29. März 2017
Tarifbindung bei MetoKote
Aus dem Nichts: Belegschaft erkämpft erstmals Tarifvertrag
In der Mannheimer Firma MetoKote herrschten lange amerikanische Verhältnisse: keine Tarifvertrag, kein Betriebsrat, mickrige Löhne. Doch in nur zwei Jahren änderte sich fast alles. Wie hat die Belegschaft das geschafft?

Als Nadine Gutwein 2013 bei der Mannheimer Firma MetoKote anfängt, weiß sie sofort: „Hier läuft irgendetwas falsch.“ Die gelernte Automobilkauffrau hat zuvor schon in verschiedenen Unternehmen Erfahrung gesammelt. Doch MetoKote ist anders.

Die Firma ist Teil eines US-Konzerns. Sie lackiert und beschichtet Teile für die Fahrzeugindustrie und den Maschinenbau. Doch von Arbeitsbedingungen, wie sie in weiten Teilen der Metall- und Elektroindustrie üblich sind, können die MetoKote-Beschäftigten nur träumen.


Weder Tarifvertrag noch Betriebsrat

Die Löhne: Niedrig. Die Leiharbeit-Quote: hoch. Es gibt weder einen Tarifvertrag noch einen Betriebsrat. Im Arbeitsalltag kommt es schon mal vor, dass eine Vorgesetzte kurz vor Schichtende zwei Überstunden anordnet. Und von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann auch keine Rede sein.

Nadine Gutwein gehen all diese Dinge gegen den Strich.„Ich mag keine Ungerechtigkeiten“, sagt sie. Sie will etwas dagegen unternehmen. Aber wie?


„Wir standen vor einer Mauer“

Mit Betriebsrat oder Gewerkschaft hatte sie bisher nichts zu tun. Außerdem fehlt es an Mitstreiterinnen. Frühere Versuche, einen Betriebsrat bei MetoKote zu gründen, hatten Kündigungen zur Folge. Viele Kolleginnen und Kollegen fürchten um ihre Jobs.

Gutwein wendet sich an die Mannheimer IG Metall. Die Kollegen beraten sie: Wie gründet man einen Betriebsrat? Welche Regeln und Fristen gibt es? Worauf muss ich achten? Zusammen schmieden sie einen Plan für MetoKote. Und die 38-Jährige tritt auch selbst der IG Metall bei. Als Mitglied hat sie Anspruch auf Rechtsschutz.


Ein hartes Druckmittel

Wenn Thomas Hahl, der zweite Mannheimer IG Metall-Bevollmächtige, heute über die Zeit vor 2015 spricht, dann sagt er: „Wir standen vor einer Mauer. Die mussten wir durchbrechen.“ Die Mauer bestand zu einem Großteil aus Angst. „Die Leute haben sich teilweise nicht mal getraut, vom eigenen Handy aus bei uns anzurufen. Die sind in die Telefonzelle gegangen“, berichtet der Metaller. In Vier-Augen-Gesprächen sei Beschäftigten klar gemacht worden: Wer in die Gewerkschaft geht oder einen Betriebsrat will, der ist bald weg.

Hintergrund: Ein Großteil der Beschäftigten hatte nur einen befristeten Vertrag oder war über Leiharbeit-Firmen angestellt. Ein hartes Druckmittel.


Schnelle Erfolge

Doch die Zeiten der Einschüchterung sind rasch vorbei. Nadine Gutwein sucht und findet Verbündete im Betrieb. Gemeinsam mit dem Team der IG Metall Mannheim schaffen sie es, eine Betriebsratswahl zu organisieren. Rund 90 Prozent der Beschäftigten beteiligen sich an der Wahl. Parallel dazu treten immer mehr Kolleginnen und Kollegen in die Gewerkschaft ein. Die Mannheimer IG Metall organisiert Kundgebungen vor dem Werkstor und immer wieder Info-Veranstaltungen für die neuen Mitglieder.

 


 

IG Metall-Aktion vor dem MetoKote-Werktor: Nadine Gutwein mit ihren Kollegen.


Ende 2016 ist es dann soweit: Die Belegschaft ist stark genug organisiert, um Tarifverhandlungen zu starten. Sie wählt eine Tarifkommission. Und schon wenige Monate später steht die Einigung. MetoKote hat zum ersten Mal in der Firmengeschichte einen Tarifvertrag.

Eckpunkte: Die Beschäftigten bekommen bis zu fünf Prozent mehr Geld, die höchsten Aufschläge erhalten diejenigen mit den niedrigsten Stundenlöhnen. Außerdem gibt es zusätzliche Urlaubstage und erstmals überhaupt ein Urlaubsgeld von 500 Euro.


Gemeinsam stark

Für den Tarifabschluss war am Ende kein einziger Warnstreik notwendig. Es reichte, dass die Belegschaft mit großer Mehrheit in die IG Metall eintrat und das auch öffentlich sichtbar machte.

„Der Arbeitgeber hat plötzlich gesehen: Da stehen ja unsere Leute vor dem Werk, mit Fahnen. Das war der nicht gewohnt“, sagt der Mannheimer Gewerkschaftssekretär Daniel Warkocz, der den MetoKote-Beschäftigten als Betriebsbetreuer zu Seite steht.


„Das war es mir wert“

Und Nadine Gutwein meint: „Der damalige Chef hat mich unterschätzt, weil ich eine Frau bin.“ Für sie eine Genugtuung ― schließlich habe sie sich vorher auch einiges an Macho-Sprüchen anhören müssen.

Und das persönliche Risiko? Die Doppelbelastung neben der normalen Arbeit? Die Angst vor einer Kündigung? „Das war es mir wert“, sagt die Metallerin. „Im Zweifel hätte ich mir eben einen neuen Job gesucht.“

Mut und eine gute Teamleistung: Bei MetoKote läuft nun einiges anders.


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