Weltklimagipfel: Unsere Metallerin in Kopenhagen
„Grüne Arbeit muss auch Gute Arbeit sein“

Auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen sind die Gewerkschaften ebenfalls vertreten. Sie wollen, dass in ein zukünftiges Weltklimaabkommen auch faire und soziale Kriterien einbezogen werden. Angelika Thomas ist für die IG Metall dabei. Sie ist beim Vorstand zuständig für Umweltfragen. Wir ...

15. Dezember 200915. 12. 2009


... sprachen mit ihr über Chancen für zukunftsfähige Arbeitsplätze, die der Klimaschutz bietet.

Angelika, die IG Metall fordert seit Jahren eine Energiewende hin zu einer CO2-armen Energieerzeugung. Als Vertreterin der IG Metall musst du auch die Interessen der Beschäftigten in der Automobil- und der Stahlindustrie im Blick haben. Bedeutet das einen Spagat oder lassen sich die Interessen vereinbaren?
Ohne Klimaschutz geht es nicht. Das sehen auch unsere Kolleginnen und Kollegen in der Automobil- oder in der Stahlindustrie so. Wir müssen die Industrie auf eine CO2-arme Produktionsweise umstellen. Das ist unsere Zukunftsoption, die im übrigen für alle Branchen gilt. Langfristig werden vor allem die Unternehmen die Nase vorn haben, die rechtzeitig auf energie- und ressourceneffiziente Technologien setzen. Klimaschutz bietet so auch eine Chance für mehr Arbeitsplätze. Gleichzeitig dürfen wir nicht übersehen, dass der Strukturwandel in einzelnen Branchen auch zu Arbeitsplatzverlusten führen kann. Für die IG Metall kommt es darauf an, den ökologischen Umbau der Industrie aktiv zu gestalten, damit die Veränderungen nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen.

Fast genau vor einem Jahr gingen mehr als 11 000 Stahlarbeiter in Brüssel auf die Straße und forderten, dass auch weiterhin die Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt werden. Was könnten strengere Regeln beim Ausstoß von Kohlendioxid für die Arbeitsplätze in der Aluminium- und Stahlindustrie bedeuten?
Die Stahlkolleginnen und -kollegen sind ja nicht gegen den Emissionshandel auf die Straße gegangen. Im Gegenteil, auch die IG Metall hat sich immer für ein europäisches Emissionshandelssystem und für ambitionierte Ziele bei der CO2-Reduktion eingesetzt. Wir müssen aber auch im internationalen Wettbewerb bestehen können und dürfen nicht durch einseitige Kostenbelastungen in Europa einen Verlagerungsdruck in Länder ohne Emissionshandel erzeugen. Das nützt auch dem Klima nichts, denn in Deutschland stehen mit die effizientesten und damit CO2-ärmsten Stahlwerke weltweit.

Die Beschäftigten dort befürchten, dass es zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb kommt und haben Angst um ihre Arbeitsplätze in Deutschland. Ist das berechtigt?
Die IG Metall hat sich gerade deshalb für ein starkes weltweites Klimaschutzabkommen ausgesprochen. Deshalb sind den internationalen Gewerkschaften die Verhandlungen in Kopenhagen auch so wichtig. Klimaschutz kann nicht allein national gelöst werden. Das geht nur mit internationalen Lösungen und dafür brauchen wir ein bindendes Abkommen mit fairen Wettbewerbsbedingungen. Wir wollen, dass ein internationaler Wettbewerb um die effizienteste und somit CO2-ärmste Stahl- oder Aluminiumproduktion entsteht und nicht ein Standortwettbewerb zwischen Nationen, die mit den niedrigsten Kosten für CO2-Emissionszertifikate werben.

In den Medien geben sich die Unternehmen gerne einen „grünen Anstrich“. So sagte vor kurzem Siemens-Chef Peter Löscher, dass Umweltschutz eine Frage von Technologie, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg sei. Sind das nicht alles nur Phrasen? Was müssten denn die Unternehmen tun, damit die CO2-Emmissionen tatsächlich reduziert werden?
Nur grün Anstreichen allein reicht in der Tat nicht. Aber das hat Herr Löscher auch nicht gemeint. Siemens macht inzwischen ein Viertel seines Umsatzes mit Umwelttechnologien und konnte in diesen Feldern trotz Wirtschaftskrise ein Umsatzplus erzielen. Das schafft natürlich auch Chancen für zukunftsfähige Arbeitsplätze. Gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau kann als Technologielieferant viel zur Lösung der Klimakrise beitragen. Andererseits ist der Umbau hin zu einer kohlenstoffarmen Produktionsweise kein Selbstläufer. Noch viel zuwenig Unternehmen investieren in grüne Technologien. Allein wenn wir die bereits vorhandenen Technologien auch flächendeckend einsetzen würden, könnten 30 bis 40 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden.

Kann der Einsatz regenerativer Energien den globalen Energiebedarf abdecken?
Natürlich nicht sofort, aber langfristig werden wir das schaffen. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2020 zwanzig Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken. Bis 2050 sollen es fünfzig Prozent sein. Das ist realistisch zu schaffen und ich persönlich glaube, wir können dieses Ziel schon früher erreichen.

Wie schätzt du die Chancen ein, dass es auch aus gewerkschaftlicher Sicht zu einem tragfähigen Abkommen kommt? Lassen sich ökologische Anforderungen mit der Arbeitswelt vereinbaren?
Grüne Arbeit muss auch Gute Arbeit sein. Dazu gehören faire Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne. Die Gewerkschaften wollen, dass in ein zukünftiges Weltklimaabkommen auch soziale Kriterien einbezogen werden. In der „World of Work“, das die Gewerkschaften zur Zeit in Kopenhagen veranstalten, geht es um diese Themen. Außerdem fordern die Gewerkschaften Antworten auf die Fragen: Welche Folgen hat der Strukturwandel für die Beschäftigten? Wo sind Arbeitsplätze gefährdet? Welche Perspektiven bieten wir den Menschen in diesen Regionen?

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen