1. März 2020
Interview: Simon Che Berberich
Gleichstellung
„Die gläserne Decke bekommt Risse – weil wir konsequent dranbleiben“
Chef werden die Männer, Frauen verdienen weniger. So sieht die Arbeitswelt vielerorts noch immer aus. Christiane Benner will das ändern. Die Zweite Vorsitzende der IG Metall erklärt, welche Fortschritte es in den Betrieben gibt und warum Frauenquoten unerlässlich sind.

Christiane, wir schreiben das Jahr 2020 und Frauen verdienen weiterhin weniger als Männer. Wie lange noch?

Christiane Benner: Wenn es nach uns geht, dann nicht mehr lange. Es ist nicht in Ordnung, wenn sogenannte typische Frauenberufe viel schlechter bezahlt sind als typische Männerberufe. Deshalb unterstützen wir als IG Metall die Forderung nach einer Aufwertung von Pflegeberu­fen. Hinzu kommt, dass Frauen auch bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit weniger bekommen.


Wie lässt sich das ändern?

Ganz klar ist: Das beste Mittel sind Tarifverträge und aktive Betriebsräte! In tarifgebundenen Betrieben ist die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen deutlich geringer, immerhin zehn Prozentpunkte. Tarifverträge sorgen für klare Kriterien bei der Eingruppierung. Unsere IG Metall-Betriebsräte achten auf die Einhaltung dieser Regeln. Wir brauchen mehr Tarifbindung und wir brauchen eine systematische Prüfung der Entgeltstrukturen: Wie sieht die Lohnentwicklung aus? Können sich Frauen im Betrieb entwickeln? Nur diese Prüfung ermöglicht es uns, betrieblich gegenzusteuern, Maßnahmen zu starten.

 

„Es sind vor allem die Arbeitgeber, die bremsen.“

 

Aus niedrigeren Löhnen werden irgendwann niedrige Renten …

Deshalb finde ich es so wichtig, dass wir etwas gegen Altersarmut tun. Die Grundrente ist ein bedeutender erster Schritt. Sie kommt überwiegend Frauen zugute und ist eine wichtige Grenze nach unten. Auch wenn es berechtigte Kritik an ihrer Ausgestaltung gibt: Es muss doch mal was passieren! Wir nehmen nicht hin, dass Menschen, die Kinder großziehen und Angehörige pflegen, im Alter in die Röhre schauen. Nehmen wir das Beispiel vieler Frauen: Sie konnten sich niemals ausruhen. Haben immer ge­arbeitet. Wenn die Grundrente kommt, haben sie mehr in der Tasche.


In den Chefetagen gibt es wenige Frauen. Siehst Du Fortschritte?

Nur jedes elfte Vorstandsmitglied ist weiblich. Der Frauenanteil steigt nur in homöopathischen Dosen, aber es tut sich was. Die gläserne Decke bekommt Risse – weil wir konsequent dranbleiben. Mehr Frauen in Chefetagen ist eine Frage der Gerechtigkeit. Und nicht nur das: Eine Studie über den Politikbetrieb hat nachgewiesen, dass Frauen eine bessere Politik für Frauen machen. Dasselbe gilt übrigens auch für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.

 

Inwiefern?

In der Wirtschaft führen gemischte Teams nachweislich zu besseren Ergebnissen, zu mehr Innovation. Gerade in der Transformation braucht es diese Innovationen. Wir können es uns nicht leisten, auf die guten Ideen zu verzichten. Durch Quoten haben wir es geschafft, den Frauenanteil in den Aufsichtsräten zu erhöhen. Wir müssen jetzt noch weiter gehen: Auch Vorstände müssen gemischter werden. Nur so schaffen wir den Kulturwandel. Unser Ziel ist ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle wohlfühlen können. Das steigert den wirtschaftlichen Gesamterfolg und ist eine Frage der Gerechtigkeit.


Stehen die Männer auf der Bremse?

Es sind vor allem die Arbeitgeber, die bremsen. Aber ich treffe überall viele Verbündete. Unseren Vorsitzenden Jörg Hofmann und viele Männer, die am Kulturwandel mitarbeiten. Und die gesamte IG Metall treibt das voran.


In der laufenden Metalltarifrunde geht es um Beschäftigungssicherung und Qualifizierung. Was bedeutet das für Metallerinnen?

Unser Ziel ist, dass alle in der Transformation mitgenommen werden. Im Hinblick auf die weiblichen Beschäftigten ist eines besonders wichtig: Wir müssen die Beschäftigten in den Bürobereichen auf dem Schirm haben. Das sind häufig Frauen. Auch im Büro findet Transformation statt: Algorithmen in der Personalauswahl, Chatbots, Softwareroboter. Oder Selfservice ersetzt Assistenztätigkeiten von Sekretärinnen. Oft fallen langweilige Routinetätigkeiten weg, neue Aufgaben kommen dazu. Die Arbeitgeber müssen sagen, wie sie diese Tätigkeiten weiterentwickeln wollen. Und wenn nötig braucht es dann Qualifizierung.


Welche Perspektiven gibt es für derzeit typische Frauenberufe?

Wir haben mit dem Zukunftsinstitut einen „Trend-Guide Zukunft der Büroberufe“ entwickelt. Ergebnis: Gebraucht werden Problemlöserinnen mit Gesamtüberblick. Also Beschäftigte, die team-, prozess- und projektorientiert an kundengerechten Lösungen ­arbeiten, unter Verwendung aktueller Informations- und Kommunikationstechnik.


Tun die Unternehmen genug?

Wir haben im vergangenen Jahr in knapp 2 000 Unternehmen gefragt, wie der Stand der Digitalisierung ist und damit unseren Transformationsatlas erstellt. Die Unternehmen sind derzeit sehr unterschiedlich aufgestellt. Eine Strategie ist kaum erkennbar. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig: Wir müssen die Initiative ergreifen.


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