1. April 2019
Jan Chaberny
Digitalisierung
Kreatives Arbeiten im Büro
Agile Methoden ziehen in die Büros ein, sie verändern die Arbeit der Beschäftigten grundlegend. Für die Kolleginnen und Kollegen können die Arbeitsformen attraktiv sein – wenn sie richtig gestaltet sind. Das zeigt das Beispiel BMW in München.

Wie das so ist mit neuen Begriffen, mit neuen Methoden, sie klingen ja immer smart und spannend, ein verführerischer Sound: agiles Arbeiten etwa. Klingt das nicht gut? „Natürlich“, sagt Torsten Hartmann, 52 Jahre, Betriebsrat der BMW Group IT in München, ein schneller, wacher Mann, in Chemnitz geboren, eine Ausbildung zum Facharbeiter für Maschinenbau absolviert, später hat er in Zwickau Maschinenbau studiert und promoviert, seit 1998 ist er bei BMW. „Aber das ist nicht die Frage. Die Frage ist, ob agiles Arbeiten klappt. Und was es für die Beschäftigten bedeutet.“

Nun: Es kann klappen, und es klappt sogar sehr gut, das kann Torsten Hartmann heute, nach eineinhalb Jahren Probephase in zwei Abteilungen mit rund 120 Beschäftigten, sagen ― und das bestätigt auch seine Betriebsratskollegin Sonja Szicher, die mit ihm dieses Pilotprojekt begleitet.


Neue Anforderungen 

Nicht so leicht ist die zweite Frage zu beantworten, die Frage, was es für die Beschäftigten bedeutet, in agilen Strukturen zu arbeiten. „Das ändert viel“, sagt Tobias Afsali, der sich im Gesamtbetriebsrat auch um Digitalisierung kümmert. „Deshalb ist es wichtig, dass der Betriebsrat von Anfang an eng in die Konzeption eingebunden ist. Wenn man es richtig anpackt, kann agile Arbeit zu mehr Selbstbestimmung führen. Dazu ist es nötig, tatsächlich neue Strukturen zu schaffen und nicht einfach irgendwo ein Label anzukleben.“

Im Pilotprojekt bei BMW München haben sie neue Strukturen geschaffen, aber eben noch mehr. „Es genügt nicht, Strukturen wie vom Reißbrett einzuführen“, sagt Tobias Afsali. „Agile Arbeit funktioniert nur, wenn die Beschäftigten auch Ressourcen bekommen. Wenn sie ermächtigt werden, selbstbestimmt und kreativ zu arbeiten.“

Darauf kommt es beim agilen Arbeiten an: Dass man zu schnellen Lösungen kommt, kreativ ist, wendig und auf neue Anforderungen reagieren kann. „Ursprünglich kommt Agilität aus der Softwareentwicklung“, sagt Betriebsrat Torsten Hartmann. „Es bedeutet, dass ein Produkt von sich selbst organisierenden Teams in kleinen Schritten entwickelt wird.“ Für Christiane Benner können agile Methoden die Arbeit der Beschäftigten interessanter und abwechslungsreicher machen. „Wenn agiles Arbeiten zu mehr Selbstbestimmung und zu mehr Gestaltungsspielräumen führt, begrüßen wir das“, sagt die Zweite Vorsitzende der IG Metall. „Es braucht drei wichtige Zutaten, damit aus agiler Arbeit gute Arbeit wird: Gestaltung, Mitbestimmung und Beteiligung der Beschäftigten.“

Die hat es in den beiden IT-Abteilungen bei BMW in München von Anfang an gegeben. „Wir haben Strukturen abgebaut, um den agilen Teams Platz zu schaffen“, sagt Torsten Hartmann. Eine Hierarchieebene, die Gruppenleitung, wurde transformiert, die fachlichen, prozessualen und disziplinarischen Führungsfunktionen neu verteilt. Abteilungsleiter haben jetzt nicht mehr zum Beispiel fünf geschlossene Gruppen unter sich, sondern einen Bereich von beispielsweise 60 Kolleginnen und Kollegen. „Die können jetzt schnell an verschiedenen Stellen eingesetzt werden, das kommt gut an.“ Diese Teams sind Kern der agilen Arbeitsform. Die meisten bestehen aus sieben Beschäftigten, arbeiten produktbezogen in Sprints, in einzelnen Entwicklungsphasen, die von täglichen Meetings flankiert werden. Vor allem arbeiten sie mit umfassender Verantwortung. „Bislang gab es ein Teilprojekt, das sich ein neues Produkt ausgedacht hat, ein zweites, das programmierte, ein drittes, das getestet und ein viertes, das das Produkt betrieben hat“, sagt Torsten Hartmann. „Das führte zu Reibungsverlusten und unklarer Verantwortung innerhalb des Projekts.“


Arbeiten im Team  

Wenn nun etwa eine App entwickelt werden soll, die einen Überblick über den Bestand von Frontscheiben für den 3er-BMW gibt, wird ein agiles Team beauftragt, das von der Planung über die Programmierung bis zum Betreiben alles in der Hand hat. Es verfügt über drei Funktionen: Bei BMW gibt es einen „Product Owner“, der die fachliche Führung innehat, Aufgaben priorisiert, mit dem Kunden im Kontakt ist. Es gibt einen „Agile Master“, der für prozessuale Führung zuständig ist, reibungsloses Arbeiten ermöglicht. Schließlich gibt es einen „Line Manager“, der sich auf disziplinarische Führung konzentriert. „Die Aufgabe der Drei ist, dem Team den Rücken freizuhalten“, sagt Torsten Hartmann. „Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Freiräume.“ Am IT-Standort bei BMW in München ist man dabei, die passenden Strukturen praxistauglich zu schaffen.


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