1. Juli 2019
Rente
„Lebensleistung anerkennen“
„Wer 35 oder mehr Jahre gearbeitet hat, soll im Alter nicht aufs Sozialamt angewiesen sein – das ist die Idee der Grundrente. Sie ist ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit“, sagt Hans-Jürgen Urban, der im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig ist.

Hans-Jürgen, warum ist die Grundrente sinnvoll?

Wenn auch langjährige Erwerbsarbeit nicht ausreicht, um im Alter den Gang zum Sozialamt zu vermeiden, dann ist etwas faul auf dem Arbeitsmarkt und mit unserem Rentensystem. Mit der Grundrente soll die Lebensleistung jahrzehntelanger Arbeit anerkannt und Altersarmut eingedämmt werden. Das stößt zu Recht auf breite Zustimmung: In einer Umfrage im Auftrag der IG Metall sprechen sich 81 Prozent der Befragten für die Grundrente aus.


Wer soll davon profitieren?

Anders als von Kritikern häufig behauptet, profitieren keineswegs die Falschen. Es profitieren Menschen, die es sich durch ihre erbrachten Leistungen im Erwerbsleben verdient haben. Nach Angaben der Bundesregierung wären etwa drei Millionen Menschen anspruchsberechtigt. Davon sind 80 Prozent Frauen, die ohnehin in Sachen Renten oft benachteiligt sind. Die überwältigende Mehrzahl der Anspruchsberechtigten lebt in Haushalten mit niedrigem Einkommen. Überwiegend profitieren diejenigen, bei denen der Bedarf vorhanden ist.


Geht das zulasten der jungen Generation?

Nein. Auch die jüngere Generation würde in Zukunft von der Reform profitieren. Wer heute unterdurchschnittlich verdient, aber über viele Jahre in die Rentenkasse einzahlt, wird im Alter ebenfalls in den Genuss einer Aufstockung kommen können. Die Grundrente ist ein Beitrag zur Leistungsgerechtigkeit. Davon profitieren Jung und Alt.


Was entgegnest Du den Kritikern der Grundrente?

Es ist verwunderlich, wenn Neoliberale das Thema soziale Gerechtigkeit für sich entdecken und ausgerechnet die Grundrente als ungerecht brandmarken. Ich nenne es ungerecht, wenn Beschäftigte nach 35 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht mehr haben als die Grundsicherung, die auch ohne Beitragsleistung gewährt wird. Die Arbeitgeber sollten nicht klagen, sondern sich ihrer Verantwortung stellen. Niedriglöhne sind noch immer die Hauptursache für Niedrigrenten und Altersarmut. Wer faire Löhne zahlt, die im Alter für eine auskömmliche Rente reichen, senkt damit auch die Kosten der Grundrente.


Wie bewertest Du den Finanzierungsvorschlag zur Grundrente, der in der Großen Koalition heiß diskutiert wird?

Die Grundrente sollte möglichst vollständig aus Steuermitteln finanziert werden. Denn ihre Finanzierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie muss von allen Mitgliedern der Gesellschaft übernommen werden und nicht nur von den Beitragszahlern zur Rentenversicherung.


Welche Baustellen gibt es bei der Rente noch?

Wir brauchen eine grundlegende Neuausrichtung der Rentenpolitik. Auskömmliche Renten müssen wieder das zentrale Ziel der Rentenpolitik werden ― und nicht möglichst niedrige Beiträge, von denen die Arbeitgeber am meisten profitieren. Denn für die Beschäftigten läuft das zumeist auf niedrigere Renten hinaus. Unverzichtbar ist die deutliche Anhebung des Rentenniveaus und eine Erwerbstätigenversicherung, in der alle Berufsgruppen gemeinsam versichert sind. Zugleich brauchen wir eine bessere Erwerbsminderungsrente. Was wir aber auf keinen Fall brauchen, ist ein höheres Renteneintrittsalter.


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