28. Februar 2017
Konflikt um Arbeitszeit
Knorr-Bremse: Manager verlangen kostenlose Mehrarbeit
Der Weltmarktführer Knorr-Bremse macht satte Gewinne. Doch an einem Berliner Standort sollen die Beschäftigten mehrere Stunden zusätzlich arbeiten – zum gleichen Lohn. Dahinter steckt eine antiquierte Unternehmenskultur. Und ein sehr unsozialer Plan.

Andreas Buchwald ist ein Mensch, der Konflikte normalerweise am Verhandlungstisch löst. Doch was er seit Anfang Februar bei Knorr-Bremse Powertech erlebt, bringt unseren Berliner Sekretär auf die Palme.

Ab April sollen die rund 350 Beschäftigten dort 42 Stunden pro Woche arbeiten ― sieben Stunden mehr als in der Metall- und Elektroindustrie üblich. Für dasselbe Geld. Einfach so.


Gratis Mehrarbeit für ein gutsituiertes Unternehmen

Jeder Beschäftigte würde dem Unternehmen, das in Berlin Stromrichter produziert, also jeden Tag im Grundsatz 84 Minuten Arbeitszeit schenken. „Dieses Vorgehen ist unglaublich“, sagt Buchwald. Doch wenn es nach dem Willen der Konzernleitung geht, könnte es Schule machen.

Knorr-Bremse ist ein weltweit führender Hersteller von Bremssystemen für Züge, U-Bahnen und LKW. Dem Konzern geht es blendend: Der Gewinn hat sich in den vergangenen Jahren von 329 auf 645 Millionen Euro annähernd verdoppelt. Mit der vollen Kasse geht das Management auf Shopping-Tour. Quer durch Deutschland hat Knorr-Bremse in den vergangenen Jahren Unternehmen aufgekauft. So wie die Berliner Powertech.


Schlechtere Bedingungen in jeglicher Hinsicht

Doch aus Sicht des Konzerns gibt es ein Problem: Bei Powertech ― wie auch bei anderen Zukäufen ― gibt es unsere Tarifverträge. Das heißt: Prinzipiell gilt die 35-Stunden-Woche. Nun will der Konzern offenbar überall die Regeln durchsetzen, die im Knorr-Bremse-Reich schon lange gelten: 42-Wochenstunden, keine Tarifverträge, kein demokratischer Dialog auf Augenhöhe mit Belegschaft und Gewerkschaft.

„Der Knorr-Bremse-Konzern hat sich in Berlin schon vor über zehn Jahren aus dem Arbeitgeberverband verabschiedet ― und damit auch aus der Tarifbindung“, berichtet Metaller Buchwald. Auch den Kontakt zu uns habe die Firma abgebrochen.


Das letzte Wort hat der Arbeitgeber

Der Konzern wird nach Gutsherrenart geführt: Bezahlung und Arbeitszeit bestimmt der Arbeitgeber. Beschäftigte berichten von einer „angstbasierten Führungskultur“.

Dazu kommt die Furcht vor Standortverlagerungen ins Ausland ― so wie aktuell bei Hasse & Wrede, einem weiteren Knorr-Bremse-Standort in Berlin. Er soll nach Tschechien verlegt werden.


Subtiler Druck

Angst haben nun auch viele Kollegen bei Powertech in Berlin. Kein Wunder: Am vergangenen Freitag reiste der Vorstandsvorsitzende Klaus Deller persönlich an, um die Beschäftigten ins Gebet zu nehmen. Bei einer Betriebsversammlung pries er Knorr-Bremse als blühendes Unternehmen. Um dazuzugehören, müsse die Belegschaft aber leider einen Beitrag leisten ― nämlich die Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich akzeptieren.

Zugleich lässt Deller vorgefertigte „Änderungsverträge“ im Betrieb verteilen. Die Beschäftigten sollen unterschreiben und damit ihre neue, längere Arbeitszeit besiegeln. Vor allem die befristet Angestellten fühlen sich unter Druck gesetzt. Werden ihre Verträge verlängert wenn sie sich weigern, zu unterschrieben?

 


Mit diesem Papier sollen sich die KB Powertech-Beschäftigten längere Arbeitszeiten verordnen.


Nicht unterschreiben!

Wir raten der Belegschaft, die „Änderungsverträge“ nicht zu unterschreiben. „Das sollten sie auf keinen Fall tun“, sagt der Berliner IG Metall-Chef Klaus Abel. „Kein Arbeitnehmer muss freiwillig sieben Stunden länger arbeiten und sich gleichzeitig um seinen Verdienst berauben lassen.“

Für Abel ist das Vorgehen von Knorr-Bremse und seinen Eigentümern „zutiefst asozial.“ Nicht nur die Belegschaft werde ausgepresst, auch der Wettbewerb nehme Schaden: „Während die Mitkonkurrenten 35 Stunden pro Woche arbeiten, kann Knorr mit seinen 42 Stunden jedes Angebot unterbieten. Das ist ein unglaublich unfaires Agieren am Standort Deutschland.“


Fokus lieber auf Qualität setzen

Statt die eigenen Leute zu bedrängen und zu demotivieren solle das Unternehmen lieber Managementfehler beheben: Die Qualität sichern, den Kundenservice ausbauen.

Die Beschäftigten leisten ohnehin seit Jahren ein Beitrag zur Sanierung ihres Standorts. Sie arbeiten 38 statt 35 Wochenstunden. Dafür gibt es einen Sondertarifvertrag.


Nicht verunsichern lassen

Doch mit der Forderung, für das gleiche Geld 42 Stunden zu arbeiten, hat Knorr-Bremse den Bogen überspannt. Im Unternehmen formiert sich Widerstand. Der Konzernbetriebsrat hat einstimmig gefordert, die Tarifbindung bei KB Powertech zu erhalten.

Nun kommt es auf die Kampfbereitschaft der Beschäftigten an. Sie dürfen sich vom Management nicht zu viel Angst machen lassen, sondern sollten gemeinsam beraten und mit uns Handlungsoptionen ausloten. Die Zeit läuft.


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