23. September 2025
PRESSEMITTEILUNG
IG Metall fordert neuen Realismus in der Industrie- und Handelspolitik
Local-Content-Vorgaben als Antwort auf geo-ökonomische Verwerfungen +++ Kurs halten bei der Energiewende +++ Industrielle Strukturen über neue Finanzierungsinstrumente sichern +++

Berlin – Angesichts des Verlusts zehntausender Arbeitsplätze in Deutschland fordert die IG Metall einen neuen Realismus in Fragen der Industrie- und Handelspolitik. „Die Welt der regelbasierten Handelsordnung ist implodiert. Die USA und China haben sich vom fairen Wettbewerb verabschiedet“, sagte die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, anlässlich der Industriekonferenz der Gewerkschaft in Berlin. „Wir müssen dieser neuen Realität etwas entgegensetzen. Weniger Staat ist der falsche Weg, aktiver Staat muss das Leitbild sein. Wir brauchen eine aktive Industriepolitik mit Gestaltungsanspruch. Der Markt allein wird es nicht richten.“

Lokale Wertschöpfung verbindlich vorschreiben
Nach Überzeugung der IG Metall sind verbindliche Local-Content-Regelungen eine Schlüsselantwort auf die neue geo-ökonomische Realität. „Local Content ist die logische Antwort auf eine Welt, in der Zölle, Subventionen und unfaire Handelspraktiken längst den Alltag bestimmen“, so Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall. „Wer es ernst meint mit dem Anliegen, Resilienz zu stärken, kritische Technologien zu schützen und Abhängigkeiten zu verringern, der kommt an Local Content nicht vorbei.“

Die Gewerkschaft fordert daher verbindliche Quoten, Pflichten und Auflagen, um wieder mehr Wertschöpfung in Deutschland und Europa zu verwirklichen. „Marktzugang gibt es nicht zum Nulltarif. Wer auf unsere Märkte will, muss auch hier investieren – in Standorte, Arbeitsplätze und Wertschöpfung“, forderte Kerner vor Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Betrieben. Er warnte vor den Folgen, sollte eine entsprechende Regelung ausbleiben: „Dann finanzieren wir den Umbau unserer Industrien, den Hochlauf der Elektromobilität und die Energiewende – und am Ende kaufen wir Schlüsselkomponenten aus Übersee ein, machen uns abhängig, legen kritische Infrastrukturen offen, während unserer Werkshallen leer bleiben.“

Kurs halten bei der Energiewende
Den jüngst veröffentlichten Monitoringbericht zur Energiewende aus dem Bundeswirtschaftsministerium sieht die Gewerkschaft skeptisch. „Der Bericht darf nicht als Begründung für eine Vollbremsung bei der Energiewende herhalten“, warnte Kerner. „Der Strombedarf wird in den nächsten Jahren sehr wohl exorbitant steigen. Wir alle haben ein Interesse daran, dass er steigt – bei mehr E-Autos, Wärmepumpen und elektrifizierten Industrieprozessen.“ Gaskraftwerke, die als Brückentechnologie grundsätzlich sinnvoll seien, dürften nicht gegen Solar, Wind und Biomasse ausgespielt werden.

Die IG Metall fordert vielmehr einen massiven Ausbau der Stromnetze, mehr Speicher und Elektrolysekapazitäten, vorrangige Genehmigungsverfahren für Industrieareale, mehr Direktbelieferung von Gewerbe und industriellem Mittelstand, eine effektivere Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur und einen erheblichen Netzausbau zur Verteilung. Die Finanzierung und die nötigen Förderungen müssen langfristig sichergestellt werden. Daneben drängt die IG Metall weiter auf die schnelle Einführung eines wettbewerbsfähigen Industriestrompreises in Höhe von 5 Cent pro Kilowattstunde. Jürgen Kerner: „Der Industriestrompreis muss die Brücke sein, die Planungssicherheit vermittelt, bis genügend günstiger Strom aus erneuerbaren Energien verfügbar ist.“

Keine Tricks beim Sondervermögen!
Neben den richtigen handels- und energiepolitischen Weichenstellungen erfordert die Wirtschaftskrise nach Überzeugung der IG Metall massive öffentliche Investitionen. Das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität muss darum zügig mit konkreten Investitionsprojekten hinterlegt und verausgabt werden. Benner pocht darauf, das Kriterium der Zusätzlichkeit ernst zu nehmen: „Im Kernhaushalt vorgesehene Investitionen dürfen nicht ins Sondervermögen verschoben werden.“  

Darüber hinaus muss die Bundesregierung den im Koalitionsvertrag angekündigten Deutschlandfonds zügig auflegen. Dieser sieht vor, Investitions- und Finanzierungslücken besonders im Mittelstand zu schließen. Der Bund plant demnach zehn Milliarden Eigenmittel einzusetzen, die mithilfe von privatem Kapital und Garantien auf mindestens 100 Milliarden gehebelt werden sollen. „Hier müssen auch mittelständische Unternehmen der Automobilzulieferbranche zum Zuge kommen, wenn sie in zukunftsfähige Geschäftsmodelle investieren wollen“, fordert Christiane Benner. „Oft genug bekommen sie derzeit keine Finanzierung mehr, auch wenn gute Ideen vorhanden sind.“

Auf der Industriekonferenz der IG Metall treffen sich heute und morgen, am 23. und 24. September, rund 250 Betriebsrätinnen und Betriebsräte in Berlin, um aktuelle industriepolitische Themen mit Expertinnen und Experten aus Industrie, Wissenschaft und Politik zu erörtern. Die Konferenz findet in dieser Form zum ersten Mal statt. Sie ist der Auftakt für weitergehende Diskussionen mit Politik, Verbänden, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

 


IG Metall Vorstand
Artur Siemens
Pressesprecher

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