7. März 2018
Deutsche Fertighaus Holding
Mit Warnstreiks zum Tarifvertrag
Erstmals gibt es bei der Deutschen Fertighaus Holding einen Tarifvertrag mit der IG Metall.

Dafür haben die Beschäftigten mit zwei Warnstreiks Druck gemacht. Nun versucht die Geschäftsleitung, mit eigenen Kandidaten zur Betriebsratswahl die Beschäftigten zu verunsichern. Die IG Metall-Mitglieder bei DFH halten dagegen.

Die zwei Warnstreiks der 800 Beschäftigten der Deutschen Fertighaus Holding (DFH) im rheinland-pfälzischen Simmern haben gewirkt: Ab 1. Juli gilt bei Deutschlands größtem Fertighausbauer (Okal Haus, Massa Haus, Allkauf Haus, Ein Steinhaus) erstmals ein Tarifvertrag – und zwar der für die Holz- und Kunststoffindustrie der IG Metall.

Die DFH ist als Vollmitglied dem Arbeitgeberverband beigetreten, um dadurch Frieden vor der IG Metall zu haben. Denn Streik kann sich die DFH nicht leisten. Die Auftragsbücher quellen über. 5100 Fertighäuser sind bestellt. Nicht einmal die Hälfte davon kann in diesem Jahr ausgeliefert werden. Die Umsätze der DFH haben sich innerhalb von vier Jahren verdoppelt, doch die Neueinstellungen halten damit nicht Schritt. Die Beschäftigten machen massig Überstunden.

 

Mehr Geld und kürzere Arbeitszeiten

Der Tarifvertrag bringt mehr Geld. Facharbeiter etwa verdienen laut Tarif 17,30 Euro statt wie bisher 15,83 Euro. Zudem gilt dann die 35-Stunden-Woche, statt wie bisher 36 oder 37,5 (in der Produktion) oder gar 40 Stunden (in der Verwaltung).

Jahrelang gab es kaum Lohnerhöhungen bei der DFH. Und so etwas wie ein Tarifvertrag wäre undenkbar gewesen. Die Geschäftsleitung hatte immer versucht, den Betriebsrat klein- und die Gewerkschaft aus dem Betrieb rauszuhalten. Doch in den letzten Monaten sind rund zwei Drittel der Beschäftigten in die IG Metall eingetreten. Sie wählten eine Tarifkommission. Im November übergaben sie der Geschäftsleitung dann ihre Forderungen nach einem Tarifvertrag. Als die Geschäftsleitung in den Verhandlungen mauerte, traten die Beschäftigten von DFH Anfang Februar zum ersten Mal in ihrer Geschichte in den Warnstreik. Die Produktion stand.

 

Arbeitgebernahe Liste tritt zur Betriebsratswahl an

Doch gewonnen haben die IG Metall-Mitglieder bei DFH noch lange nicht. Die Geschäftsleitung macht nun Stimmung und verunsichert die Beschäftigten. Ab 1. Juli müsst Ihr alle 35 Stunden arbeiten, erklärte der Geschäftsführer bei einer Mitarbeiterversammlung – und verdient damit auch weniger Geld, so die versteckte Botschaft. Die Beschäftigten erhielten zudem ein Schreiben, in dem sie ankreuzen sollten, ob sie wirklich 35 Stunden arbeiten wollen.

Zugleich lässt die Geschäftsleitung eigene Kandidaten – Teamleiter und andere Führungskräfte – zur Betriebsratswahl am 20. März gegen die Liste des Betriebsrats antreten. Die Arbeitgeber-Listenführerin kommt aus der Personalabteilung und ist berechtigt, Abmahnungen zu verteilen. Bei der Betriebsversammlung verkündete sie, dass es ja so toll bei DFH sei und dass die IG Metall nur Unruhe hereinbringe.

„Viele sind verunsichert und fragen: Wie soll ich mein Haus bezahlen, wenn ich nur noch 35 Stunden arbeite?“, berichtet Betriebsrat Thomas Kuntz.

 

IG Metall informiert Beschäftigte – niemand verliert Geld

„Das ist alles Quatsch, niemand verliert Geld. Zudem erlaubt der Tarifvertrag ja auch, dass Ihr bis zu 30 Monate lang mehr als 35 Stunden arbeiten könnt, allerdings dann mit 25 Prozent Zuschlag für die Überstunden“, erklärt Ingo Petzold von der IG Metall Bad Kreuznach den Beschäftigten auf einer Infoveranstaltung. „Die 35 Stunden haben wir ja ursprünglich ja auch gar nicht gefordert, da das bei Eurer Auftragslage derzeit gar nicht realisierbar ist. Wir wollen eine stufenweise Annäherung an die 35 Stunden – und vor allem mehr Geld mit fairen Eingruppierungen, eine Sicherung der Arbeitsplätze für Krisenzeiten und dass DFH endlich mehr und richtig ausbildet.“

