25. Februar 2010
Ratgeber arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Arbeitsmedizin versteht sich als medizinisches Fachgebiet, das sich nicht in erster Linie um die Therapie von Erkrankungen, sondern um die Vorsorge (Prävention) in der Arbeitswelt kümmert. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen gehören dazu. Unser Ratgeber gibt einen Überblick.

Arbeitsmedizin hat sowohl eine kollektive Vorsorgeaufgabe – also die Unterstützung und Beratung des Arbeitgebers in allen Fragen des betrieblichen Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung oder auch die Beteiligung an der Beurteilung der Arbeitsbedingungen – als auch eine individuelle Vorsorgeaufgabe. Individuell auch deshalb, weil jeder Mensch andere gesundheitliche Voraussetzungen mitbringt und deshalb auch individuell zu beraten ist.
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen sind ein Teil davon. Wir erklären, was zu beachten ist.
Für weiterführende Informationen wenden Sie sich anschließend an Ihren Betriebsrat oder Ihre IG Metall vor Ort.


Was sind arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen?

Vorsorgeuntersuchungen ohne Arbeitsplatzbezug gehören nicht zur Arbeitsmedizin. Auch ein allgemeiner Gesundheitscheck ist eigentlich Sache des Hausarztes. Werden solche Untersuchungen angeboten, so können sie allenfalls als freiwilliges Angebot des Betriebes im Rahmen der Personalpflege gesehen werden. Sie sind daher auch nicht in den Einsatzzeiten enthalten. Niemand kann zu einer Teilnahme gezwungen werden.

Untersuchungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand hin ohne direkten Arbeitsplatzbezug sind nicht Aufgabe des Arbeitsmediziners. Wird der Arzt von dem Arbeitgeber dennoch mit der Durchführung solcher Untersuchungen beauftragt, so sollte der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nutzen. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 ASiG ist die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen, wenn die Aufgaben des Betriebsarztes erweitert oder eingeschränkt werden sollen.


Angebots- und Pflichtuntersuchungen

Die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen unterteilen sich in Angebots und Pflichtuntersuchungen. Ganz allgemein lässt sich sagen: Wenn Tätigkeiten mit chemischen oder anderen Einwirkungen im „erlaubten Rahmen“ liegen, hat jeder Beschäftigte das Recht, sich regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen oder einfach nur beraten zu lassen. Das ist absolut freiwillig! Einen Druck auf die Beschäftigten auszuüben, ist ungesetzlich! Auch wenn das Angebot von dem Beschäftigten nicht wahrgenommen wird, muss der Arbeitgeber die Angebotsuntersuchungen regelmäßig weiter anbieten (§ 5 Abs. 1 ArbMedVV). Das heißt, solche Untersuchungen müssen vom Arbeitgeber angeboten werden und der Beschäftigte kann freiwillig dieses Angebot nutzen. Welche Angebotsuntersuchungen es geben kann findet sich im Anhang der ArbMedVV.

Geht eine Belastung über „den erlaubten Bereich“ hinaus oder ist ein Gefahrstoff hautresorptiv, so ist die Vorsorgeuntersuchung Pflicht. Allerdings gilt auch hier, dass niemand unmittelbar gezwungen werden kann, sich auch tatsächlich untersuchen zu lassen. Eine Ablehnung hat aber dann im Bereich der Pflichtuntersuchungen zur olge, dass ein Beschäftigungsverbot an dem jeweiligen Arbeitsplatz entsteht. Denn: „Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit nur ausüben lassen, wenn die nach Absatz 1 erforderliche Pflichtuntersuchung zuvor durchgeführt worden ist.“ (§ 4 Abs. 2 Arb- MedVV). Auch die Pflichtuntersuchungen sind im Anhang der ArbMedVV aufgeführt.

Auch Leiharbeitnehmer haben ein Recht auf arbeitsmedizinische Untersuchungen bzw. besteht die Pflicht, sie vor bestimmten Tätigkeiten arbeitsmedizinisch zu untersuchen. Es muss allerdings dringend davor gewarnt werden, vorsorglich für alle denkbaren Arbeitsplätze, an denen ein Leiharbeitnehmer eingesetzt werden könnte, Angebots- und Pflichtuntersuchungen durchzuführen, ohne einen direkten Bezug zum konkreten Arbeitsplatz herzustellen. Auch für den Bereich der Leiharbeitnehmer gilt: So viele Untersuchungen wie nötig, so wenige wie möglich.


Ergebnis der Untersuchung

Werden Angebotsuntersuchungen durchgeführt, erhält der Arbeitgeber lediglich die Information, dass eine Untersuchung durchgeführt wurde. Weitere Informationen erhält er in diesem Fall nicht.

Bei speziellen arbeitsmedizinischen Pflichtuntersuchungen wird nicht nur der Beschäftigte sondern auch der Arbeitgeber personenbezogen über das Ergebnis dieser Untersuchung informiert.

