ZF Friedrichshafen unterzeichnet Rahmenvereinbarung
Erfolg für soziale Mindeststandards

Auf der internationalen Bühne veranstalten Staaten oft ein Trauerspiel, sollen sie soziale Mindeststandards für Arbeitnehmer umsetzen. Gewerkschaften gehen das Problem deswegen auf Konzernebene an. Einen Erfolg verbuchten sie jüngst in Friedrichshafen.

17. Oktober 201217. 10. 2012


Es war nur ein Punkt – aber der mit den Sprungfedern unter den Füßen: Vor einem Jahr hatte die ZF Friedrichshafen AG ein Grundsatzpapier verabschiedet, in dem sich der Konzern zur sozialen Verantwortung gegenüber seinen Beschäftigten bekennt. Doch handfest war dieses bloße Bekennen nicht. Auf weitere Initiative der IG Metall und Arbeitnehmervertretern hat ZF nachgelegt: Die klar ausformulierte Umsetzung der Bestimmungen ist jetzt in der Vereinbarung „Grundsätze sozialer Verantwortung“ aufgenommen. Und das kommt vor allem den Beschäftigten der ausländischen ZF-Standorte zugute, die beispielsweise nach Arbeitsunfällen nicht nur mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen haben.

Vereinbarung konzernweit gültig

„Das Papier entspricht jetzt den IG Metall-Standards“, sagt Lilo Rademacher, die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben und Aufsichtsrätin bei ZF. Wohlgemerkt: für alle Standorte des Antrieb- und Fahrwerktechnikherstellers. Daher reisten zur vergangenen Sitzung des europäischen Betriebsrats von ZF auch zwei Arbeitnehmervertreter aus Brasilien an, als über die Umsetzung diskutiert wurde. Für sie könnte sich viel verändern.

In der Region Sorocabe, am ältesten Auslandsstandort von ZF, hoffen rund 6000 Beschäftigte auf bessere Arbeitsbedingungen. „Nach Unfällen an Maschinen kommt es oft zu Problemen mit dem Arbeitgeber“, sagt Rademacher. Brasilianische Unternehmen seien zwar dazu verpflichtet, Arbeiter, die infolge solcher Verletzungen nicht mehr voll einsatzfähig sind, weiterzubeschäftigen. Doch einige Werksleitungen versuchten sich davor zu drücken. „Das ist dort oft der Fall“, sagt Rademacher. Erst vor einigen Wochen gingen Beschäftigte in Sorocabe aus Wut über die Verhältnisse und für ihre Rechte auf die Straße.

Umsetzung auf konkreten Weg gebracht

„Bei der Vereinbarung handelt es sich um Mindestnormen“, sagt Rademacher über die ersten elf Punkte. Der neue Punkt 12 sorgt nun für deren Umsetzung. Beispielsweise müssen die Beschäftigten schlicht über ihre Rechte informiert werden. Was beispielsweise bedeutet, dass Arbeitnehmervertreter die Vereinbarung in einer brasilianischen Übersetzung in den Werkshallen auslegen. Die örtlichen Geschäftsleitungen müssen Ansprechpartner für Probleme benennen, und „Die Konzernrevision leitet bei Hinweisen auf Verstöße entsprechende Maßnahmen ein“, heißt es in der Vereinbarung. „Es muss weltweit bei allen Geschäftsführern, auch in Brasilien, Anerkennung finden“, sagt Rademacher. An dieser Stelle könnte noch Überzeugungsarbeit nötig sein, vermutet sie.

Für menschenwürdige Arbeitsnormen – weltweit

Bei dem in Friedrichshafen unterzeichneten Papier handelt es sich um eine sogenannte Internationale Rahmenvereinbarung (IRV). Solche Übereinkünfte unterzeichnen einzelne Konzerne, die Auslandsstandorte besitzen. Die ursprüngliche Idee war und ist, die Situation von Beschäftigten weltweit über die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zu verbessern, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Die Schwerpunkte der ILO sind, menschenwürdige Arbeitsnormen zu formulieren und umzusetzen – also die Globalisierung möglichst fair zu gestalten. Und allgemein konnte die ILO die Vertreter aus Politik, Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch für ihre sozialen Kernpunkte gewinnen, etwa gegen Kinderarbeit.

Rechtsgrundlage: Regierungen sind gefragt

Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass es mit allgemeinen Absichtserklärungen nicht getan ist, und Sanktionen kann die ILO nicht verhängen. „Deswegen möchten wir die großen, internationalen Organisationen dazu bewegen, von ihren Mitgliedern soziale Mindestanforderungen zu verlangen“, sagt Claudia Rahman, Expertin für Internationale Gewerkschaftsarbeit der IG Metall. Dazu würde etwa die Vereinigungsfreiheit gehören und ein Verbot von Kinderarbeit. Schließlich habe beispielsweise die Welthandelsorganisation (WTO) Einfluss auf ihre rund 150 Mitglieder. Würden deren Mitgliedsstaaten die ILO-Normen in geltendes Recht umsetzen, hätten Arbeitnehmer eine Grundlage, mit der sie vor Gericht ziehen könnten. Denn an oberster Stelle sind es die jeweiligen Regierungen, die die Gesetze und Spielregel in ihren Ländern vorgeben.

Kein Vorankommen auf internationaler Bühne

Jedoch konnte auf internationaler Ebene bislang kein Entwurf fußfassen, der viele Staaten unter einem Dach wie dem der Welthandelsorganisation zu den selben, sozialen Spielregeln verpflichten würde. Und auch wenn sich ein Staat zu Arbeitnehmerrechten bekennt, ist das oft nur ein Teilerfolg. „Es kann trotzdem passieren, dass Regierungen die Vereinbarungen nicht konsequent überwachen, Richter bestochen werden oder sich Verhandlungen bewusst über Jahre hinziehen“, sagt Rahman. „So werden Kläger regelrecht ausgehungert.“ Die Internationalen Rahmenvereinbarungen gehen das Problem deswegen von unten über einzelne Unternehmen an – aber mit ähnlichen Ansätzen. Heute berät die IG Metall auf einer Tagung, wie sich die sozialen Mindeststandards solcher Vereinbarungen noch systematischer umsetzen und überwachen lassen.

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