28. September 2016
Chinesische Investoren im Maschinenbau
Deutsche Firmen sind für China erste Sahne
Chinesische Investoren kaufen sich in Deutschland bei den Champions des Maschinenbaus ein oder übernehmen sie gleich ganz. Was das für Beschäftigte bedeutet, untersucht die IG Metall auf ihrer Maschinenbaukonferenz morgen in Berlin. Betriebsräte berichten von ihren Erfahrungen.

Auf der ökonomischen Weltbühne werden die Karten für die Maschinenbaubranche neu gemischt. Seit einigen Jahren kauft sich China im deutschen Maschinenbau ein. Wie zum Beispiel beim Pfälzer Traditionsunternehmen Pfaff. Dort stiegen die Chinesen vor einigen Jahren ein und retteten das Unternehmen vor dem Aus. Die schwierigen Jahre mit zwei Insolvenzen sind für das Unternehmen in der strukturschwachen Westpfalz heute Schnee von gestern. Pfaff ist wieder eine Weltmarke mit Spezialmaschinen für automatisiertes Nähen und Schweißen.

Spitzentechnologie aus der Westpfalz: Die Maschinen von Pfaff Industrial sind heute stark nachgefragt. Foto: Christian Esche

Pfaff heute gefragter denn je
Die weltbekannten Pfaff-Nähmaschinen werden inzwischen in China gefertigt. Die Hochtechnologie wird zum größten Teil in Deutschland produziert. Möglich wurde das durch den Einstieg der chinesischen ShangGong Gruppe 2013. „Wir sehen es durchweg positiv“, beurteilt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Pfaff, Wolfgang Biffar, die Übernahme durch die Chinesen. Er schätzt bei allen kulturellen Unterschieden die Verlässlichkeit der neuen Eigentümer: „Zusagen sind immer eingehalten worden. Seit zwei Jahren gibt es einen stetigen Beschäftigungsaufbau in Kaiserslautern auf jetzt 218 Mitarbeiter.“

Die ShangGong Gruppe, die zum Teil der Stadt Shanghai gehört, hat sich in Europa nicht nur Pfaff gesichert. Auch der deutsche Nähmaschinenhersteller Dürkopp Adler, vormals ein Konkurrent von Pfaff, sowie die Firma KSL aus Lorsch sind inzwischen Teil der ShangGong Gruppe. Damit sind innovative Unternehmen aus der Welt der Industrie-Näh- und Schweißmaschinen unter einem Dach. Die programmierten Maschinen steppen zum Beispiel die Nähte an Sitzen und Armaturen im Autoinneren oder nähen ganze Matratzen. Sogar die schwarze Hülle für das islamische Pilgerziel Kaaba in Mekka wurde mit Pfaff-Maschinen genäht. Die Marke ist heute gefragter denn je. „Das macht richtig Spaß“, freut sich Betriebsrat Biffar.

Investitionen in die deutschen Standorte
Auch bei anderen deutschen Maschinenbauunternehmen sind inzwischen Investoren aus Fernost an Bord. Der Werkzeugmaschinenhersteller Waldrich aus Coburg hat schon seit über zehn Jahren einen chinesischen Eigentümer – die Beijing No. 1 Werkzeugmaschinenfabrik – eines der ältesten Maschinenbauunternehmen der Volksrepublik. Mit den von etwa 800 Beschäftigten entwickelten und hergestellten hochgenauen Großmaschinen von Waldrich werden Turbinen gefräst, die ihren Einsatz auch in chinesischen Kraftwerken finden.

Trotz einiger konjunktureller Auf und Abs haben sich die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen im Vergleich zum US-amerikanischen Vorbesitzer eher verbessert. „Bei den Investitionen in den deutschen Standort sieht man, dass die Chinesen zu Waldrich stehen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Hardy Müller. So wurden nicht nur erhebliche Investitionen in die Produktionsmittel und Infrastruktur getätigt, auch Kantine und Sozialräume sind grundsaniert worden. „Für konjunkturelle Schwankungen konnten wir im Rahmen eines Ergänzungstarifvertrages, mit Unterstützung der IG Metall, eine innovative den Standort stärkende Lösungen vereinbaren“, erläutert Müller. „Kernpunkt ist die befristete Absenkung der Arbeitszeit auf 32 Stunden pro Woche. Letztlich kommt dies den Beschäftigten und dem Standort zu Gute.“