Grundsätzlich gilt: Diese Information über das Ergebnis bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber über die Diagnose oder den Befund informiert wird. Auch im Betrieb gilt die ärztliche Schweigepflicht! Das bedeutet, als Ergebnis wird dem Arbeitgeber nur mitgeteilt, ob „gesundheitliche Bedenken“ bestehen oder nicht oder ob sie unter bestimmten Voraussetzungen, evtl. zeitlich befristet, bestehen. Die Bescheinigung für den Arbeitgeber enthält also die Formulierung: „Keine gesundheitlichen Bedenken“ oder „Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen“ oder „Gesundheitliche Bedenken (ggf. befristet)“. Dies gilt nur bei den Pflichtuntersuchungen.

Bevor die Feststellung des Arbeitsmediziners, dass bei Beschäftigten „gesundheitliche Bedenken“ bestehen, weitere negative Folgen für die Beschäftigten hat, hat der Gesetzgeber viele Hürden gesetzt. Werden gesundheitliche Bedenken geäußert, muss in einem ersten Schritt geschaut werden, welche Ursachen am Arbeitsplatz selbst vorhanden sein können und was am Arbeitsplatz zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes veränderbar ist. Das heisst, zuerst muss eine systematische Analyse und Beurteilung der Gefährdungen bei der Arbeit erfolgen und die Frage geprüft werden, wie durch eine Veränderung des Arbeitsplatzes oder des Arbeitsbereichs Abhilfe geschaffen werden kann. Über vorgesehene Maßnahmen ist der Betriebsrat zu informieren.

Des Weiteren ist zu prüfen, ob Fehler beim Verwenden persönlicher Schutzausrüstungen oder im Arbeitsverhalten gemacht werden und ggf. abgestellt werden müssen. Nur ganz selten (in weniger als 1 Prozent aller Fälle) gibt es „gesundheitliche Bedenken“ gegen eine Weiterbeschäftigung, die aufgrund von Erkrankungen des Mitarbeiters ausgesprochen werden. In einem solchen Fall muss ein anderer Arbeitsplatz im Betrieb gesucht werden (§ 8 ArbMedVV). Übrigens: Das alles geht nicht, ohne dass auch die Arbeitsmediziner die Arbeitsstätten begehen und sich bei Gefährdungsbeurteilungen aktiv beteiligen.

Anzumerken ist, dass bei unmittelbaren erheblichen Gefahren nach § 9 Abs. 3 ArbSchG kein Beschäftigter gezwungen werden kann, in solchen Bereichen zu arbeiten. Nach § 12 ArbSchG ist der Beschäftigte über Unfall- und gesundheitsgefahren zu unterrichten.


Übersicht über spezielle arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen

 
 

Übersicht über sezielle arbeitsmedizinisce Angebotsuntersuchungen
 

 

Wunschuntersuchungen

Neben diesen Pflicht- und Angebotsuntersuchungen haben Arbeitgeber gemäß ArbMedVV bzw. ArbSchG den Beschäftigten auf deren Wunsch hin zu ermöglichen, sich regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen (so genannte Wunschuntersuchungen). Hierzu erarbeitet der Ausschuss für Arbeitsmedizin Empfehlungen. Ungeachtet dessen können Beschäftigte wie bisher eine arbeitsmedizinische Untersuchung von ihrem Arbeitgeber einfordern, wenn sie dies für erforderlich halten. Der Arbeitgeber kann die Durchführung von Wunschuntersuchungen verweigern, wenn aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen nicht mit einem Gesundheitsschaden am Arbeitsplatz zu rechnen ist.


Arbeitsmedizinische Untersuchungen bei Nachtarbeit

Gemäß Arbeitszeitgesetz (§ 6 AZG) sind Beschäftigte in Nachtarbeit berechtigt, sich vor Beginn und danach regelmäßig (im Zeitabstand von mindestens 3 Jahren) arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Ältere Beschäftigte über dem 50. Lebensjahr können eine jährliche Untersuchung verlangen. Wird im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchungen festgestellt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Nachtarbeit zu erwarten sind, können Beschäftigte verlangen, auf einen Tagesarbeitsplatz umgesetzt zu werden. Stehen einer Umsetzung aus Sicht des Arbeitgebers betriebliche Gründe entgegen, so ist der Betriebsrat zu hören. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge machen, um die Forderung des Beschäftigten umzusetzen.

Neben diesen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen gibt es auch Untersuchungen auf Veranlassung der Berufsgenossenschaften. Dabei handelt es sich um so genannte nachgehende Untersuchungen die erforderlich sind, weil mit krebserzeugenden beziehungsweise erbgutverändernden Gefahrstoffen gearbeitet wurde. Solange Beschäftigte im Betrieb arbeiten, werden die erforderlichen Untersuchungen vom Arbeitgeber veranlasst. Nach Beendigung dieser Tätigkeit meldet der Arbeitgeber den Beschäftigten an den von den Berufsgenossenschaften eingerichteten „Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen (ODIN)“ der den ehemaligen Beschäftigten die erforderlichen nachgehenden Untersuchungen anbietet. Ähnlich wird dies von der „Gesundheitsvorsorge“ (GVS) füher: „Zentrale Erfassungsstelle für asbeststaubgefährdete Arbeitnehmer (ZAs)“ in den Fällen der Tätigkeit mit Asbest über die Berufsgenossenschaften organisiert.
 


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