19. Dezember 2011
Der Entgrenzung und dem Verfall von Arbeitszeit entgegenwirken
Für mehr Autonomie bei der Arbeitszeit
Grenzenlos arbeiten? Die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie arbeiten nach der Krise wieder länger, flexibler, nachts oder am Wochenende. Das ist weder familienfreundlich noch gesundheitsförderlich. „Zeit, dass wir was drehen“, sagt die IG Metall.

Jetzt eben noch schnell die Unterlagen fertig stellen, das Angebot noch mal überarbeiten oder die neue Software durchtesten – das ist für viele Beschäftigte keine Ausnahme. Das ist ganz normaler Alltag. Tatsächlich verbringen die Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz deutlich mehr Zeit als vor der Krise.


Mehr Wochenarbeitsstunden

Laut Tarifvertrag liegt die Wochenarbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie in Westen bei 35 Stunden und im Osten bei 38 Stunden. Tatsächlich summierte sich die Arbeitszeit in dieser Branche im ersten Quartal 2011 auf durchschnittlich 41 Stunden in der Woche. Das belegt eine Analyse des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Das Arbeitsvolumen ist demnach deutlich gestiegen. Trotzdem scheuen sich die Unternehmen vielfach neue Arbeitsplätze zu schaffen.


Anforderungen hochgeschraubt

Dieses Plus an Arbeit müssen die Beschäftigten großteils in Form von Mehrarbeit erbringen. Firmenleitungen schaffen meist keine neuen Jobs. Oft übernehmen sie noch nicht einmal die Auszubildenden unbefristet. Sie setzen auf möglichst viel Flexibilität, vergeben Werkverträge, stellen Leiharbeitnehmer oder befristet Beschäftigte ein. Denn gerade von ihnen können sich die Unternehmen bei Bedarf schnell wieder trennen. So werden auch die Stammbeschäftigten unter Druck gesetzt und gefügig gemacht. Die Leistungsanforderungen steigen und die Arbeitszeit wird ausgeweitet. Nicht selten müssen Überstunden unentgeltlich geleistet werden oder verfallen gar. Die Personalkosten sollen auf niedrigem Niveau gehalten werden, um Renditeziele schneller zu erreichen.

Eine Umfrage unter Betriebsräten in Baden Württemberg bestätigt diesen Trend: In 68 Prozent der Betriebe hat der Leistungsdruck zugenommen. In vielen Fällen verfällt Zeitguthaben. Das gaben 66 Prozent der Betriebsräte an. Und in jedem zweiten Unternehmen erhalten neu eingestellte Beschäftigte nur einen befristeten Vertrag.


Arbeitszeit immer flexibler

Viele Firmen erwarten von ihrer Belegschaft Flexibilität. Arbeitszeiten werden nicht nur immer weiter verlängert. Wenn die Auftragsfrist knapp ist, arbeiten Beschäftigte auch mal am Wochenende oder in der Nacht. Diese Arbeitszeiten belasten die Gesundheit. Aber nicht nur. Wenn Beschäftigte nicht frei über ihre eigene Zeit verfügen können, wird auch die Teilhabe am sozialen Leben eingeschränkt. Das Verhältnis von Arbeits- und Lebenszeit wird zulasten des Privatlebens, der persönlichen Lebensgestaltung und des gesellschaftlichen Engagements verschoben.

Unter dem Motto der ’Selbstständigkeit’ wird den Beschäftigten mehr Autonomie und Verantwortung für das Arbeitsergebnis übertragen. Diese neue unternehmerische Steuerungsform führt dazu, dass sich in vielen Fällen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatsphäre auflösen. Erholung und Privatleben können kaum gelingen, wenn die Arbeitnehmer ständig erreichbar sind und unterwegs oder zu Hause arbeiten müssen.

Zudem wird das Durchschnittsalter der Belegschaften in den nächsten Jahren steigen. Gleichzeitig wird es immer weniger Erwerbspersonen geben. Tatsächlich halten nur wenige Beschäftigte bis zur Rente durch. Damit liegt klar auf der Hand, dass mehr für Ältere getan werden muss. Denn zur Zeit scheiden die meisten Beschäftigten vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus. Die IG Metall fordert Arbeits- und Leistungsbedingungen, die es ermöglichen, dass Beschäftigte gesund älter werden können.


Arbeitszeiten ungleich verteilt

Die Arbeit ist ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt. Männer arbeiten durchschnittlich länger, Frauen häufig in Teilzeit. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Frauen länger arbeiten wollen und Männer kürzere Arbeitszeiten anstreben. So wollen 30 Prozent der Männer ihre Wochenarbeitszeit um mindestens 1,6 Stunden verkürzen. 45 Prozent der Teilzeit arbeitenden Frauen wollen dagegen länger arbeiten. Diese Wünsche hat das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) 2009 erfragt.


Wünsche der Beschäftigten berücksichtigen

Bei der Debatte um die Arbeitszeit geht es nicht nur um Zeitfragen und Grenzen. Es geht auch um Arbeitsorganisation und Leistungsanforderungen. Arbeitszeit darf sich nicht nur an wirtschaftlichen Interessen ausrichten. Die IG Metall fordert, dass die Arbeitszeiten sich stärker an den Wünschen und Bedürfnissen der Beschäftigten orientieren. Für sie will die IG Metall mehr Zeitautonomie und eine bessere Balance von Arbeit und Privatleben erreichen.


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