19. September 2011
Ingenieure: Wissensarbeit global
Wenn die Zeitzone keine Rolle spielt
Die IAA ist ein Schmelztiegel für neue technische Entwicklungen. Ohne die globale Wissensarbeit von Ingenieuren gäbe es viele Innovationen nicht. Die Autoindustrie kommt ohne weltweit vernetzte Wissensarbeit ihrer hochqualifizierten Ingenieuren nicht aus – für Beschäftigte und Betriebsräte eine ...

... Herausforderung.

Auf der Internationalen Automobilaustelltung (IAA) in Frankfurt sind die Elektroautos die Stars. Die deutschen Hersteller machen mit vielen Innovationen von sich reden. Sie setzen auf neue Modelle und Antriebe. Besonders die Halle der Elektromobilität steht im Zentrum des Besucherinteresses. Auf einem Freigelände können Besucher ihre Erfahrungen beim Fahren von Elektroautos machen.

Die Branche erfindet das Automobil sozusagen neu. Um die enormen Forschungskosten zu stemmen, sind viele Autokonzerne Kooperationen eingegangen. Damit verändern sich auch die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten. Wissensarbeit wird über Länder und Kontinente verteilt auf Projektteams. An verschiedenen Standorten findet Entwicklung und Produktion statt. Ingenieure sind mehr und mehr im Auslandseinsatz. Arbeitszeiten dehnen sich über verschiedenen Zeitzonen.

Zeit- und Konkurrenzdruck
Das Arbeiten im „global office“ hat viele Gesichter. Beschäftigte sind mit dauernder Umstrukturierung von Unternehmen, mit Fremdvergabe, Werkverträgen und neuen Arbeitsformen konfrontiert. Zeit- und Konkurrenzdruck nehmen beträchtlich zu. Diesen Begleiterscheinungen der Globalisierung widmet die IG Metall die Engineering-Tagung, die am morgigen Dienstag in Essen beginnt.

Die Entwicklung stellt Beschäftigte und Betriebsräte vor neue Herausforderungen. Im globalen Kontext waren Forschung und Entwicklung noch nie so verdichtet wie heute. Leistungsverdichtung und ausufernde Arbeitszeiten durch zeitzonenübergreifende Projektarbeit wird mehr und mehr Arbeitsalltag.

Vor allem Beschäftigte in den Ingenieurbüros sind von dem neuen Trend betroffen. Denn die technologische Entwicklung ist rasant. Hintergrund dieser revolutionären Entwicklung ist der eingeleitete Systemwechsel im Antriebsstrang durch die Elektrifizierung der Antriebskomponenten. Deutschland soll der technologische Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität werden.

Heinz-Rudolf Meißner, der für die IG Metall die Entwicklung in der Automobilindustrie wissenschaftlich erforscht, rechnet damit, dass sich die Entwicklung des elektrischen Antriebsstranges über den Zeitraum der nächsten 20 Jahre durchsetzen wird. Des Weiteren macht der Klimawandel und die vereinbarte Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs eine drastische Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen notwendig.

210 statt 1400 Teile
Während beim Hybridantrieb die Wertschöpfung aufgrund von zwei Motoren und der entsprechend aufwändigen Steuerung zunimmt, reduziert sich die Wertschöpfung beim Elektromotor deutlich, da viele Komponenten wegfallen. Der Elektromotor ist deutlich weniger komplex als der Verbrennungsmotor. Ein Verbrennungsmotor besteht aus etwa 1400 Teilen, der elektronische Antriebsstrang besteht dagegen lediglich aus 210 Teilen.

Beim Elektromotor fallen folgende Teile weg: der Verbrennungsmotor mit Motorblock, Kolben, Dichtungen, Ventilen, Nockenwelle, Ölwanne, Ölfilter, Lager. Auch die Einspritzanlage, die Abgasanlage, das Tanksystem, die Kupplung und Nebenaggregate wie Ölpumpen, Turbolader und Lichtmaschine werden nicht mehr benötigt.

Veränderte Produktionsprozesse
Stark verändert durch den Elektroantrieb werden Getriebe, Radaufhängung, Kraftübertragung, Klimaanlage, Heizung, Kühlwasserpumpe, Wärmedämmung und das Brems- und Lenksystem. Neu hinzu kommen der Elektromotor mit weiteren Antriebselementen, das Batteriesystem mit Akkumulator, Leistungselektronik, Batteriemanagement, das Ladegerät und weitere Komponenten.

Durch das Elektroauto verändern sich auch die Produktionsprozesse. Der Bedarf an Stahl wird deutlich zurückgehen. Auch beim Metallguss, den Schmieden und Pressen und bei der mechanischen Bearbeitung der Oberflächen ist mit sinkender Wertschöpfung zu rechnen. Im Vergleich zum Verbrennungsmotor erfordert der Elektromotor weniger Zerspanungsarbeiten wie Drehen, Fräsen, Bohren und Schleifen.

Das heißt in der Konsequenz, dass mit dem Übergang vom Verbrennungs- zum Elektromotor der Bedarf der Automobilindustrie an Werkzeugmaschinen zurückgehen wird. Die Automobilindustrie ist mitten in einem tiefgreifenden Wandel, der jetzt schon einige Arbeitsbereiche in der Entwicklung und Fertigung erfasst. Auch im Maschinenbau und insbesondere im Werkzeugmaschinenbau wird der Strukturwandel gravierende Veränderungen bringen.


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