Übernahmen sind langfristig angelegt
Die bisherigen Übernahmen von deutschen Maschinen- und Anlagenbauern durch chinesische Konzerne werden bei den deutschen Unternehmen überwiegend positiv bewertet. „Die chinesischen Investoren wollen neue Märkte erobern, was zu Beschäftigungsaufbau führt. Sie respektieren auch die Regularien der deutschen Betriebsverfassung“, sagt IG Metall- Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. „Am Beispiel China wird deutlich, wie unverzichtbar Industriepolitik ist, will man auf den globalen Märkten erfolgreich sein. Um technologische Defizite auszugleichen, kaufen sich chinesische Investoren bei den Champions des Maschinenbaus ein oder übernehmen sie gleich ganz. In ihrer strategischen Wirkung ist diese Entwicklung nicht zu unterschätzen, obwohl sie bisher keineswegs zum Schaden der deutschen Belegschaften geht.“

Die Investitionen sind langfristig angelegt. Die chinesischen Mutterkonzerne investieren in die deutschen Standorte und halten die Standorte auch in schwierigen Zeiten. Und, was ganz wesentlich ist: Sie respektieren die Tarifverträge und die Mitbestimmung. „Von einem Ausverkauf des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus an die Chinesen, kann bislang keine Rede sein“, unterstreicht Astrid Ziegler vom IG Metall-Vorstand. „Was wir aber sehen, sind die Folgen einer sehr erfolgreichen Industriepolitik Chinas, von denen sich Deutschland eine Scheibe abschneiden kann.“

Tarifverträge und Mitbestimmung einhalten
Die IG Metall rechnet damit, dass die Kooperationen und Verflechtungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen – auch durch gezielte staatliche Unterstützungsprogramme Chinas. Deutschland ist für chinesische Investoren momentan die erste Adresse. Nach einer stürmischen Phase von Übernahmen rechnet der China-Fachmann der IG Metall, Christian Weis, jedoch mit einer baldigen Konsolidierung, die auch Einschnitte für die Beschäftigten bedeuten kann. „Unsere Aufgabe ist es, die Entwicklungen zu verfolgen und gemeinsam mit den Betriebsräten darauf zu achten, dass die Tarifverträge eingehalten und die Mitbestimmung respektiert wird.“

Im Vorfeld einer Übernahme gehe es darum, die Spreu der potenziellen Investoren vom Weizen zu trennen, denn es gebe durchaus auch Übernahmen, die nicht glücklich verlaufen seien. Das sollte man im Interesse der Beschäftigten dringend vermeiden. Negativbeispiele seien aber bisher eher die Ausnahme, sagt Weis. „Für uns als IG Metall ist es wichtig, sachlich zu informieren, den betrieblichen Erfahrungsaustausch zu gewährleisten und Verständnis für interkulturelle Zusammenhänge zu wecken, sowohl bei unseren Betriebsräten, als auch bei den chinesischen Investoren.“

Umweltschutz und Dienstleistungen werden wichtiger
Während bisher vor allem das industrielle Wachstum in China Staatsziel war, setzt man dort nun mehr auf Dienstleistungen, privaten Konsum und Nachhaltigkeit. Nach einer aktuellen China-Studie der IG Metall ist die Nachfrage nach deutschen Industriegütern des Maschinenbaus rückläufig. Gleichzeitig steigt die Nachfrage Chinas nach Landmaschinen und Maschinen der Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie. China will außerdem seine Industrie digitalisieren und vernetzen. Entsprechend steigt die Nachfrage nach intelligenten Maschinen.

Die Re-Orientierung des chinesischen Wirtschaftsmodells auf mehr Effizienz und Umweltschutz bietet dem deutschen Maschinenbau auch weiterhin viele Chancen. Deutsche Produkte für die Zukunftsfelder Abfallwirtschaft, Automatisierung, Robotik und Nahverkehrssysteme dürften weiterhin in dem Land der Mitte heiß begehrt sein. Laut einer China-Studie der IG Metall, ist zu erwarten, dass die deutschen Maschinenbauunternehmen ihren Marktanteil in China auf hohem Niveau halten können. Derzeit liegt er bei rund 20 Prozent.


Infos zur Industriepolitik der IG Metall

Untersuchung: Modulare Bauweise: Erfolgsfaktor für den Maschinen- und Anlagenbau? Wirkung von Baukastensystemen auf Beschäftigung (PDF, 1747 KB)

Chinas Maschinen- und Anlagenbau – Entwicklungstrends und Herausforderungen für Deutschland (PDF, 2048 KB)


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