5. März 2013
Arbeitsbedingungen in der Wäscherei Berendsen
Frauen in der Mangel
Die Beschäftigten der Großwäschereikette Berendsen Healthcare schauen düster aus der Wäsche. Ihr Arbeitgeber ist aus dem Tarif ausgestiegen und hat ihnen Billigarbeitsverträge aufgetischt. Dadurch will Berendsen der Konkurrenz Aufträge abjagen.

Halb Zwei Uhr nachmittags in einem Gewerbegebiet im thüringischen Neustadt an der Orla. Schichtwechsel bei der Großwäscherei Berendsen. In kleinen Gruppen kommen die Spätschicht rein und die Frühschicht raus. Fast alle 200 Beschäftigten hier sind Frauen. Die meisten sind schon über 50 Jahre alt. Sie waschen Wäsche für Krankenhäuser und Altenheime. Ein Knochenjob. Bis vor kurzem noch für 9,22 Euro die Stunde, nach dem Tarif für Textile Dienstleistungen der IG Metall. Doch 9,22 Euro waren dem Arbeitgeber zu teuer. Berendsen stieg aus dem Tarifvertrag aus und legte den Frauen neue Arbeitsverträge vor, zu nur noch acht Euro die Stunde. Dazu längere Arbeitszeiten und fünf Tage weniger Urlaub. Ein Großteil der Frauen hat bereits unterschrieben ― aus Angst.


Weichspülen bei 95 Grad

„Wir haben doch keine Wahl“, klagt eine der jüngeren Frauen, die gerade ihr Fahrrad vor dem Werkstor abschließt, den Tränen nahe. „Ich brauche meine Arbeit. Ich habe zwei Kinder.“ Das geht vielen hier so. Und die meisten haben keine Berufsausbildung. Eine andere Arbeit gibt es hier auf dem Land im tiefsten Ostthüringen für sie nicht. Seit Dezember bearbeitet die Geschäftsleitung die Frauen hartnäckig, bei Gesprächen im Personalbüro, an der Mangel, am Absortierband, am Handlegeplatz und über eine Flut von Aushängen. Immer wieder. Einige Frauen jedoch wollen nicht unterschreiben, sondern ihren IG Metall-Tarif mit 9,22 Euro behalten. Sie werden nun systematisch mürbe gemacht.

Gudrun Behrend ist eine von ihnen. Früher war sie immer am „Finisher“, wo sie Wäsche für den Versand bereit gemacht hat. Doch seit ein paar Wochen geht es für sie hin und her. „Wir müssen Löcher stopfen und Schichten tauschen, von heute auf morgen.“ Dabei hat sich der Konzern einen „fairen und gleichberechtigten Umgang mit den Mitarbeitern“ in seinen Ethikrichtlinien verschrieben. In der Realität will Berendsen vor allem weniger zahlen, für immer mehr Leistung. Kürzlich war eine Unternehmensberatung da und hat sich umgeschaut. Über den Maschinen hängen Smileys, je nach Leistung der Arbeitsgruppe in Grün, Gelb oder Rot.

Und der Leistungsdruck wird noch zunehmen, befürchtet die Betriebsratsvorsitzende Angela Kopp. Die Geschäftsleitung will den Beschäftigten 50 Cent Prämie auf ihre acht Euro Stundenlohn obendrauf zahlen. Aber nur, wenn sie eine bestimmte Wäschetonnageleistung bringen. Und wenn der Krankenstand möglichst niedrig bleibt. „Das wird Krach zwischen den Kolleginnen geben, wenn da eine zu langsam arbeitet oder krank wird und die Prämie dadurch futsch ist.“

Dabei sind viele der Frauen jetzt schon kaputt. Und die 50 Cent Prämie sind kaum zu erreichen, hat Angela Kopp berechnet. „Im letzten Jahr hätten wir die volle Prämie nur in drei von zwölf Monaten geschafft. Wir können ja nur so viel Wäsche waschen, wie da ist. Auf die Auftragslage haben wir keinen Einfluss.“


Branche im Schleudergang

Die Auftragslage ist ein Problem. Der Wäschemarkt bei den textilen Diensten im Gesundheitswesen ist eng. Weil die Krankenhäuser und Pflegeheime seit einigen Jahren immer mehr sparen, auslagern und privatisieren. Zunächst bedeutete das jahrelang mehr Aufträge für Wäschereien, weil immer mehr Krankenhäuser nicht mehr selbst wuschen, sondern ihre Wäsche nach draußen vergaben. Die Branche wuchs. An die Stelle kleiner regionaler Wäschereien drängten riesige Ketten wie Berendsen, mit hochspezialisierten Standorten, die viele Tonnen Wäsche am Tag waschen.

Doch mittlerweile wächst der Markt nur noch wenig, während die Wäschereien immer produktiver werden und Überkapazitäten aufgebaut haben. Die Wäsche reicht nicht mehr für alle. Was also tun in Neustadt an der Orla? Über hundert Frauen haben einen Brief an die Geschäftsleitung geschrieben: Berendsen soll wieder mit der IG Metall verhandeln. Doch das will Berendsen partout nicht. Also kämpfen? Streiken? Schwierig. Das ist den Betriebsrätinnen und aktiven Metallerinnen hier klar. Denn Wäsche lässt sich schnell verlagern. Und auch an den anderen Standorten von Berendsens Krankenhaussparte Healthcare gibt es neue Arbeitsverträge. Angeblich haben dort noch mehr unterschrieben als in Neustadt, behauptet die Geschäftsführung.


Berendsen wäscht schmutzig

Berendsen geht das Überkapazitätenproblem am Markt aggressiv an. Die Healthcare-Sparte ist aus dem Tarifvertrag mit der IG Metall ausgestiegen und unterbietet nun die Konkurrenten mit Billiglöhnen, um ihnen ihre Marktanteile abzujagen. Dem Wettbewerber Larosé etwa hat Berendsen gerade 17 Krankenhäuser und Altenheime im Raum Berlin weggeschnappt. Larosé fordert nun ebenfalls Opfer von seinen Beschäftigten und will raus aus dem Tarif, obwohl das Unternehmen hauptsächlich Berufskleidung für die Industrie wäscht, wo noch kein Preiskampf tobt.

Der Druck auf die tarifgebundenen Textilservice-Unternehmen steigt. Die anderen Wäschereiketten werden sich Berendsens Dumpingtour auf Dauer nicht gefallen lassen und bald nachziehen, glaubt IG Metall-Sekretär Michael Ebenau, der den Betriebsrat bei Berendsen in Neustadt an der Orla berät. Er befürchtet einen Wettbewerb nach unten, auf dem Rücken der Beschäftigten. „In ein paar Monaten wird der Chef wieder bei Euch auf der Matte stehen und sagen: Die acht Euro sind mir jetzt auch zu teuer.“

Ob sich die Frauen das noch weiter gefallen lassen? Immer mehr treten in die IG Metall ein. 150 der 200 Beschäftigten sind mittlerweile IG Metall-Mitglieder. Und ein Kreis von Aktiven um den Betriebsrat trifft sich regelmäßig mit Ebenau in einer Gaststätte, um sich zu beraten oder um einfach mal zu erzählen. Sie haben die Nase voll und schmieden Pläne. „Wenn Gott gewollt hätte, dass ich jedem in den Hintern krieche“, meint eine von ihnen unter dem Gelächter der anderen, „dann wäre ich ein Zäpfchen geworden.“


Besser mit Tarif

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