziel ganz oben auf der Tagesordnung: „Es ist auch ein guter Zeitpunkt, neue Menschen für die IG Metall zu begeistern“, sagt Vertrauenskörperleiter und Betriebsrat Frank Köppel.

Proteste gegen die Rente mit 67 in Bremen


Mehr als 2500 Menschen haben heute bei einer Demonstration und Kundgebung von Gewerkschaften und Sozialverbänden in Bremen gegen die Rente mit 67 protestiert. „Die Empörung über die Rente mit 67 sitzt tief. Bei Daimler ist es zu Produktionsausfällen gekommen, weil sich Beschäftigte an dem Protest beteiligen wollten“, sagte Volker Stahmann, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Bremen.

Mit Blick auf die Überprüfungsklausel in dem Gesetz , sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel: „Das Prüfprotokoll ist eindeutig: Die “Rente mit 67„ fällt wegen erheblicher Mängel beim Arbeitnehmer-TÜV durch.“ Nur knapp zehn Prozent der 64-jährigen hätten heute noch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Über 90 Prozent seien bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden.

Weitere Informationen zu den Protesten gibt es auf der Website der IG Metall Küste, Bilder auf dem Facebook-Profil der IG Metall.

7. Oktober in Flensburg. Foto: Cordula Kropke

Ketten klirren. Bleibt einer im Overall stehen, wird er sofort vom „Verleiher“ weitergezerrt. Denn Pausen gibt es für die „Sklaven“ nicht. Diese drastischen Szenen sind noch nicht Realität, sondern eine Aktion von Jugendlichen aus Flensburger Betrieben. Sie machten am „Tag gegen prekäre Beschäftigung“ darauf aufmerksam, was es bedeuten kann, Leiharbeitnehmer zu sein. Als junge Menschen sind sie besonders von Leiharbeit betroffen.

Werft-Schweißer Jeff Lohrheit erzählt: „Freunde von mir werden nicht übernommen, sollen dann aber als Leiharbeitnehmer wieder anfangen.“ Damaris Fandrey von Danfoss berichtet, dass 90 Prozent aller Stellen als Leiharbeit ausgeschrieben werden. Der „Sklavenmarsch“ war der Auftakt zu einer Reihe von Aktionen in Flensburg. Um die Bevölkerung zu erreichen, gehen die Flensburger Metaller raus aus den Betrieben und in die Städte. Absoluter Höhepunkt: ein Karnevals-Umzug am 11. November. Solch einen Umzug gab es in der norddeutschen Stadt noch nie.

Weitere Informationen: igmetall-flensburg.de

7. Oktober in Koblenz. Foto: Godehard Juraschek

Die Firmenleitung drohte: „Das hat ein Nachspiel und juristische Konsequenzen.“ Der Betriebsratsvorsitzende von Stabilus in Koblenz, Hermann-Josef Höfer (rechts) blieb unbeeindruckt und zog das Ding durch: Erst eine Sprechstunde für die Leiharbeitnehmer beim Betriebsrat, an der 30 Beschäftigte teilnahmen. Dann ging es mit dem Bus zur Kundgebung zu den Kolleginnen und Kollegen bei TRW.

Die Leiharbeitnehmer in beiden Betrieben haben dieselben Probleme. Niedrige Stundenlöhne, zu geringe Einstufung und die nagende Ungewissheit, ob man mal eine Festanstellung bekommt. Da ist Solidarität gefragt. „Gestaltung von fairer Leiharbeit hat für uns höchste Priorität“, sagt Höfer. „Wir bleiben am Ball, auch gegen den Druck von oben.“

Weitere Informationen: igmetall-koblenz.de

7. Oktober in Cottbus. Foto: fmz

„Gleiches Geld für Leiharbeitnehmer. Das hat die IG Metall in der Stahlbranche geschafft, und das können wir auch für Euch erreichen, wenn Ihr alle mitmacht“, erklärt Betriebsratsvorsitzender Hans Jürgen Klopfleisch (rechts) einigen Leiharbeitnehmer im Vattenfall-Kraftwerk Jänschwalde.

