TTIP: Behauptungen und Wahrheiten
Diese sieben Punkte erklären TTIP

TTIP lässt die Welt wahrscheinlich nicht untergehen. Das Vertragswerk wird wohl aber die Arbeitswelt verändern. Was droht eigentlich wirklich? Erhöhter Druck auf Arbeits- und Sozialstandards und die Degradierung von Staaten zu Schadensersatzkassen, die sich nicht mehr trauen, vernünftig zu ...

9. Oktober 20159. 10. 2015


... regulieren?

Bislang wurde diese Fragen kaum diskutiert, weder in Brüsseler Büros, noch in Werkshallen oder auf der Straße. Mit sieben Punkten wollen wir den Diskussionen beim Aktionstag am Samstag auf die Sprünge helfen.

1. Zölle und Bürokratie kosten tatsächlich viel

Es stimmt, der Export nach Amerika ist teuer. Manche hiesigen Anlagen- und Maschinenbauer, die auf dem amerikanischen Markt präsent sein wollen, müssen derzeit Geld für Bürokratie ausgeben, das sie besser in die Entwicklung und Produktion ihrer Maschinen stecken könnten. Deutsche Kleinbusse und -transporter wie der „Sprinter“ kosten beispielsweise 25 Prozent Zoll. Das bedeutet einen massiven Wettbewerbsvorteil auf dem amerikanischen Markt und erhöht den Verlagerungsdruck.


2. TTIP als Chance nutzen

Die Regeln und Werte des Welthandels werden heute in Freihandelsabkommen festgeschrieben. Das dieser Tage unterzeichnete pazifische Freihandelsabkommen (TPP) zeigt, dass die Welt dabei nicht auf Europa wartet. TTIP ist eine seltene Chance für Europa, seine sozialen Errungenschaften in die Welt zu exportieren und als globale Standards zu behaupten.


3. Verbindliche Regeln für die Arbeitswelt

Wer jedoch den freien Handel regelt, darf die faire Produktion nicht außer Acht lassen. Die Arbeitswelt wird voraussichtlich in TTIP nach dem Vorbild von CETA (EU-Kanada-Freihandelsabkommen) lediglich in einem unverbindlichen „Nachhaltigkeitskapitel“ behandelt. Einem Regelverstoß können derzeit weder Sanktionen noch eine Aussetzung des Abkommens folgen. Das reicht uns nicht. Wenn Investorenrechte gestärkt werden, darf über ihre Pflichten nicht geschwiegen werden.


4. Anerkennung von Arbeitsnormen

Die angestrebte TTIP-Freihandelszone braucht ein gemeinsames Wertefundament. Dazu zählt insbesondere die Anerkennung der ILO-Kernarbeitsnormen durch die USA. Spätestens mit dem EU-Beitritt haben die europäischen Länder die acht Kernarbeitsnormen ratifiziert. In Amerika liegen sie stattdessen seit 66 Jahren unbearbeitet dem Senat zur Unterschrift vor. Kein anderes Gesetzesvorhaben wartet in Washington D.C. länger auf Unterzeichnung.


5. Freier Handel und Wohlstand für die Menschen nur bei freien Gewerkschaften

Insbesondere der Gewerkschaftsfreiheit muss mit der Ratifizierung der TTIP-Dokumente Geltung verschafft werden. Weder dürfen Teile der USA für europäische Unternehmen zum Billiglohn-Land werden, noch dürfen die hohen deutschen Standards durch ein „Race to the bottom“ unter Druck geraten. Die Festschreibung der arbeitsrechtlichen Grundlagen verdient ein eigenes und verbindliches Kapitel im transatlantischen Freihandelsvertrag.


6. Private Schiedsgerichte lähmen die Demokratie

Über den Investorenschutz per Schiedsgericht ist auch im CETA neu zu verhandeln. Vier Fünftel der amerikanischen Unternehmen, die in Europa tätig sind, werden die privaten Schiedsgerichte des Freihandelsabkommens zwischen Kanada und Europa nutzen können. Auch wenn ein demokratisches „Recht auf Regulierung“ in den Verhandlungen beteuert wird, drohen unabsehbare Ansprüche von Investoren auf Entschädigung die Gesetzgebung regelrecht zu lähmen.


7. Staaten nicht zu Schadensersatzkassen entwerten

Der wirtschaftliche Freihandel darf nicht zulasten politischer Handlungsfreiheit gestaltet werden. Demokratisch verfasste Staaten werden in den geplanten Verträgen aber auf die Rolle des schadensersatzpflichtigen Entschädigers reduziert. Gute Verbraucher-, Arbeits- und Umweltschutzrechte sollten nicht automatisch mit Preisschildern versehen werden, wenn das Gemeinwohl den „berechtigten Interessen“ von Investoren im Wege stehen.

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