Sozial-Audit bei Staedtler in Südafrika
Nicht locker lassen, bis sich etwas ändert

Mickrige Löhne, schlechte Sanitärräume, wackelige Arbeitstische – eine Stippvisite bei einem Zulieferer des Stifteherstellers Staedtler in Südafrika brachte einige Missstände an den Tag. IG Metall, Betriebsrat und Unternehmensleitung sorgen jetzt dafür, dass sie behoben werden.

27. April 201627. 4. 2016


Die Firma Staedtler hat 2006 ein Internationales Rahmenabkommen, die Sozialcharta, unterzeichnet, mit dem sich der Konzern verpflichtet, weltweit Arbeitnehmerrechte einzuhalten. Mit dem Abschluss solcher Abkommen verfolgen Gewerkschaften und deren internationalen Verbände das Ziel, Beschäftigte in multinationalen Unternehmen und deren Zulieferer vor Ausbeutung und Lohndumping zu schützen. Die Grundsätze sind bei Staedtler in den Zielvereinbarungen der Geschäftsführer der Auslandsniederlassungen festgeschrieben


Um die Einhaltung dieses Rahmenabkommens zu überprüfen, findet in regelmäßigen Abständen ein sogenanntes Sozial-Audit statt. Ziel der Prüfung ist es heraus zu finden, ob die Sozialcharta von Staedtler auch im Ausland eingehalten wird. Ein Prüfungsteam aus BHI, IG Metall, betrieblichen Vertretern und Konzerngeschäftsführung besuchte die Niederlassung von Staedtler in Südafrika und den Lieferanten Agape in Johannesburg. „Beim Hersteller selbst war soweit alles in Butter“, konnten sich IG Metall-Mitarbeiter Michael Knoche und der deutsche Betriebsratsvorsitzende Jürgen Schlicht, die Mitglied im Audit-Team waren, vor Ort überzeugen.

Nicht so jedoch beim diesmal besuchten Zulieferer in Johannesburg. Dort werden die Stifte für den südafrikanischen Markt in landesübliche Größen verpackt. Die Mängel, die dem kritischen Auditteam ins Auge fielen, waren umfangreich: Die Packerinnen des Zulieferers waren befristet auf Tagelöhner-Basis eingestellt und erhielten nur 70 südafrikanische Rand (umgerechnet rund fünf Euro) am Tag. In der zugigen Produktionshalle gab es keine Pausenmöglichkeiten, die Arbeiterinnen saßen auf übereinander gestapelten Plastikstühlen an altertümlichen Maschinen und wackeligen Arbeitsflächen.


Auf einmal wurden Arbeitsschuhe ausgegeben

 

„Das war dritte Welt pur“, erinnert sich der Betriebsratsvorsitzende von Staedtler, Jürgen Schlicht. „Die Sanitärräume waren in einem schlimmen Zustand, es gab keine Umkleide und keine Pausenräume.“ Auffallend waren die fabrikneuen Arbeitsschuhe und Kittel: „Die hatten sie am selben Morgen erst bekommen, wie uns die Kolleginnen hinter vorgehaltener Hand erzählt haben, weil wir unseren Besuch angesagt hatten.“

Sowohl die vertragliche Situation als auch die Höhe der Bezahlung entspricht nicht den Ansprüchen von Staedtler an eine gerechte Bezahlung, fanden die Mitglieder des Audit-Teams übereinstimmend. Der Zulieferer wurde daher ausdrücklich aufgefordert, die Löhne mit sofortiger Wirkung um mindestens 66 Prozent zu erhöhen. Dies entspricht dem untersten Lohnniveau von privaten Hausangestellten. In Südafrika gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn und keinen Tarifvertrag für die Branche, in der der Zulieferer tätig ist.

Weitere Forderung des Audit-Teams: Bis zu einer erneuten Überprüfung sollen die Arbeiter zum Teil feste Verträge bekommen, damit sie vor den Auftragsschwankungen im Saisongeschäft besser abgesichert sind. Der Zulieferer macht 80 Prozent seines Umsatzes mit Staedtler und riskiert bei Nichteinhaltung der von der Sozialcharta und dem Hersteller vorgeschriebenen Standards die Geschäftsbeziehungen mit Staedtler. Das Unternehmen nimmt die Verpflichtungen aus der Sozialcharta sehr ernst. Zum Jahreswechsel hat der Zulieferer nach eigenen Angaben alle Mitarbeiter mit Verträgen ausgestattet und die Löhne um 30 Prozent erhöht.


Frist zur Erfüllung der Forderung


Der Konzernrevisionsleiter von Staedtler, Ralf Wiehl, ist weiterhin unzufrieden, denn anstatt die Forderungen umzusetzen, versuche der Zulieferer zu feilschen. So entsprechen weder die Lohnerhöhungen den geforderten 66 Prozent, noch sind die Festanstellungsverträge zufriedenstellend. Dem Zulieferer wurde eine letzte Frist bis Mai gesetzt, um die Maßnahmen im Sinne von Staedtler und den Gewerkschaften umzusetzen. „Ansonsten müssen wir uns von diesem Anbieter trennen“, sagt Wiehl. Und auch die IG Metall werde nicht locker lassen, betont Michael Knoche, Mitglied im Audit-Team.

In der deutschen Schreib- und Zeichengeräte-Industrie gehören Internationale Rahmenabkommen mittlerweile zum Standard. Faber-Castell war zur Jahrtausendwende das erste Unternehmen der Branche, das eine Sozialcharta mit der IG Metall sowie der Bau- und Holzarbeiter-Internationalen (BHI) abgeschlossen hatte. Die Mitbewerber wie Staedtler zogen nach.


Einen Fuß in der Tür


Zu den Verpflichtungen gehören beispielsweise die Anerkennung der Menschenrechte, der Ausschluss von Diskriminierungen und von Kinder- und Zwangsarbeit, das Recht der Beschäftigten, sich Gewerkschaften anzuschließen und Arbeitnehmervertretungen zu gründen, das Recht auf angemessene Bezahlung, gesunde Arbeitsbedingungen und menschliche Arbeitszeiten. Die Unternehmen haben erkannt, dass der Kunde Wert auf eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion legt. So gesehen ist das Soziale neben der Ökologie zu einem wichtigen Verkaufsargument geworden.

Die Gewerkschaften bekommen durch die Besuche an den Produktionsstandorten in Asien, Afrika oder Lateinamerika einen Fuß in die Tür. Oft können im Nachgang zu einem Audit betriebliche Interessenvertretungen entstehen. In Ländern, in denen nicht nur die Löhne niedrig, sondern auch die Rechte von Arbeitern nicht vergleichbar mit europäischen Standards sind, ist das keine Selbstverständlichkeit.

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