Am Welttag für menschenwürdige Arbeit gab es zum ersten Mal für alle das Gleiche in die Tüte: Knackwürste, Getränke, Bonbons und eine Beitrittserklärung. SIK ist für die Instandhaltung sämtlicher ostdeutscher Großkraftwerke zuständig. Für Auftragsspitzen bei größeren Reparaturaufträgen werden oft mehrere hundert Leiharbeitnehmer angeheuert. Die Bilanz der Tüten-Aktion: „Die Kollegen waren aufgeschlossen. Viele schütteten uns ihr Herz aus.“

Weitere Informationen: suedbrandenburg.igmetall.de

8. Oktober in Augsburg. Foto: Stefan Puchner

Hunderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von MAN Diesel & Turbo in Augsburg setzten ihre Unterschriften auf Bälle gegen die „Rente mit 67“. Zuerst in der „Kaltverpflegungsstelle“, dann im ganzen Betrieb.

Wie kaum ein anderes Thema erhitzt die Aussicht, länger arbeiten zu müssen, die Gemüter. Viele Beschäftigte haben Angst, das nicht zu schaffen. Nicht nur Ältere, sondern vor allem Junge. Mit ideenreichen Aktionen – wie „Betriebs-Apotheken“ und „Krankenwagen“ – machen sie ihrer Wut über die Rentenerhöhung Luft. So bereiten sich Augsburger Betriebe wie MAN auf den großen Aktionstag am 13. November in Nürnberg vor.

Weitere Informationen: igmetall-augsburg.de

11. Oktober in Remscheid. Foto: Thomas Range

Das Gebrüll zog schnell die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Einige blieben stehen und schauten unsicher auf das seltsame Trüppchen. Auf den jungen Mann im Anzug, die angsteinflößenden Bodyguards und die jugendlichen Obdachlosen.

„Noch nichts vom Sparpaket gehört? Das ist unser Geld“, schnauzte der Anzugträger und riss den Obdachlosen das Kleingeld aus dem Becher. Natürlich alles nur Theater. Und auch nur die Probe. Anfang November wollen die Jungs und Mädels aus verschiedenen Remscheider Betrieben mit ihrem kleinen Schauspiel in der Einkaufsstraße auftreten, das Stück filmen und anschließend im Betrieb zeigen.

Christina Wolters spielt einen der Bodyguards. Im richtigen Leben lernt sie Werkstoffprüferin bei der Firma Leistritz. 2Politik muss gar nicht so trocken sein2, sagt die 21-Jährige. „Es kann auch Spaß machen, sich einzumischen.“ Das Ziel: Andere dazu bewegen, bei den Aktionen mitzumischen.

Weitere Informationen: igmrsg.de


11. Oktober in Stuttgart. Foto: Jürgen Pollak

Zehn Minuten lang suchte der Produktionsleiter, bis ihn ein Vertrauensmann endlich über die Plakate in der Kantine, an den Werktoren und an der Tür des Betriebsrats aufklärte. Die weißen Zahlen auf schwarzem Grund, die „13.11.“, stehen für das Datum der IG Metall-Großkundgebung in Stuttgart gegen das Sparpaket.

„So kommen wir ins Gespräch mit den Meistern und den Beschäftigten“, erklärt Betriebsrat Frank Köppel. Bei Bosch in Feuerbach stehen die Vertrauensleute mit vielen Aktionen in den Startlöchern. Nächster Meilenstein: Das Sparpaket geht zurück nach Berlin.

Weitere Informationen: stuttgart.igm.de

30. Oktober in Wolfsburg. Foto: Stefan Sobotta

Im Betrieb erkennt sie jeder am kleinen Anstecker. „Ich habe Angela Merkel mein letztes Hemd gegeben“, steht darauf und der Träger meint es ernst. Seit Wochen kramen die VWler in ihren Kleiderschränken Hemden hervor, schleppen sie ins Werk und bemalen sie (wie hier auf dem Bild) mit ihrer Botschaft an die Kanzlerin.

„Wir geben unser letztes Hemd“, heißt die Aktion, die in Wolfsburger Betrieben läuft. Hunderte Botschafts-Hemden sind schon zusammengekommen. Ende Oktober spannen die Wolfsburger eine Wäscheleine quer durch die Innenstadt und hängen ihre Botschaften auf.

Weitere Informationen: igmetall-wob.de
Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen