Standpunkt: Missbrauch von Werkverträgen stoppen
Fair statt prekär

Die neue „Ordnung“ auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt zerstückelte Betriebe: Nach der Leiharbeit nimmt der Missbrauch von Werkverträgen zu. Längst werden nicht mehr nur Kantine oder Werksschutz ausgegliedert, sondern Kernbereiche in Produktion und Entwicklung – auf Kosten der Stammbelegschaft.

24. Mai 201324. 5. 2013


Die Ausgliederung von Arbeit über sogenannte Werkverträge nimmt zu. Immer öfter übernehmen Beschäftigte von Fremdfirmen Arbeiten, die früher von der Stammbelegschaft gemacht wurden. Und meist für deutlich weniger Geld – ohne Tarifvertrag und ohne Betriebsrat. Das zeigt das neue Dossier Werkverträge der IG Metall in Nordrhein-Westfalen.


Missbraucht

Der ursprüngliche Sinn von Werkverträgen ist, sich für definierte „Werke“ Spezialisten ins Haus zu holen. Etwa einen Gas-Wasser-Installateur für die Heizung. Doch in den siebziger Jahren fingen Arbeitgeber damit an, über Werkverträge Arbeit auf dem eigenen Werksgelände dauerhaft an Fremdfirmen zu vergeben. Zunächst erwischte es Randbereiche wie Kantine oder Werksschutz.

Doch die Outsourcing-Welle rollt immer weiter. Längst sind auch Kernbereiche in Produktion und Entwicklung betroffen. In vielen Betrieben kommt bereits die Hälfte der Beschäftigten von „draußen“ (siehe Grafik). Ein extremes Beispiel ist BMW in Leipzig, wo gut zwei Dutzend Dienstleistungsfirmen auf dem Werksgelände sogar Kernaufgaben wie den Bau und Einbau der Achsen übernehmen. Und auch in den Entwicklungsbereichen der Autobauer ist schon jeder Zweite „extern“.

Längst verdrängen Werkverträge auch Leiharbeit. Bei Werkverträgen gelten keine allgemeinenTarifverträge. Und der Betriebsrat hat weniger Mitsprache. Bei den Recherchen zum Dossier Werkverträge ist die IG Metall NRW auf mehrere Fälle gestoßen, in denen Arbeitgeber Leiharbeit durch Werkverträge ersetzt haben. Insbesondere um die neuen tariflichen Branchenzuschläge für Leihbeschäftigte in Metallbetrieben zu umgehen.


Zerstückelt

Scheibchenweise schneiden die Arbeitgeber immer mehr von der Stammbelegschaft ab. Die Randbelegschaft wächst: Leih- und Werkvertragsbeschäftigte, die schlechter bezahlt und schlechter abgesichert sind. Schlecht für die Beschäftigten, praktisch für Arbeitgeber: Sie zahlen weniger – und tragen weniger Risiko. Die Dienstleistungsbranche wirbt damit sogar offensiv in ihren Prospekten. Zudem laufen Werkverträge nicht als Personalkosten sondern als „Sachkosten“. Das schönt die Bilanz. Aber ist diese Zerstückelung durch immer mehr Auslagerung wirklich auf Dauer gut für die Betriebe? Ist das zukunftsfähig?

Tatsächlich fließen durch die Fremdvergabe von Kernbereichen Wissen und Knowhow aus dem Unternehmen ab. Oft für immer. So wie etwa heute schon in der Aufzugindustrie, wo Instandhaltung und Wartung fast komplett fremdvergeben sind. Diese Probleme sehen mittlerweile auch viele Arbeitgeber. Doch Ausgliederung per Werkvertrag ist nun mal die aktuell angesagte Strategie in den Chefetagen.

Wir können etwas gegen den Ausgliederungswahn tun. Auch das zeigt das IG Metall-Dossier Werkverträge an vielen Beispielen, wo Betriebsräte Ausgliederung verhindert oder Löhne und Arbeitsbedingungen der Werkvertragsbeschäftigten deutlich verbessert haben.


Augen auf

Das beginnt damit, dass Betriebsräte kritisch fragen: Welche Firmen sind auf dem Werksgelände? Mit wie vielen Leuten? Wie sehen die Werkverträge aus? Dazu hat der Betriebsrat das Recht. Auch wenn der Arbeitgeber mauert, weil er das oft selbst nicht genau weiß. Weil er eben kein „Personal“, sondern „Werke“ einkauft. Genau da liegt auch ein Knackpunkt: Immer öfter arbeiten Werkvertragsbeschäftigte normal mit, Hand in Hand mit Stammbeschäftigten. Ein abgegrenztes „Werk“ ist nicht mehr erkennbar. Das jedoch ist illegal. Das schreckt dann auch den Chef. Under ist zumindest schnellbereit, die illegalen Werkverträge in Leiharbeit umzuwandeln.

Bei Leiharbeit können Betriebsräte schon mal deutlich mehr tun.Und es gibt Tarifverträge und Branchenzuschläge. Doch das Ziel müssen Festeinstellungen und eine möglichst große Stammbelegschaft sein. Und wenn schon Werkverträge, dann zu gutenTarifbedingungen. Es kann nicht sein, dass zwei, drei oder mehr Klassen von Beschäftigten an ein und demselben Produkt arbeiten. „Ein Betrieb – eine Belegschaft“, ist daher die Forderung der IG Metall. Die Betriebsräte der Stammbelegschaft müssen für alle Beschäftigten auf demWerksgelände da sein.Dazu brauchen sie mehr Mitbestimmungsrechte von der Politik. Doch bis das durch ist, müssen nicht nur Betriebsräte, sondern alle die Augen offenhalten: Wo kommen schonwieder Externe rein? Was verdienen die? Damit der Chef nicht noch mehr Scheiben abschneidet.

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