11. April 2011
Interview mit dem neuen Bezirksleiter Küste
Meinhard Geiken – beharrlich und nah bei den Menschen
Die IG Metall Küste hat einen neuen Chef: Der Flensburger Meinhard Geiken (53) ist heute vom Vorstand der IG Metall zum neuen Bezirksleiter des nördlichsten der sieben Bezirke berufen worden. Der gelernte Betriebsschlosser und Diplom-Volkswirt tritt zum 1. Mai 2011 die Nachfolge von Jutta ...

... Blankau an, die seit Ende März Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg ist. Wir sprachen mit ihm über seinen bisherigen Weg und seine neuen Aufgaben bei der IG Metall.

Der Wechsel kam für viele überraschend – für dich auch?
Meinhard Geiken:
Ja, auch für mich. Ich war überrascht, dass Jutta in die Politik geht. Als sie mich fragte, ob ich mir ihre Nachfolge vorstellen könnte, habe ich es mir genau überlegt. Nach Gesprächen mit Kollegen war mir klar: Sie trauen es mir zu. Und danach habe ich Ja gesagt. Es ist eine großartige Herausforderung.

Jugendvertreter, Vertrauensmann, Gewerkschaftsekretär, Bevollmächtigter und jetzt Bezirksleiter: Das klingt nach einer geplanten Karriere?
Geplant war da gar nichts. Die ehrenamtliche Arbeit im Betrieb hat mir immer Spaß gemacht. Deshalb wollte ich zunächst nicht hauptamtlicher Metaller werden. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich Anfang der 1980er Jahre dann aber nicht mehr als Maschinenschlosser arbeiten und habe ich mich für das Studium an der HWP, der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg, entschieden. Danach bin ich politischer Sekretär in Gelsenkirchen und anschließend in Flensburg geworden.

Was bringst du für den Job des Bezirksleiters mit?
Ich bin in einer kleinen Verwaltungsstelle groß geworden und kenne deshalb viele kleine und mittlere Betriebe. Ich weiß, wie Betriebsräte und ehrenamtliche Kollegen ticken und welche Probleme sie haben. Und ich kann die Kolleginnen und Kollegen zusammenführen. Die unterschiedlichen Branchen des Bezirks sind mir vertraut: In der Automobilindustrie, bei VW, habe ich selbst zehn Jahre gearbeitet. Die Werftindustrie habe ich durch die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft kennengelernt. Nach dem Konkurs 1986 haben Geschäftsleitung, Betriebsrat und IG Metall gemeinsam eine Vision entwickelt, wie sich die Werft gestalten lässt. Daraus ist eine der erfolgreichsten Werften Deutschlands geworden.

Werften und Automobilindustrie: Werden das auch künftig deine Schwerpunkte im Bezirk sein?
Dazu kommen die erneuerbaren Energien. Nach der Katastrophe in Japan werden wir da einen Aufschwung erleben. Davon werden die Windkraftbranche und hoffentlich auch die Werften beim Bau von Spezialschiffen für die Errichtung von Offshore-Anlagen profitieren. Aber auch das Handwerk ist wichtig. Bei uns in Flensburg sind ein Drittel der erwerbstätigen Mitglieder aus diesem Bereich. Dazu kommt selbstverständlich die Luftfahrtindustrie, wo ich mich bislang aber noch nicht genügend auskenne.

Du hast lange Erfahrung als Bevollmächtigter: Wie gehst du bei der Arbeit vor?
Bevor man Probleme angeht, sollte man erst einmal in Ruhe darüber nachdenken. Das heißt: zuhören und mit den Leuten über neue Gedanken reden, auch wenn sie zunächst abwegig scheinen. Erst danach lassen sich Schlussfolgerungen ziehen. Beteiligung bedeutet auch, dass ich mich zurücknehmen kann, ohne dass ich gleich eine vorgefertigte Meinung habe. Für das, was ich dann sage, lebe und streite ich. Und ich bin auf meine eigene Art durchsetzungsfähig, vor allem beharrlich.

Wie begeisterst du Menschen für die Gewerkschaft?
Das geht nur, wenn man davon überzeugt ist und es lebt. Auch meine Nachbarn wissen, dass ich Gewerkschafter bin und für uns Arbeitnehmer Position einnehme. Ob jemand Mitglied der IG Metall wird, hängt aber vor allem von der Ansprache im Betrieb ab. Wenn die anderen Kolleginnen und Kollegen von der Gewerkschaft überzeugt sind und wir sie ernst nehmen, werden wir auch noch mehr Menschen für die IG Metall begeistern können.

Wie bist du zur IG Metall gekommen?
Über die Bildungsarbeit: Ich wollte an den Wochenendseminaren der IG Metall teilnehmen. Da waren spannende Leute und es ging um interessante Themen. Deshalb bin ich als Auszubildender eingetreten. Grund war auch mein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Was Solidarität und eine starke Gemeinschaft bedeuten, habe ich dann bei VW in Emden erfahren.

Ist die Tarifrunde 2012 die erste Bewährungsprobe für dich?
Nein, die liegt davor. Wir müssen die Forderung vorher diskutieren und sie muss mitgetragen werden. Nur dann werden sich die Menschen auch in der Tarifrunde engagieren und wir die Stärke haben, um uns in den Verhandlungen durchzusetzen. Es wird um höhere Löhne, aber wohl auch um Leiharbeit gehen. Es ist richtig, dass Betriebe ein bestimmtes Maß an Flexibilität brauchen. Bevor die Betriebe aber Leiharbeit nutzen, müssen sie intern alle Möglichkeiten ausloten. Wenn man über Flexibilität spricht, muss immer gelten: intern geht vor extern. Und wir fordern „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ sowie eine zeitliche Befristung der Leiharbeit.

Wie schaltest du ab?
Ich bin ein Familienmensch. Das heißt nicht, dass ich jeden Abend zuhause sein muss. Aber wir besprechen die Probleme gemeinsam. Gut abschalten kann ich bei Brettspielen mit der Familie. Einmal im Jahr geht es gemeinsam in den Skiurlaub. Und Plattdeutsch: Wenn ich das mit alten Freunden in Ostfriesland reden kann, ist das Entspannung für mich.

Zur Person:
Der 53-jährige Diplom-Volkswirt Meinhard Geiken ist seit seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser im VW-Werk Emden in der IG Metall aktiv. Seit dem Abschluss des Studiums an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg 1985 arbeitet er hauptberuflich für die Gewerkschaft und ist seit 2000 Erster Bevollmächtigter der IG Metall Flensburg. Seit September 2010 ist er ehrenamtliches Vorstandsmitglied der IG Metall. Geiken ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Handewitt bei Flensburg. Er vertritt die Interessen von insgesamt rund 176.000 IG Metall-Mitgliedern in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und dem nordwestliche Niedersachsen.


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