19. August 2013
Ratgeber Bahnpendler
Was tun, wenn der Zug nicht kommt?
Die Zugausfälle am Mainzer Hauptbahnhof haben viele Reisende in Bedrängnis gebracht. Tausende kamen nicht weg, mussten Umwege fahren oder auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Berufstätige erschienen zu spät zur Arbeit. Viele fragen sich jetzt: Was kann ich tun, wenn mir das passiert?

Das Chaos am Verkehrsknotenpunkt Mainzer Bahnhof hat eine Vorgeschichte. Schon vor Jahren wurden die Weichen bei der deutschen Bahn falsch gestellt. Das Staatsunternehmen sollte privatisiert werden und um es für einen privaten Käufer attraktiv zu machen, galt die Devise: Gewinne optimieren – durch Sparen an den Personalkosten. Vor allem in der Netzsparte wurden tausende Stellen abgebaut. Die Folge: Allein bei den Fahrdienstleitern an den Weichen fehlen rund 1000 Stellen. Diese Zahl nannte die Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG). Die Katastrophe kam, als am Mainzer Bahnhof einige Fahrdienstleiter zeitgleich erkrankten, während einige andere in Urlaub waren.

Mainz ist kein Einzelfall. Auch an anderen Bahnhöfen gab es schon Störungen, weil Personal fehlte.


Darf der Chef Beschäftigte aus dem Urlaub holen?

FDP-Generalsekretär Patrick Göring riet der Bahn, Fahrdienstleiter aus dem Urlaub zurückzuholen – und erntete dafür scharfe Kritik der Eisenbahnergewerkschaft. Die Fahrdienstleiter, so die EVG, hatten in der Vergangenheit schon oft die Fehler der Bahn ausbaden müssen. Sie hatten bereits mehrfach Urlaub verschieben müssen oder waren aus dem Urlaub zurückgeholt worden. Sie bräuchten ihren Erholungsurlaub jetzt „dringend“, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner.

Und sie haben auf ihren Urlaub auch – wie alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – einen gesetzlichen Anspruch, geregelt im Bundesurlaubsgesetz. Danach gilt für Arbeitnehmer generell: Wenn ein Arbeitgeber einem Urlaub zugestimmt hat, darf er ihn nicht einseitig wiederrufen.


Gibt es Ausnahmen?

Aus dem Urlaub zurückholen darf ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter nur in „zwingenden Notlagen“. Eine solche Notlage „ist aber nicht einfach zu begründen“, erklärt Stefan Soost, Arbeitsrechtsexperte beim IG Metall-Vorstand. „Diese Ausnahmen sind eng definiert, die Hürden sehr hoch.“ Es müsste schon Leben und Gesundheit von Menschen bedroht sein, zum Beispiel die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern. Das Gesetz sei nicht dazu da, Menschen im Urlaub den Schwarzen Peter zuzuschieben für eine verfehlte Personalpolitik und -planung.


Wie kommt der Pendler an sein Ziel?

Wenn die Bahn den Verkehr auf andere Strecken oder Ersatzfahrzeuge (Busse, Straßen- oder S-Bahnen) umlenkt, sollte das unter der (kostenpflichtigen) Hotline der Bahn 0180-699 6633 zu erfahren sein. Wenn die Kommunikation bei der Bahn wenigstens funktioniert. Oder er müsste bei der kostenlosen Fahrplanauskunft 0800-150 7090 fündig werden.

Was kann der tun, der anders zur Arbeit kommen muss und kein Auto zur Verfügung hat und wegen der Weglänge auch nicht aufs Fahrrad umsteigen kann? Wenn die Ausfälle bei der Bahn länger dauern (können), behelfen sich viele, indem sie Fahrgemeinschaften mit Kollegen bilden. Oder mit anderen Pendlern: Im Internet gibt es Portale, über die man sich zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen kann. Wer ein Taxi nimmt, muss bedenken, dass das zwar bequem, aber unter Umständen teuer ist: Der Arbeitgeber muss die Kosten nicht erstatten.


Was tun, wenn ich mich verspäte?

Wenn jemand nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht zur Arbeit kommen kann, weil die Bahn nicht fährt oder der Zug verspätet ist, Straßen nicht befahrbar sind oder Staus den Verkehr lahm legen, muss er seinen Arbeitgeber sofort darüber informieren. Wer das versäumt, riskiert eine Abmahnung. Wen die höhere Gewalt von der Arbeit abhält, der sollte die Gelegenheit auch nicht unbedingt nutzen, um noch mal schnell einen Abstecher in den Baumarkt zu machen, ins Café oder shoppen zu gehen. Denn wer zu spät in den Betrieb kommt und einen kleinlichen Chef hat, dem kann es passieren, dass ihm sogar der Lohn gekürzt wird. Oder dass er die fehlende Zeit nacharbeiten muss.


Entschädigt mich die Bahn bei Ausfällen?

Wenn der Zug nicht fährt, wird der Bahnkunde, der ein Ticket hat, entschädigt -nicht immer, aber manchmal. Wer zum Beispiel 60 Minuten zu spät oder noch später am Ziel ankommt, erhält 25 Prozent des Fahrpreises erstattet, ab 120 Minuten 50 Prozent. Das gilt auch, wenn die Verspätung kürzer ist, der Zugreisende aber wegen der Verspätung einen Anschlusszug verpasst und darum eine Stunde oder noch später sein Ziel erreicht. Auch im Nahverkehr gibt es bei Verspätungen Geld zurück. Auch 25 Prozent, aber erst ab einem Erstattungsbetrag von vier Euro (bei einem Ticket ab 16 Euro). Bei Sondertickets, wie Monats-, Wochenkarten und Bahncards gelten andere Regelungen (mehr unter der Internetadresse unten).


Zahlt die Bahn Taxis und Hotels?

Wenn ein Bahnkunde, weil der Zug zu spät oder ausgefallen war, spät abends an einem Bahnhof strandet und nicht mehr weiterkommt, darf er auf Kosten der Bahn mit dem Taxi fahren. Er erhält aber höchstens 80 Euro erstattet. Auch ein Hotel kann er sich nehmen, ohne es selbst bezahlen zu müssen.


Wie komme ich an mein Geld von der Bahn?

Der Weg zur Erstattung von Kosten führt, wie bei ordentlichen Behörden, über Formulare. Wer Ansprüche geltend machen will, muss das „Fahrgastrechte-Formular“ ausfüllen und mit der Originalfahrkarte bei der Bahn einreichen. Das Formular gibt es in den Zügen, an DB-Service-Points, in den Reisezentren und online unter www.fahrgastrechte.info.


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