Insgesamt sechs solcher Infoveranstaltungen hat die IG Metall den DFH-Beschäftigten in den letzten Tagen angeboten. Die Beschäftigten haben viele Fragen: Muss ich das Schreiben der Geschäftsleitung beantworten? Ist ja eine einseitige Änderung des Arbeitsvertrags, ohne Anhörung des Betriebsrats, und von daher rechtswidrig. Wie viel verdiene ich dann? Auch bei 35 Stunden mehr als bisher bei 40 Stunden, und es gibt Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Die IG Metall macht den Beschäftigten auch klar, wie wichtig die Betriebsratswahl am 20. März ist. Die Beschäftigten müssen schließlich nach dem ab 1. Juli geltenden Tarifvertrag korrekt eingruppiert werden. Ob sie als Facharbeiter oder als angelernte Hilfsarbeiter eingruppiert werden, macht einen Unterschied von fast drei Euro je Stunde aus.

Bis zur Betriebsratswahl hat die Geschäftsleitung weitere Verhandlungen abgelehnt. Erst zwei Tage nach der Wahl – am 22. März – will die DFH wieder mit der Tarifkommission der IG Metall verhandeln.

 

Geschäftsführung will Facharbeiter zu Hilfsarbeitern abgruppieren

Die Strategie der Geschäftsleitung ist klar: „Sie will bei der Betriebsratswahl die Mehrheit erreichen, damit der arbeitgebernahe Betriebsrat dann niedrige Eingruppierungen durchwinkt“, erklärt IG Metall-Verhandlungsführer Uwe Zabel. „Die Geschäftsleitung hat das bei der Verhandlung im Januar ja schon klar gesagt: Aus ihrer Sicht sind die Produktionsbeschäftigten alle Hilfsarbeiter – und keine Facharbeiter.“

Hilfsarbeiter. Das lassen sich die Beschäftigten bei DFH nicht bieten. Fast alle haben eine Ausbildung. Und schließlich müssen alle auch alles können und dazu Bauzeichnungen lesen und korrigieren. Dafür braucht ein Beschäftigtiger bei DFH gut zwei Jahre. Das hat die IG Metall zusammen mit einer Arbeitswissenschaftlerin bei Befragungen im Betrieb herausgefunden.

Viele in der Werkshalle tragen den Button der IG Metall: „Wir sind Hilfsarbeiter“. Einige kommen sogar mit IG Metall-Mützen zur Arbeit. „Das wäre vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen“, erzählt IG Metall-Sekretär Petzold. „Damals haben sich viele nicht einmal getraut, mich auf dem Hof zu grüßen.“

Heute trauen sie sich. Und sie sagen offen, was ihnen nicht passt. Nicht nur die Arbeiter in der Fertigung, sondern auch die Angestellten in der Verwaltung. Sie haben 40 Stunden in ihren Verträgen stehen, arbeiten jedoch oft 48 Stunden, demnächst sollen es sogar 53 Stunden sein – umsonst, versteht sich: Sämtliche Überstunden sind laut Arbeitsvertrag mit dem Gehalt pauschal abgegolten.

 

IG Metall nimmt Monteure mit an Bord

Auch die Monteure im Außendienst machen sich Luft. Rund 70 Kolonnen mit vier oder fünf Kollegen stellen die Fertighäuser auf, je nach Größe an ein bis fünf Tagen, bundesweit, bei jedem Wetter. Schließlich quellen die Auftragsbücher über.

„Gerade in der letzten Woche war es unerträglich, bei minus 15 Grad auf der Baustelle. Wir bekommen ja nicht mal Winterarbeitshandschuhe“, erzählt ein „Kapo“ – der Leiter einer Kolonne, die Petzold gemeinsam mit Betriebsrätin Lydia Ott auf einer Baustelle besucht. „Bei dieser Kälte sollte die Firma sagen: Bleibt zuhause. Das bringt ja auch nichts. Die Maschinen fallen aus, die sind ohnehin oft uralt. Und die Leitungen frieren ein. Da haben wir danach umso mehr Nacharbeiten. Und wenn was passiert, bin ich dran und nicht die Firma.“

Heute sind sie nur zu viert auf der Baustelle, weil einer krank ist. Am Abend müssen sie 300 Kilometer zur nächsten Baustelle weiterfahren. Die Fahrtzeit bekommen sie nicht bezahlt. Und das Geld, das ihnen DFH für Unterkunft und Verpflegung gibt, reicht hinten und vorne nicht, kritisiert der „Kapo“. „Ich lege jeden Monat 300 bis 400 Euro drauf.“

Auch die Monteure sind der Meinung: Bei DFH muss sich einiges ändern. Und sie stehen hinter der IG Metall. Beim nächsten Warnstreik wollen sie dabei sein.


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